Emder Eheordnung 1596
moyen werden in solckem fall in platz des vaders
und der moeder geachtet 19.
4. Und wowoll de ehe den broder- und susterkin-
deren in godtlycken und kayserlycken rechten nicht
verboden 20, jedoch, dewyle in den 21 evangelischen
kercken, umme alle ergernuße und lasteringe 22 we-
gen deses grades ungewohnheit 23 by den unweten-
den to vermyden, verordnet, dat ahne vorgaende er-
kenteniße der overicheit in dem grad niemand hil-
liken 24 solle 25, willen wy uns ock, sulcks to gestäden
edder to wehren, nae der saeken gelegenheit, hier-
mit vorbeholden hebben.
5. Dewyle ock im godtlycken gesette einige graden
der schwagerschap, sowohl in collaterali als in recta
linea, verboeden syn, so soll ein mann na versterven
syner frouwen von den bloetverwantinnen syner ge-
wesenen frouwen sick so wyt im hilcken entholden,
19 Entsprechend Corp. iur. civ., Inst. I, 10, 2 f. 5 (aaO.);
Cod. Iust. aaO. Sachlich auch in der Genfer Eheord-
nung (CR 38, 1, 109; COpp II, 349).
23 Corp. iur. civ., Inst. I, 10, 4 (aaO.); Cod. Iust. V, 4,
19 (aaO. 196).
21 Ordnung von 1607: in enigen.
22 Die Ordnung von 1607 hat statt „lasteringe“: „na-
rede“.
23 Nach kanonischem Recht war die Ehe zwischen Ge-
schwisterkindern verboten. Ausdrücklich gegen das
römische Recht wendet sich in dieser Hinsicht Corp.
iur. can., Decr. Grat. II, caus. XXXV, quest. II et
III, c. 20 (Friedberg I, 1268f.); vgl. ebd. quest.V,
c. 2, 5 (aaO. 1273). Nach kanonischer (= germani-
scher) Zählung der Verwandtschaftsgrade waren Ge-
schwisterkinder im zweiten Grad in der Seitenlinie
miteinander verwandt (nach römischer Zählung im
vierten). Demnach fiel dieser Verwandtschaftsgrad
durchaus auch unter die von Innozenz III. verbote-
nen Grade (vgl. oben S. 87, Anm. 10). Vgl. J. B.
Sägmüller, aaO. 177f.; auch E. Friedberg, aaO.
443ff.; W. M. Plöchl, aaO. I. 1953, 366f. II, 281f.
24 = heiraten; vgl. Doornkaat koolman II, 85;
Schiller und Lübben II,266.
25 Genfer Eheordnung (CR 38, 1, 109; COpp II, 350):
Des autres degrez, combien que le mariage n’y soit
point defendu ne de la loy de Dieu, ne du droict
civil des Romains: neantmoins pour eviter scandale
(pource que de long temps cela n’a pas esté accou-
stumé, et de peur que la parole de Dieu ne soit blas-
phemee par les ignorans) que le cousin germain ne
puisse contracter mariage avec sa cousine germaine,
iusques à ce qu’avec le temps il en soit autrement
advisé par nous. Aux autres degrez, qu’il n’y ait nul
empeschement.
26 Dies entspricht im Prinzip auch dem kanonischen
alß van synen eigenen bloetverwandtinnen, und ge-
lyckfalß eine frouwe van den bloetverwandten öhres
verstorvenen mannes so wyt alß van öhren eigenen 26.
De frunde averst der beyden personen, so mit schwe-
gerschap verhaftet, mogen alß frombde tosahmen
hilcken, dewyle de schwagerschap to densulven sick
eigentlyck nicht erstrecket. Und dit is de orsaeke,
darumme 27 twee broedere an twee sustere und vader
und sohne an eine moeder und öhre dochter mogen
ehelyck verlovet werden.
6. Niemand soll sick mit mehr alß einer person tor
ehe verloeven; dar averst einer mit twee edder dree
togelycke sick ehelyck worde verloven, de soll mit
allem ernst na keyserlycken rechten 28 gestraffet wer-
den.
7. Ock soll jederman vor sick sulvest und die olde-
ren, vormunderen und frunden vor öhren kinderen
Recht; vgl. oben S. 87, Anm. 10. Der Rat scheint es
mit dieser Bestimmung nicht immer so genau ge-
nommen zu haben. Jedenfalls kam es 1604 zu Mei-
nungsverschiedenheiten zwischen dem Rat und den
Predigern: Während der Rat den Predigern anläßlich
eines Falles, da ein Mann nach dem Tod seiner Frau
die Tochter von deren Schwester geheiratet hatte,
ein Rechtsgutachten einhändigen ließ, durch das
diese Eheschließung entschuldigt wurde, u. a. unter
Hinweis auf die angeblich vor der ganzen Gemeinde
und ohne Einspruch von Seiten der Gemeinde ge-
schehene Trauung, erklärten die Prediger, die
Trauung sei entgegen der Eheordnung in einem
fremden Land vorgenommen, in das das Paar ge-
zogen sei, und unter Bestechung eines geldgierigen
Pastors, auch - ebenfalls entgegen der Eheordnung -
ohne dreimaliges Aufgebot. Diejenigen, die einen sol-
chen Ehestand approbiert hatten, hielten die Pre-
diger für Davidianer, Libertiner,Wiedertäufer. — Den
Rat forderten sie auf, die von den Ratsherren 1596
aufgestellte und danach noch öfter erneuerte Ehe-
ordnung, die von dem beklagten Paar „vast in allen
principalen stucken“ eingebrochen war, nicht ab-
zuschaffen. Eingabe der Prediger Menso Alting, Da-
niel Bernhardus Eilshemius, Ritzius Lucas vom
26. März 1604 im Stadt-A. Emden: 1. Registratur
427. Vgl. auch Einleitung, oben S. 348, Anm. 87 e.
27 Ostfr. Monatsbl.: warumme.
28 Unter Diokletian (285) wurde die Polygamie offen-
bar sämtlichen Reichsangehörigen untersagt - die
römische Ehe hatte von jeher unter dem Gesetz der
Monogamie gestanden - und gleichzeitig als selb-
ständiges Delikt unter Strafe gestellt, die Strafe dem
Ermessen der Behörde anheimgegeben: Corp. iur.
civ., Cod. Iust. V, 5, 2 (aaO. 198f.). Vgl. Th. Momm-
sen, Römisches Strafrecht, 1899, 121, Anm. 3. 701.
34 Sehling, Niedersachsen II/l
529
moyen werden in solckem fall in platz des vaders
und der moeder geachtet 19.
4. Und wowoll de ehe den broder- und susterkin-
deren in godtlycken und kayserlycken rechten nicht
verboden 20, jedoch, dewyle in den 21 evangelischen
kercken, umme alle ergernuße und lasteringe 22 we-
gen deses grades ungewohnheit 23 by den unweten-
den to vermyden, verordnet, dat ahne vorgaende er-
kenteniße der overicheit in dem grad niemand hil-
liken 24 solle 25, willen wy uns ock, sulcks to gestäden
edder to wehren, nae der saeken gelegenheit, hier-
mit vorbeholden hebben.
5. Dewyle ock im godtlycken gesette einige graden
der schwagerschap, sowohl in collaterali als in recta
linea, verboeden syn, so soll ein mann na versterven
syner frouwen von den bloetverwantinnen syner ge-
wesenen frouwen sick so wyt im hilcken entholden,
19 Entsprechend Corp. iur. civ., Inst. I, 10, 2 f. 5 (aaO.);
Cod. Iust. aaO. Sachlich auch in der Genfer Eheord-
nung (CR 38, 1, 109; COpp II, 349).
23 Corp. iur. civ., Inst. I, 10, 4 (aaO.); Cod. Iust. V, 4,
19 (aaO. 196).
21 Ordnung von 1607: in enigen.
22 Die Ordnung von 1607 hat statt „lasteringe“: „na-
rede“.
23 Nach kanonischem Recht war die Ehe zwischen Ge-
schwisterkindern verboten. Ausdrücklich gegen das
römische Recht wendet sich in dieser Hinsicht Corp.
iur. can., Decr. Grat. II, caus. XXXV, quest. II et
III, c. 20 (Friedberg I, 1268f.); vgl. ebd. quest.V,
c. 2, 5 (aaO. 1273). Nach kanonischer (= germani-
scher) Zählung der Verwandtschaftsgrade waren Ge-
schwisterkinder im zweiten Grad in der Seitenlinie
miteinander verwandt (nach römischer Zählung im
vierten). Demnach fiel dieser Verwandtschaftsgrad
durchaus auch unter die von Innozenz III. verbote-
nen Grade (vgl. oben S. 87, Anm. 10). Vgl. J. B.
Sägmüller, aaO. 177f.; auch E. Friedberg, aaO.
443ff.; W. M. Plöchl, aaO. I. 1953, 366f. II, 281f.
24 = heiraten; vgl. Doornkaat koolman II, 85;
Schiller und Lübben II,266.
25 Genfer Eheordnung (CR 38, 1, 109; COpp II, 350):
Des autres degrez, combien que le mariage n’y soit
point defendu ne de la loy de Dieu, ne du droict
civil des Romains: neantmoins pour eviter scandale
(pource que de long temps cela n’a pas esté accou-
stumé, et de peur que la parole de Dieu ne soit blas-
phemee par les ignorans) que le cousin germain ne
puisse contracter mariage avec sa cousine germaine,
iusques à ce qu’avec le temps il en soit autrement
advisé par nous. Aux autres degrez, qu’il n’y ait nul
empeschement.
26 Dies entspricht im Prinzip auch dem kanonischen
alß van synen eigenen bloetverwandtinnen, und ge-
lyckfalß eine frouwe van den bloetverwandten öhres
verstorvenen mannes so wyt alß van öhren eigenen 26.
De frunde averst der beyden personen, so mit schwe-
gerschap verhaftet, mogen alß frombde tosahmen
hilcken, dewyle de schwagerschap to densulven sick
eigentlyck nicht erstrecket. Und dit is de orsaeke,
darumme 27 twee broedere an twee sustere und vader
und sohne an eine moeder und öhre dochter mogen
ehelyck verlovet werden.
6. Niemand soll sick mit mehr alß einer person tor
ehe verloeven; dar averst einer mit twee edder dree
togelycke sick ehelyck worde verloven, de soll mit
allem ernst na keyserlycken rechten 28 gestraffet wer-
den.
7. Ock soll jederman vor sick sulvest und die olde-
ren, vormunderen und frunden vor öhren kinderen
Recht; vgl. oben S. 87, Anm. 10. Der Rat scheint es
mit dieser Bestimmung nicht immer so genau ge-
nommen zu haben. Jedenfalls kam es 1604 zu Mei-
nungsverschiedenheiten zwischen dem Rat und den
Predigern: Während der Rat den Predigern anläßlich
eines Falles, da ein Mann nach dem Tod seiner Frau
die Tochter von deren Schwester geheiratet hatte,
ein Rechtsgutachten einhändigen ließ, durch das
diese Eheschließung entschuldigt wurde, u. a. unter
Hinweis auf die angeblich vor der ganzen Gemeinde
und ohne Einspruch von Seiten der Gemeinde ge-
schehene Trauung, erklärten die Prediger, die
Trauung sei entgegen der Eheordnung in einem
fremden Land vorgenommen, in das das Paar ge-
zogen sei, und unter Bestechung eines geldgierigen
Pastors, auch - ebenfalls entgegen der Eheordnung -
ohne dreimaliges Aufgebot. Diejenigen, die einen sol-
chen Ehestand approbiert hatten, hielten die Pre-
diger für Davidianer, Libertiner,Wiedertäufer. — Den
Rat forderten sie auf, die von den Ratsherren 1596
aufgestellte und danach noch öfter erneuerte Ehe-
ordnung, die von dem beklagten Paar „vast in allen
principalen stucken“ eingebrochen war, nicht ab-
zuschaffen. Eingabe der Prediger Menso Alting, Da-
niel Bernhardus Eilshemius, Ritzius Lucas vom
26. März 1604 im Stadt-A. Emden: 1. Registratur
427. Vgl. auch Einleitung, oben S. 348, Anm. 87 e.
27 Ostfr. Monatsbl.: warumme.
28 Unter Diokletian (285) wurde die Polygamie offen-
bar sämtlichen Reichsangehörigen untersagt - die
römische Ehe hatte von jeher unter dem Gesetz der
Monogamie gestanden - und gleichzeitig als selb-
ständiges Delikt unter Strafe gestellt, die Strafe dem
Ermessen der Behörde anheimgegeben: Corp. iur.
civ., Cod. Iust. V, 5, 2 (aaO. 198f.). Vgl. Th. Momm-
sen, Römisches Strafrecht, 1899, 121, Anm. 3. 701.
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