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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 1. Halbband): Erzstift Bremen, Stadt Stade, Stadt Buxtehude, Stift Verden, Stift Osnabrück, Stadt Osnabrück, Grafschaft Ostfriesland und Harlingerland — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30042#0676
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Grafschaft Ostfriesland

die ihn seines fals vermanet haben, und vermanen
ihn auch, daß er sich nicht scheme, seine sünden
offentlich für der ganzen gemeine zur ehren Gottes
und besserung u der gemeine zu bekennen. Welche
vermanung, so er sie christlich empfahet, wie ihm
gebüret, so geben ihm die diener die hende, bezeugen
damit die v versönung mit ihm, und da wird ein tag
gestellet, die offentlich buß zu tun.

Was man auf dem tag der offentlichen buß tun soll.

Nach der offentlichen predig, ihe man den psalm
singt, oder auch in der predig selbst 52, beweist der
f. 89 diener w, das der grund | der offentlichen buß in der
a Mat. 5 [23 f.] heiligen schrift begriffen ist, nemlich in dem (a) ge-
bot Christi, unsers Herren, in welchem geboten ist,
daß, so jemand wider seinen bruder gesündiget hat,
der soll sich vor allem mit ihm versünen, wo er
anders einiges Gott wolgefällig werk tun will. Denn
dadurch werden wir geleret, so wir wider viel ge-
sündiget haben, daß wir uns auch mit vilen ver-
sünen müssen. Und folget also, daß, so wir die ganze
gemeine oder einen grossen teil derselbigen geergert
haben, wir uns auch mit der ganzen gemeine zu ver-
sünen schuldig sind.

b Mat. 18 [7] Uber das, (b) so schreiet auch unser Herr Christus

weh uber alle, durch welche ergernussen kommen,
also daß kein zweifel ist, daß alle under dem fluch
begriffen sind, durch welche einiger bruder geergert
wird, wievil mehr aber die, durch welche die ganze
gemeine geergert ist. Von welchem fluch wir keines-
wegs künnen entlediget werden, es sey denn, daß
wir die ergernussen, so wir gegeben haben, wider-
umb, sovil es müglich ist, hinnemen. Welchs warlich
in keinen weg besser geschehen kan denn durch die
versünung mit denen, so wir geergert haben, sofern
es immer x geschehen kan.

u) besserung] N: stichtinghe v) die] N: haer

w) diener] N: predicant x) N + doer ons

y) N + voer al z) eigenschaften] N: mercken

a) und unser sünden] N: in onse sonde

b) Christi... Herren,] N: den sone Gods Christum
den Heere c) N <I.... III.) d) N + opentlick

e) diener] N: Predicant

52 Abweichend von der Emder Ordnung, wonach die
Vorstellung öffentlicher Sünder, entweder zur Buße
oder um ihrer Unbußfertigkeit Rechnung zu tragen,

Wenn nun der grund der offentlichen büß auf

diese weise für der gemeine bewiesen ist, so wird die

gemeine vermanet von allem dem, daß bey einer

jeden offentlichen bußy sol gehalten werden, nem-

lich von diesen dreyen eigenschaften z derselben:

Zum ersten von dem warhaftigen mißfallen und I.

beschuldigung unser selbs und unser sünden a. Drey stück bey
„ , , . , . der offentlichen

Zum andern von dem vertrauwen der vergebung buß zu beden-

der sünden, die wir umb Christi, unsers Herren, b ken.

und des verdiensts seines tods willen erlangen. II.

Zum letzten, daß ein jeder in der gemein gedenk, III. c

daß die sünde des gefaflenen bruders nicht allein des

bruders, sonder auch sein sey, ja, auch der ganzen

gemeine sünde, auf daß ein jeder sich selbs und auch

die ganze gemeine vor dem angesicht Gottes in

gleicher weise beschuldige und gedenk, daß ihm die

versünung in Christo so wol nötig sey, als er sihet,

daß sich der gefallen bruder mit der gemeine ver-

sünen muß. Und widerumb sol auch die ganze ge-

meine trost empfangen von der gewissen vergebung

aller ihrer sünden durch die versünung des gefalle-

nen bruders, die ihm | darnach d durch Gottes wort f. 90

verkündiget wird.

Wenn die gemeine auf diese weise vermanet ist,
so wird der bruder ins gesichte der ganzen gemeine
gestellet und die diener und eltesten stehen rings-
weiß umb ihn.

Darnach fahet der diener e die nachfolgende ver-
manung zu der gemeine an, sprechende auf dise oder
dergleichen weiß:

Vermanung zu der gemeine uber dem
gefallenen, bußwirkenden bruder 53.

Lieben brüder, wir stellen jetzt in die mitte euwer
versamlung diesen gefallenen bruder, der bereit ist,
die schuld seiner sünde (mit deren er Gott und seine

stets am Abendmahlstisch erfolgte. Die öffentliche
Buße beim Abendmahl bezeugt schon Gellius Faber
ca. für die Zeit von 1544-1550; vgl. oben S. 323,

Anm. 6. Im übrigen s. oben S. 494 und S. 500 ff. Die
Lütetsburger KO ist der Emder hierin nicht gefolgt;
vgl. oben S. 549. Zur Regelung Microns in Norden s.
oben S. 628, Anm. 8. Nach allen genannten KOO ge-
hört die Bußzucht (ebenso wie in London) in die Ge-
meinde der Kommunionsberechtigten.

53 Zu den bis zum Schluß des Kapitels folgenden Ver-
mahmmgen und Gebeten vgl. die Vorform in Poul-
lains L’ordre des prieres, oben S. 572 ff., Anm. 62a.

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