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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 1. Halbband): Erzstift Bremen, Stadt Stade, Stadt Buxtehude, Stift Verden, Stift Osnabrück, Stadt Osnabrück, Grafschaft Ostfriesland und Harlingerland — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30042#0692
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Grafschaft Ostfriesland

Cap. XXIX

Cap. XXIX.

Von den gemeinen bettagen und fasttagen.

Wenn ein grosse straffe Gottes insgemein scheinet
vorhanden zu sein u oder auch schon unsere gemeine
oder diß reich und die statt Londen, in welcher wir
durch die gnade Gottes leben, uberfallen hat, denn
wird ein gewisser tag in der wochen von den dienern
und eltesten der gemeine angestellet, welcher zu dem
gebet und zum fasten verordnet wird 68. Diser tag
wird am nechstvorgehenden Sontag der gemeine
durch den diener verkündiget, welcher die gemeine
denn ernstlich vermanet zu warer v besserung des
lebens, außlegende die grosse straffe Gottes, die uns
uber unserm haupt hanget.

Und auf daß das gebett der gemeine desto feuriger
sey, so vermanet auch der diener, daß man densel-
bigen ganzen tag mit heiligen ubungen zubringen
sol, auch mit haltung des nachtmals Christi 69 und
der prophecey.

Dieweil auch die menschen gemeinlich zu aller
gottseligkeit träg sind, so vermanet der diener
widerumb, daß ein jeder (sofern es müglich ist) auf
denselbigen tag sich bey der gemeine finden laß und
zu dem nachtmal des Herren sich bereite.

Was auf den gemeinen bete- und fasttag w
der gemeine geschicht.

Nachdem die gemeine umb die neunte stund ver-
samlet ist, so fehet der diener seine predig an, in
welcher er einen text der heiligen x schrift, zu diesem

ende dienstlich, der gemeine erkläret, und vermanet
einen jeden zur erkentnuß seiner sünden | und zur f.
besserung seins lebens, auch zu dem glauben in
Jesum Christum. Er lehret auch das volk auß grundy
der (a) schrift, warin das recht betten und fasten ge- a
legen z sey und wie notwendig es seie, in einer
gemeinen not also nach der lehre der heihgen a
schrift zu fasten.

Nach der predig wird auch b gebetten für die
gegenwertige 70 not in den gemeinen gebeten. Es
wird auch das nachtmal des Herren auf die weiß,
wie oben beschrieben 71, gehalten.

Wenn nun die action des nachtmals getan und der
psalm gesungen ist, so wird ein jeder offentlich ver-
manet, daß er den Herren auch in seinem hause c
umb seine barmherzigkeit in aller nüchterkeit d an-

120

Mat.6[5—18]
Esai.35[?53?]
Neh. 9

1 [4ff.]
Joel 1[14ff.]

2 [12ff.]
Jon.2[3ff.]

3 [5ff.]

2. Par. 20
[3-13]

ruffe on einige nissung der speise biß an den abend,
es were denn, daß die natur dasselbige nicht erlei-
den künte e, auf daß er also desto feuriger den Her-
ren f umb seine gnade anruffe.

Nachmittag umb zwo uhren kompt die gemeine
wider zu der predig und den gemeinen gebetten, und
darnach wird die prophecey gehalten. Und wird also
der ganze tag in aller göttlichen ubung zubracht.
Es wird mit hinzu die gemeine zu einer milten und
reichlicheng außteilung der almossen vermanet und
zur messigkeit und nüchterheit, und dasselbige doch
on einig underscheid der speisen.

Widerumb, wenn auch dise reich oder dieser statt
Londen oder unser gemeine einige grosse göttliche
woltat widerferet, dadurch sein nam sehr gepriesen

u) vorhanden zu sein] N: nakende v) N (warer)

w) N + in x) N (heiligen) y) N (grund)

z) warin... gelegen] N: wat de rechte maniere van
bidden ende vasten a) N (heiligen)

b) N + eighentlick

c) in seinem hause] N: t’huys commende

d) N + ende tuchticheit

e) es were... künte] N: so veere ymmers als de ghe-
sontheit sijns lichaems dat lyden mach

f) den Herren] N: God g) N (und reichlichen)

68 Eine „Liturgia poenitentiae“ bringt Poullain, Li-
turgia sacra (Bl. 12v-16v). Ebd. 12v: Quoniam
vero assiduis fere calamitatibus ecclesia Dei flagella-
tur ob scelera et peccata: aequiss. videtur iuxta ac
sanctissimum certo quodam die singulis hebdomadi-
bus preces celebriores haberi, ad quas tota ecclesia

conveniat, ut ad poenitentiam sese comparet...
Auch Calvins Genfer Liturgie enthält eine Bußtags-
ordnung, jedoch ohne besondere Überschrift (CR
34, 180ff.; COpp II, 26ff.). Ebd. (CR 34, 181; COpp
II, 26): il est bon d’avoir un iour ordonné toutes les
sepmaines... Kasuelle Bettage sieht neben regel-
mäßigen Bettagen die Kölnische Reformation vor
(Bl. CXXXV). Für Emden sind die kasuellen Bet-
tage durch die Kirchenratsprotokolle reichlich be-
zeugt; vgl. oben S. 487ff., Anm. 32. Nach Emder
Vorbild sieht auch die Lütetsburger KO kasuelle
Bettage vor; vgl. oben S. 540.

69 Auch in Emden wurde an Bettagen das Abendmahl
gefeiert; vgl. oben S. 487 ff. mit Anm. 32. Die Lütets-
burger KO erwähnt keine derartige Abendmahls-
feier; vgl. oben S. 540.

70 Druckvorlage: gegenwentige.

71 Oben S. 629 ff.

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