Grafschaft Ostfriesland
ursachen eigentlich bewegt haben, auch in betrach-
tung, mit was ernst und liebe es einem christlichen
könig gebüren wil, zu dem heiligen evangelio Gottes
und der apostolischen religion geneigt und zugeton
zu sein, ohn welche das politisch regiment on zweifel
nit lang bestehen noch seinen namen behalten kan,
es sey denn, das die fürsten und vorneme potenta-
ten, welche von Gott zu herrschen verordnet, vor-
nemlich fleiß anwenden und sorge tragen, daß die
reine religion durchs ganze land außgebreitet und
die gemeine nach der christlichen apostolischen
lehre und ordnung reformieret und durch heilige
diener zum aufwachsen erhalten werde.
Dieweil uns aber wol bewust, daß eins christlichen
königs ampt erfordert (neben andern trefflichen rat-
schlegen, zu der rechten regierung seines reichs dien-
lich), diejenigen, so des evangeliums halben under-
drucket, verjagt und verbant werden, zu versehen
und zu erhalten, derwegen haben wir nit allein das
erste angesehen und die kirchen von des pabsts ty-
raney erlöset und in ihre alte freiheiten restituiret
und sie dabey zu erhalten begeren 2, sonder auch
mitleiden getragen mit den verbanten und außlen-
digen, so vorlangst in unserm reich Engeland ge-
a III wonet | haben, und daß auß der ursachen, daß wir
achten, es soll einem könig zur verkleinerung ge-
langen, daß außlendische menschen, umb des evan-
geliums Christi willen auß ihrem vaterlande vertrie-
ben und zu unserm königreich flüchtig worden, der
notdurft, so zum leben dienet, solten mangel haben,
in ansehung, daß sichs nit gezimet, daß eines königs
miltigkeit in solchen fall einigs wegs solte verkürzet
oder verschlossen sein. Und dieweil viel Teudschen
und andere außlendigen, so hieher kommen sind und
noch täglich in diß unser reich Engeland kommen,
2 Zum Ausbau der evangelischen Kirche Englands
unter Eduard VI. s. oben S. 555, Anm. 18.
3 Seit etwa 1544 nahm die Zahl der aus den Nieder-
landen um ihres Glaubens willen angesichts der Ver-
folgungen durch Karl V. Geflüchteten erheblich zu.
Die Flüchtlinge stammten hauptsächlich aus den
südlichen Niederlanden und sprachen teils nieder-
ländisch, teils französisch. Daneben gab es in Lon-
don kleinere Gruppen italienischer und spanischer
Protestanten. Näheres bei A. A. v. Schelven,Vluch-
telingenkerken, 3ff.; J. Lindeboom, 1ff.; vgl. auch
J. H. Hessels II, 4, Anm. 2; W. F. Dankbaar, 2.
4 Anscheinend hielten die Niederländer in London seit
auß Teudschland und andern frembden lendern 3, in
welchen die freiheit des evangeliums durch den ge-
walt des papstumbs geschwechet und unterdrucket
ist, keine gewisse wonung und statt in unserm reich
hatten, in welcher sie ihre versamlungen halten und
unter ihrem eigenen volk und sprache den handel
der religion und kirchenubungen ihrem brauch nach
verstendlich tun und gebrauchen könten 4, darumb
auß unseren besondern gnaden und auß unserem
guten vorwissen und freiwilliger bewilligung, auch
mit urteil und bewilligung unsers rats, wollen wir zu-
lassen und ordnen, daß nu hinfuro ein kirch in unser
statt Londen sein soll, welche genennet sol werden
der tempel Jesu, in welchem die versamlung der
Teutschen und anderer außlendischen gehalten und
underhalten sollen werden, und daß in solcher mei-
nung und mit solcher condition, daß die reine, un-
verserete außlegung des heiligen evangeliums und
die außteilung der sacramenten nach dem wort
Gottes und der apostolischen ordnung von den die-
nern der teutschen und anderer außlendischen ge-
meine verichtet werde. Und dise kirche richten wir
auf und ordnen jetzo ge|genwertig darzu einen super- a IV
intendenten und vier diener des worts. Und dersel-
bige superintendens und diener sollen mit der tat
wie mit dem namen ein einiger zusamengefügter und
politischer leib sein in ihnen selbs durch den namen
des superintendenten und der diener der teutschen
und andere außlendische gemeine auß der fundation
Edwards des VI. in der statt Londen; und durch
dises gegenwirtigs leiben wir ein und richten auf
einen eingeleibten und politischen leib durch den-
selbigen namen, wesentlich und zu allen zeiten,
ordnen und setzen mit diesem gegenwertigen schrei-
ben, und das (sie) succession oder nachfolg und lang-
1547 eine Zeitlang in einer anglikanischen Parochial-
kirche ihre Gottesdienste. Um 1549 bildeten die
„Germani“ (die niederdeutsch sprechenden Nieder-
länder) eine besondere Gemeinde, hatten ihre Predi-
ger und kamen in der Kirche der französischen
Flüchtlingsgemeinde zusammen. Einem Bericht vom
29. Juni 1550 zufolge predigte Martin Micron damals
jedoch in einem Privathaus. Näheres bei A. A. v.
Schelven, Vluchtelingenkerken, 60ff.; J. H. Ger-
retsen, 9f.; der Bericht vom 29. Juni 1550 (Brief
Utenhoves an Bullinger) bei F. Pijper, LXVIII;
eine zusammenfassende Darstellung bei J. Linde-
boom, 5.
580
ursachen eigentlich bewegt haben, auch in betrach-
tung, mit was ernst und liebe es einem christlichen
könig gebüren wil, zu dem heiligen evangelio Gottes
und der apostolischen religion geneigt und zugeton
zu sein, ohn welche das politisch regiment on zweifel
nit lang bestehen noch seinen namen behalten kan,
es sey denn, das die fürsten und vorneme potenta-
ten, welche von Gott zu herrschen verordnet, vor-
nemlich fleiß anwenden und sorge tragen, daß die
reine religion durchs ganze land außgebreitet und
die gemeine nach der christlichen apostolischen
lehre und ordnung reformieret und durch heilige
diener zum aufwachsen erhalten werde.
Dieweil uns aber wol bewust, daß eins christlichen
königs ampt erfordert (neben andern trefflichen rat-
schlegen, zu der rechten regierung seines reichs dien-
lich), diejenigen, so des evangeliums halben under-
drucket, verjagt und verbant werden, zu versehen
und zu erhalten, derwegen haben wir nit allein das
erste angesehen und die kirchen von des pabsts ty-
raney erlöset und in ihre alte freiheiten restituiret
und sie dabey zu erhalten begeren 2, sonder auch
mitleiden getragen mit den verbanten und außlen-
digen, so vorlangst in unserm reich Engeland ge-
a III wonet | haben, und daß auß der ursachen, daß wir
achten, es soll einem könig zur verkleinerung ge-
langen, daß außlendische menschen, umb des evan-
geliums Christi willen auß ihrem vaterlande vertrie-
ben und zu unserm königreich flüchtig worden, der
notdurft, so zum leben dienet, solten mangel haben,
in ansehung, daß sichs nit gezimet, daß eines königs
miltigkeit in solchen fall einigs wegs solte verkürzet
oder verschlossen sein. Und dieweil viel Teudschen
und andere außlendigen, so hieher kommen sind und
noch täglich in diß unser reich Engeland kommen,
2 Zum Ausbau der evangelischen Kirche Englands
unter Eduard VI. s. oben S. 555, Anm. 18.
3 Seit etwa 1544 nahm die Zahl der aus den Nieder-
landen um ihres Glaubens willen angesichts der Ver-
folgungen durch Karl V. Geflüchteten erheblich zu.
Die Flüchtlinge stammten hauptsächlich aus den
südlichen Niederlanden und sprachen teils nieder-
ländisch, teils französisch. Daneben gab es in Lon-
don kleinere Gruppen italienischer und spanischer
Protestanten. Näheres bei A. A. v. Schelven,Vluch-
telingenkerken, 3ff.; J. Lindeboom, 1ff.; vgl. auch
J. H. Hessels II, 4, Anm. 2; W. F. Dankbaar, 2.
4 Anscheinend hielten die Niederländer in London seit
auß Teudschland und andern frembden lendern 3, in
welchen die freiheit des evangeliums durch den ge-
walt des papstumbs geschwechet und unterdrucket
ist, keine gewisse wonung und statt in unserm reich
hatten, in welcher sie ihre versamlungen halten und
unter ihrem eigenen volk und sprache den handel
der religion und kirchenubungen ihrem brauch nach
verstendlich tun und gebrauchen könten 4, darumb
auß unseren besondern gnaden und auß unserem
guten vorwissen und freiwilliger bewilligung, auch
mit urteil und bewilligung unsers rats, wollen wir zu-
lassen und ordnen, daß nu hinfuro ein kirch in unser
statt Londen sein soll, welche genennet sol werden
der tempel Jesu, in welchem die versamlung der
Teutschen und anderer außlendischen gehalten und
underhalten sollen werden, und daß in solcher mei-
nung und mit solcher condition, daß die reine, un-
verserete außlegung des heiligen evangeliums und
die außteilung der sacramenten nach dem wort
Gottes und der apostolischen ordnung von den die-
nern der teutschen und anderer außlendischen ge-
meine verichtet werde. Und dise kirche richten wir
auf und ordnen jetzo ge|genwertig darzu einen super- a IV
intendenten und vier diener des worts. Und dersel-
bige superintendens und diener sollen mit der tat
wie mit dem namen ein einiger zusamengefügter und
politischer leib sein in ihnen selbs durch den namen
des superintendenten und der diener der teutschen
und andere außlendische gemeine auß der fundation
Edwards des VI. in der statt Londen; und durch
dises gegenwirtigs leiben wir ein und richten auf
einen eingeleibten und politischen leib durch den-
selbigen namen, wesentlich und zu allen zeiten,
ordnen und setzen mit diesem gegenwertigen schrei-
ben, und das (sie) succession oder nachfolg und lang-
1547 eine Zeitlang in einer anglikanischen Parochial-
kirche ihre Gottesdienste. Um 1549 bildeten die
„Germani“ (die niederdeutsch sprechenden Nieder-
länder) eine besondere Gemeinde, hatten ihre Predi-
ger und kamen in der Kirche der französischen
Flüchtlingsgemeinde zusammen. Einem Bericht vom
29. Juni 1550 zufolge predigte Martin Micron damals
jedoch in einem Privathaus. Näheres bei A. A. v.
Schelven, Vluchtelingenkerken, 60ff.; J. H. Ger-
retsen, 9f.; der Bericht vom 29. Juni 1550 (Brief
Utenhoves an Bullinger) bei F. Pijper, LXVIII;
eine zusammenfassende Darstellung bei J. Linde-
boom, 5.
580