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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 1. Halbband): Erzstift Bremen, Stadt Stade, Stadt Buxtehude, Stift Verden, Stift Osnabrück, Stadt Osnabrück, Grafschaft Ostfriesland und Harlingerland — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30042#0484
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β Kirchenordnungen für die reformierte Gemeinde bzw. die Stadt Emden

9. Ordnunge der vorsamlinge der predicanten und olderlingen, so alhyr

underholden wert.

[vermutlich 1564/73] 1

1. Erstlick sollen alle predicanten und olderlingen
des Mandages 2 na den middach to ener uhren hyr 3
ein bykumpst 4 underholden, umb ordinarlicke ker-
ckensaken tot upbouwinge der ganzen gemeente to
verhandlen, van welker vorsamlinge nemant sick sal
lichtverdichlicken absenteren, sonder syn beröpinge
truwelick praesenteren.

1 Druckvorlage: Abschrift, die der fürstliche Archi-
var Dr. E. Coldewey am 6. Februar 1733 auf
Grund einer alten Kopie anfertigte, Staats-A. Aurich,
Rep. 135 Nr. 37. - Eine vermutlich dem 17. Jh. an-
gehörende Abschrift aus dem Stadt-A. Emden
(1. Registratur 403a, S. 174—176), die nachträglich
gefunden wurde, enthält gegenüber dem Coldewey-
schen Text folgende bemerkenswerte Varianten:
Art. 1, Z. 3 statt „underholden“: „holden“; Art. 2,
Z. 1 statt „christlick“: „geistlich“; Art. 5, Z. 4 statt
„umb“: „und“; Art. 13, Z. 3 fehlt „und“; Art. 13,
Z. 6 statt „so“: „wo“; Art. 14, Z. 1 steht in unserer
Druckvorlage statt „nach“: „mach“, die Emder
Abschrift hat „nach“; Art. 14, Z. 2 steht in der
Emder Abschrift statt „werden mochte“: „wort“;
Art. 15, Z. 1 fehlt das letzte „der“; Art. 16, Z. 1
statt „dat“: „idt“; Art. 16, Z. 4 fehlt „und“; Art.
17, Z. 3/4 statt „to... schwaricheit“: „in hoer swa-
richeit raden“; Art. 18, Z. 2 statt „christlick“:
„geistlich“. In der Emder Abschrift sind die Artikel
nicht numeriert. — Das Wort „alhyr“ in der Über-
schrift unseres Textes deutet auf die Konsistorien-
stube, in der die Tafel mit den Ordnungsartikeln für
die Sitzungen des Kirchenrates aufgehängt war;
vgl. J. Weerda II, 185; Einleitung, oben S. 342 mit
Anm. 66. - Zur Konsistorienstube in der Großen
Kirche vgl. oben S. 371, Anm. 90. — Über die Da-
tierung der Ordnung Einleitung, oben S. 342. Teil-
weise vorbildlich für unsere Ordnung ist wohl das
27. Kapitel von Microns Ordinancien (unten S. 656ff.)
gewesen, das gleichfalls wöchentliche Zusammen-
künfte der Prediger und Ältesten vorsieht (vgl. un-
sere Ordnung, Art. 1), die Sitzung durch einen Predi-
ger mit Gebet eröffnen läßt (vgl. Art. 2), allen Sit-
zungsteilnehmern zugesteht, sich zu den Gemeinde-
angelegenheiten zu äußern (vgl. Art. 5) und eine
vierteljährliche censura morum festsetzt (vgl. Art.
13). Neben den wöchentlichen Sitzungen sehen die
Ordinancien in besonderen Fällen auch außerordent-
liche Zusammenkünfte vor (vgl. Anm. 2).

2 Der Montag war der übliche Versammlungstag; da-

neben gab es zahlreiche außerordentliche Sitzungen.

Fast regelmäßig wurden auch am Freitag vor dem

2. De anfank sal praeses 5 mit ein christlick gebett
int getal van vyff edder seß bröderen een quartier
na enen 6 beginnen. Woll 7 dan na idt gebett komet,
een zyfert 8 poena, de na twen kompt, ein half schap 9,
de gants utblyvet, een schap, he hebbe dan göde,
gewichtige orsaken praesidi süfficiant; praeses be-
talet dübbelde poena.

Abendmahl Versammlungen abgehalten, zeitweise
auch am Sonntag nach der Mittagspredigt (vgl. Pro-
tokoll vom 12. Juli 1563, Band 2, Bl. 95 v; 19. Juni
1564, ebd. Bl. 116r, Archiv der reformierten Ge-
meinde zu Emden); bei besonderen Anlässen kam
man mehrere Tage hintereinander zusammen. Vgl.
J. Weerda II, 171.

3 Zuerst fanden die Zusammenkünfte des Kirchenrates
im Hause eines Predigers, am Sonntag im Anschluß
an die Predigt im Gasthaus (vgl. dazu oben S. 370 f.,
Anm. 89) statt (vgl. Protokoll vom 12. Juli 1563,
aaO.); aber schon 1557 (vgl. Protokoll vom 9.August,
Band 1, Bl. 4 v) bemühte man sich um ein Sitzungs-
zimmer in der Großen Kirche. 1568 tagte man dann
jedenfalls schon in der Konsistorienstube. Vgl.
J. Weerda II, 171f.; auch Bartels in: JbE 2,2
(1877), 163f.

4 = Zusammenkunft, Versammlung; vgl. Schiller und
Lübben I, 334; Lasch und Borchling I, 274.

5 Die Verwendung des Titels „Präses“ für den Vorsit-
zenden will J. Weerda II, 185, noch nicht recht für
das Jahr 1564 passen, da er in den Protokollen erst
nach 1576 auftaucht; der Vorsitzende wird sonst als
„der, de syn weke ist“ bezeichnet. - Der Titel er-
scheint auch in der Geschäftsordnung für die Sit-
zungen der großen Diakonie; vgl. unten S. 464.

6 = ein Viertel nach eins.

7 = Wer; vgl. oben S. 225, Anm. 38.

8 Zyfert oder Ciffert = kleine Münze im Wert von
5 Witten bzw. ½ brabant. Stüber oder Schaf
(vgl. oben S. 450, Anm. 68), in der Münzserie Ennos
III. von 1612 offiziell „Ostfriesischer halber Stü-
ber“ ; ursprünglich (nach 1507) der abgewertete bzw.
umgerechnete (cijfferen = rechnen) „flämische“
Stüber: der „Cifferde Vleemsche“. Zur Geschichte
s. A. Kappelhoff, Beiträge zur Geldgeschichte
Ostfrieslands, in: JbE 37 (1957), 56ff.; ferner
P. Wagner, 13. - Protokoll vom 8. August 1573,
Band 4, Bl. 6 v: ein Zyfert Strafe für den, der nach
2 Uhr kommt.

9 Vgl. dazu oben S. 405 mit Anm. 94a; zu den Preis-
verhältnissen Bartels in: JbE 2, 2 (1877), 160ff.

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