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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 1. Halbband): Erzstift Bremen, Stadt Stade, Stadt Buxtehude, Stift Verden, Stift Osnabrück, Stadt Osnabrück, Grafschaft Ostfriesland und Harlingerland — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30042#0571
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Lütetsburger Kirchenordnung 1606

gelesen werden, und sollen de kinder, so ut der scho-
len tor kercken gefohret, edder ock de kinder, so in
der gemene darto bequem syn, in- den fragen, welcke
volgendes sollen erkleret werden, vorhöret werden 16.
Und darmit solches am bequemsten geschehen mag,
soll in der schole geen ander als der Embder Cate-
chismus gelehret werden 17.

Die ander predige soll to negen uhren angefangen
und to tein uhren geendiget werden.

Off nu woll van den olden gewiße texten, so men
evangelia nömet, up einen jedren Sondach um diese
tydt to erkleren vorordenet syn 18, welcke den ock
noch hir und an etliken anderen orden 19, dem ge-
menen man in siner schwackheit to denen, gewont-
lick vorgelesen und erkleret werden, so stridet doch
solcke anordnung utdrucklick mit Gades wort, dar
gesegt werd, dat word Gades soll gepredigt werden
in der christliken kerken, 1. Thess. 2, v. 13; 1. Pet.
4, 11, mit freymodicheit, Act. 4, 31, nicht half und
stuckwyß, sondren ganz, Exod. 16, v. 26; Deut. 4,
v. 2; 2. Timoth. 2, v. 15. Soll derwegen henferner
genen dwank hirin gemaket werden, als effte man
vor solcke sondagesevangelien geen ander lection ut
der bibel vorlesen edder ock genen propheten, apo-
stel edder evangelisten ordentlyck naeinander er-
kleren muchte, sondren vell mehr der christliken

16 Von „tom ingange der predige de ganze hövetstucke“
bis hierher wiederum enge Anlehnung an die Emder
KO von 1594; vgl. oben S. 486 f. mit Anm. 30. — Die
Lütetsburger Schule war von Unico Manninga (s.
Einleitung, oben S. 349) gestiftet worden; vgl. U. v.
Alvensleben, 90.

17 Die hochdeutsche Fassung unserer KO hat hier fol-
genden Zusatz: N. Gedachte frühpredig ist wegen ab-
gelegenheit deß orts und anderer erheblicher ur-
sachen nit im schwang, sondern nun etliche jahren
hero an dero statt wird den sommer durch alle Son-
tage nachmittag von 2 biß 3 uhren ein offentlich
exercitium catecheticum gehalten.

18 Das abendländische Perikopensystem läßt sich deut-
lich bis in die Zeit Karls d. Gr. zurückverfolgen. Als
ältestes erhaltenes Vollektionar gilt der Comes von
Murbach (Hs Besançon Bibl. Mun. 184), Ende des
8. Jh.s, zuzuordnen dem Sacramentarium Gelasia-
num saec. VIII. Die eindeutig stadtrömisch be-
stimmte Evangelienreihe, die offenbar aus Predigt-
texten hervorwuchs, steht jedoch schon um 645
ziemlich fest, während die Epistelreihe anscheinend
wesenhaft gallikanische Ordnung ist und im Comes
von Murbach zuerst gültig begegnen dürfte. Vom
5. und 6. Jh. abgesehen, waren die Perikopen in der

freyheit na sick na gelegenheit der tydt, der tohörer
und erbouwinge der kercken richten.

Darna, dewyle van Lamberti an bet up Gregorium
de dagen kort syn, also dat gen twe predigen ge-
schehen konnen, soll alle weken 20 am Donnersdage
ein predige geholden werden, in welcker wekenpredig
soll entwedder ut dem olden edder nien testamente
ein bock ordentlyck erkleret werden 21.

3.

Van den festen und vyrdagen.

Dewile wy nicht sehen, dat Moses dem volke
Gades andere festdagen gestiftet als diejennigen, de
em Gott befahlen, ock im volke Gades den hilligen
erzvederen gene feste to eren vorordenet syn und
Gott der Herr utdrucklich segt [Lev 19, 30]: Mine
feste und vyrdage schole gy holden, ock de apostoli,
utgenamen den Sondag, gene fyrdagen ingesettet
edder ock der kercken befolen, ja, vele mehr, dat
Christus den underscheit der dagen upgehaven hefft;
Coloss. 2, v. 16, und to den Gal. cap. 4 straffet der
apostolus Paulus de Galater, dat sie syck, nadem se
Gott erkent hebben, wedder to den schwacken und
nottrufftigen settingen 22 wenden, indeme se noch na

mittelalterlichen Kirche ausschließlich Lesungen;
Luther legte dann den Nachdruck auf die Perikope
als Predigttext. Vgl.W. Caspari, RE 3 15, bes.
140ff.; G. Rietschel-P. Graff, Lehrbuch der
Liturgikl 2. 1951, bes. 190ff.; G. Kunze,Die gottes-
dienstliche Schriftlesung I. 1947, 52ff. 59f. 113 u. ö.;
Leiturgia II, bes. 149ff.; K. F. Müller, EKL III,
117ff.; K. Dienst, RGG 3 V, 220ff. (Lit.). - Betr.
Predigten über ganze biblische Bücher schon vor der
Reformation s. Kerker, Zur Geschichte des Pre-
digtwesens in der letzten Hälfte des 15. Jh.s mit be-
sonderer Rücksicht auf das südwestl. Deutschland,
in: Theol. Quartalschrift 24, 2 (1862), 279.

19 In Emden behielt man die Evangelienperikopen
für die Neunuhrpredigt am Sonntag bei; vgl. oben
S. 486. Microns Ordinancien lehnten das Perikopen-
system entschieden ab; vgl. unten S. 598 mit
Anm. 56. 20 = Wochen; vgl. oben S. 222, Anm. 5.

21 Die hochdeutsche Fassung unserer KO hat den Zu-
satz: N. Wegen deß ordinarii unbequämen winter-
wetters und abgelegenheit deß orts ist auch diese
wochenpredigt von alters her zuruckplieben, auß-
genommen von Quinquagesimo an biß Ostern.

22 = Satzungen, Gesetzen; vgl. Schiller und Lüb-
ben IV, 200.

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