Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 1. Halbband): Erzstift Bremen, Stadt Stade, Stadt Buxtehude, Stift Verden, Stift Osnabrück, Stadt Osnabrück, Grafschaft Ostfriesland und Harlingerland — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30042#0675
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Microns Ordinancien (1554) 1565

sönung in ihrer versamlung geschehe, ehe daß die
sache weiter außgebreitet werde.

Wo er aber am verordneten tage seine schult noch
nicht wil bekennen, so wird ihm noch weitere zeit,
sich zu bedenken, vergünnet, biß auf den nechsten
Sontag. Auf welchen (im fall er sich noch nicht ver-
sünet) sol der diener k in der gemeinen predig 1 die
sünde des bruders und auch die verachtung der ver-
manung ordentlich für der ganzen gemeine mit be-
willigung aller anderer diener und eltesten erzelen, sol
aber vor das erst seinen namen verschweigen, es sey
denn die sünde fast der ganzen gemeine bekant. Und
nach solcher erzelung wird ein gemein gebet für den
bruder getan 49, auf daß er zu besserung kommen
möge.

Kompt er m durch solche vermanung zu besserung,
so soll ein heimliche versünung mit denen, so er ge-
ergert hat, n für den eltesten geschehen, gnugsam
sein, welche versünung man dennoch der gemeine
von der kanzel verkündigen soll, mit einer dank-
sagung für die besserung des gefallnen bruders,
doch mit verschweigung seines namens. Bleibt er
aber halßstarrig, so wird er den nechsten Sontag
für der ganzen gemeine durch den diener o mit sei-
nem namen außgeruffen und beschuldiget mit er-
zelung seiner sünden und der verachtung aller
offentlicher und heimlicher vermanung. Und es
wird die ganze gemeine vermanet, daß sie Gott für
den gefallenen bruder bitte 50, und daß ein jeder
fleiß anwende, ihn zu besuchenp und zur besserung
zu vermanen. Denn wird abermals ein gemein ge-
bett für ihn getan durch den dienerq Und wird der
dritte nachfolgende Sontag gestellet, an welchen er
abgeschnitten soll | werden, es sey den, daß er sich

II, 181 f.); vgl. dazu jedoch oben S. 571, Anm. 57.
Auch in der wenig später bezeugten Emder Kirchen-
zuchtpraxis spielt die Versagung des Nachtmahls
vor der eigentlichen Abschneidung eine entschei-
dende Rolle; vgl. oben S. 500 f. mit Anm. 96. Vermut-
lich liegen die Anfänge solcher Praxis in Emden je-
doch vor 1554; vgl. oben S. 554 mit Anm. 8. Die spä-
tere Gemeinde Norden-Lütetsburg folgte dem Em-
der Vorbild; vgl. oben S. 549.

49 Die Vorstellung Unbußfertiger zur Fürbitte ohne
Namensnennung ist später auch in Emden bezeugt;
vgl. oben S. 501, Anm. 97.

50 Die Vorstellung beharrlich Unbußfertiger zur Für-
bitte mit Namensnennung entspricht ebenfalls der
später bezeugten Emder Praxis; vgl. aaO.

mitlerzeit bekere. So er sich nu mittlerweil bessert,
so muß er sich auf einen eigentlichen tag, durch die
eltesten gestellet, rfür der ganzen gemeine (die er
mit seiner halstarigkeit geergert hat) versünen.

Und diß ist der handel, den wir in unser gemeine,
belanget den gebrauch der christlichen straffe, hal-
ten mit denen, die in der versamlung der diener
nach dem wort Gottes vermanet und gestraffet wer-
den, biß zu der zeit, daß sie sich bekeren oder umb
ihrer halstarigkeit willen durch die abschneidung
auß der gemeine geworfen werden. Es sind aber die
diener nit allezeit verbunden, das anbringen der ge-
fallenen brüdern durch andere zu erwarten, sonder
sie selbs sollen zu sich beruffen, welche sie wissen, das
sie offentlich gesündiget haben oder ungöttlich le-
ben oder sonst etwas getan haben, daß der s gemeine
einige gefahr oder schaden bringen möcht, mit wel-
chen sie handlen sollen, wie es die gottselige er-
bauung der gemeine erfordert 51.

Cap. XXIV.

Die form und weiß der offentlichen buße
anstat der abschneidung.

Wir zwingen niemand leichtlich, buß und reu of-
fentlich für der ganzen gemeine zu tun, so lassen wir
auch niemand leichtfertig darzu, sonder allein die-
jenigen, die mit ihren sünden die ganze gemeine oder
den fürnemsten teil derselbigen geergert und in der
versamlung der eltesten ein gewiß zeichen der auf-
richtigen 1 besserung gegeben haben, welches, so es
die diener in einem gefallenen bruder merken, so
vermanen sie ihn zu heimlicher versönung mit denen,

51 Die Kirchenzucht ist nach Bucer und a Lasco das

dritte Aufgabengebiet der Regenten der Gemeinde

Christi; vgl. oben S. 563 f. mit Anm. 83-85.

k) diener] N: Predicant 1) N + op dien seluen dach

m) er] N: de gheuallen broeder

n) mit... hat,] N: met den verergherden broeder

o) diener] N: Predicant

p) fleiß... besuchen] N: hem soecke aen te spreken

q) diener] N: Predicant r) N + opentlick

s) N + ganscher

t) der aufrichtigen] N: synder warachtigher ende
Christelicker

f. 88

Cap. XXIV

41'

643
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften