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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 1. Halbband): Erzstift Bremen, Stadt Stade, Stadt Buxtehude, Stift Verden, Stift Osnabrück, Stadt Osnabrück, Grafschaft Ostfriesland und Harlingerland — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30042#0510
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Grafschaft Ostfriesland

8. Item alle galiarden 15 und sunst lichtferdige
danse soll he in gene wegen spelen 16, vele weiniger
danzscholen holden 17.

9. Wurde sick Pawel in seinen dienste alse sick ge-
boiret nicht verholden und enigermaten sick warin
vergrypen, soll und will ein erbar rait mit den kerck-
geswornen eme seines dienstes oick binnen diesem
jaren to entsetten sick voirbeholden hebben.

Conradi hinsichtlich Punkt 7 [!] seines vermutlich
ähnlichen Dienstvertrages: Dewile in M. Cornelis
organist und statspoellmans bestelling ym soeven-
den articull woll vormeldet, dat he in werschaften
mennichlichen vor geboerlichen salario dienen solle,
doch darup wider declaration gefurdert, so erkle-
ren sich amptzvorwalter des huses sampt burger-
meister und radt der statt Embden, dat genanter
Cornelis sowoll up Falleren und deme Embder
klockenschlach alse in der statt voer andren spoellue-
den ein werschaft vorut hebben und genieten mach,
also und dergestalt, wen dar man ein werschaft in
der stat oder up Falderen in den klockenslach ist,
soll he vor andern datsulve to bedienen und to ge-
nieten macht hebben. Wen dar averst mer wer-
schaften sein alse eine, sall andren spoellueden, so
van der oevericheit togelaten, in den andren wer-
schaften to spoelen unbenomen sein, seine gerech-
ticheit gelychwoll vorbeholden. Doch up ratification
des wolgebornen unsers genedig heren grafen to
Oestfrießlant. Sunder geferde (1. Pegistratur 422,
S. 9).Vgl. auch A. Kappelhoff, 48. 74f. Im Gefolge
der Eheordnung von 1596, die u. a. das Spielen von
Tänzen bei Hochzeiten untersagte, wurde Conradi
sein Privileg entzogen; vgl. unten S. 534 mit Anm 9 a.
Später haben die Organisten dieses Privileg aber
wieder innegehabt. Vgl. ein Ratsdekret vom 3. De-
zember 1633: Borgermeister und rat decretiren und
veraffscheiden, dat de organiste older gewohnheit
nae up aller börger warschappen und ansehentlycken
byeinkumpsten alleine musicam exercieren und mit
den synigen bedehnen soll. Im fall he ydt averst
alleine nicht soll verrichten können, sonderen je-
mand vor und neffens sick to gebruicken benödiget
offte begehret werden möchte, soll he den tohrm-
blaser mit synen gesellen darto gebruicken offte
kohmen laten (1. Registratur 422, S. 55).

15 „Galliarde“ (ital. gagliardo = lustig, stark, kühn)
hieß ein damals verbreiteter Paartanz romanischen
Ursprungs (der Name erscheint in der Lombardei
Ende des 15. Jh.s), der aus Stoßschritten und
Sprüngen zusammengesetzt war. Die frühen Galliar-
den umfaßten 4 (oder 6 oder 8) Zweitaktgruppen,
innerhalb jeder Zweitaktgruppe 6 Zählzeiten, auf die
5 Schritte (,,les cinq pas“, „sinkapas“ bei Shake-
speare, Twelth Night I, 3) und ein Sprung (dieser
auf die 5. Zählzeit) entfielen. Man tanzte die Galliarde
vorwärts, zurück, seitwärts und schräg, ursprüng-
lich in mäßig bewegtem Tempo. Im Laufe des

10. Sein salarium soll sein seine jairlicke besol-
dunge und kleidunge, alse he beßher van der stadt
gehat, und alle und jedere vervalle, die tom orgel ge-
hoiren, so alse Christoff Hampton, gewesener orga-
nist 18, die genoten 19.

16. Jh.s ging man dazu über, sie schneller und stür-
mischer zu tanzen (vgl. Thoinot Arbeau, Orchéso-
graphie. 1588, Faksimile Paris 1888, 38). Vgl. C.
Sachs, Eine Weltgeschichte des Tanzes. 1933, 240ff.;
E. H. Meyer in: Die Musik in Geschichte und Ge-
genwart IV (1955), 1285ff. (Lit.); ferner F. M. Böh-
me, Geschichte des Tanzes in Deutschland 1886. I,
bes. 128f., und II (Musikbeilagen) (teils überholt).

16 Über das Spielen von Tänzen gab es mehrfach Ver-
handlungen im Kirchenrat. Am 15. Juli 1560 be-
schäftigte sich der Kirchenrat mit dem blinden
Musiker Willum, der mit Musizieren sein Geld ver-
diente: .. .Van dantsen ouverst kunde de gemene ydt
hem nicht generaelyck tolaten als guedt, ock nicht
gantslyck vordoemen. So heft de gemene ydt hem
secht, dat he nicht alle dansen solde spoelen. Ock
ofte he eyn dans spelede mank eerlyck geselschop,
muchte, daer he vormode sunder argernisse unde
mydt fryen conscientie to doen, dat de gemene ydt
hem kunde tostaen... (Protokolle Band 1, Bl. 91).
Im Januar 1570 kam Willums Angelegenheit wieder
vor den Kirchenrat. Auf Anklage rechtfertigte er
sich am 5. Januar: ...Angaende de lychtverdige
danßent to underholden myt syn spoelent, vermydet
he so voele, als idt moegelyck ys, unde wilt vordan
noch mer myden, um suylckes to donde (Protokolle
Band 3, Bl. 45). Da es Willum schwer fiel, sich mit
solchen Beschränkungen seiner Tätigkeit zu ernäh-
ren, und er um Entgegenkommen bat, anderenfalls
er eine Zeitlang der Gemeinde fernbleiben müsse,
wurde ihm am 6. Februar erlaubt, auch Tänze zu
spielen, jedoch mit Einschränkungen. Die drei Pre-
diger freilich, „de suylckes niet kunden voer vry
achten“, waren mit der Erlaubnis nicht einverstan-
den (Protokolle Band 3, Bl. 47). Noch in demselben
Jahr wurde Willum dann befohlen, das Musizieren
überhaupt einzustellen. Hinsichtlich des Spielens
unzüchtiger Tänze wurde er der Gemeinde als buß-
fertig vorgestellt (Protokolle vom 30. Oktober und
6. November 1570, Band 3, Bl. 63). Nach A. Kap-
pelhoff, 65f.

17 Dieser Artikel ist in der Druckvorlage am Rand
nachgetragen.

18 Christoff Hampton war der Nachfolger des Organi-
sten Johannes (vgl. auch W. Schramm, aaO.), der
1567-1575 in Emden sein Amt ausgeübt hatte und
dann starb, vielleicht an der Pest. Hampton, der da-
mals in Uithuizer Meede im Groningerland wohnte,
wurde durch einen Boten aufgefordert, in Emden

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