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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 1. Halbband): Erzstift Bremen, Stadt Stade, Stadt Buxtehude, Stift Verden, Stift Osnabrück, Stadt Osnabrück, Grafschaft Ostfriesland und Harlingerland — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30042#0774
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Harlingerland

christlichen gesengen ehrlich sollen begraben wer-
den, umb der herrlichen ufferstandinge und ewi-
gen levendes willen, und abrogiren und verwer-
fen den mißbrauch, so bißdaher in unser friesi-
schen heerschaft ublich und im schwange gewesen,
daß die frauenspersonen uff den haußhöltern 27 und
den sarken 28 liggen, ehe dan die todte körper zur
erden bestattet wird und die leichpredigt gepredigt
ist, auch also heidenischerweiße, nit wie Christen,
den abgestorbenen beweinen, daß oftmalß dero-
wegen der praedicant wird perturbiret und in regen,
schnee, kälte und ungewitter sin ampt nicht woll
verrichten mag 29. Wir wollen aber, daß der abge-
storbene körper solle nit zur erden bestettiget wer-
den, die pastoren oder ihr collega sein selbst gegen-
werdig und verhanden, und soll in die kirche eine
christliche vermahnunge und predigt geschehen von
der auferstehung der todten und ewigem leben, auß
dem evangelisten Johanne, den epistolen Pauli oder
sonsten der hilligen schrift genohmen.

Der sechszehende artic.

Wo die pastoren sich holden sollen
gegen die kranken und verstorbene,
so selden oder nimmer zum abendmahl
deß Herrn gewesen.

Dewiele de verachterß deß hilligen sacraments,
so selden oder nimmer darzu kommen, sich selbst in
den bann tun und von der gemeine frommer chri-
stenzahl absundern, dorumb wollen wir hieher un-

27 = hölzernen Totensärgen; vgl. Doornkaat Kool-
man II, 118. - Bis in die Gegenwart der Ausdruck
„he kumt in’ t holt“, d. h. er wird eingesargt; vgl.
W. Lüpkes, aaO. 122; B. E. Siebs, Die Norder-
neyer. 1930, 107.

28 Bes. = steinernen Totensärgen, Grabplatten (sark
= Sandstein). Vgl. Doornkaat Koolman III,
85 f.; W. Lüpkes, aaO. 126.

29 Dazu B. Arend (1683), 53: Bei den begräbnissen
fallen 2 bis 3 weiber, die nächsten blutsfreundinnen
dessen, der beerdiget wird, nahe bei dem grabe nie-
der, den kopf ganz zur erden haltend, unter weinen
und schreien den abgestorbenen zu beschreien, wel-
ches mehr eine heidnische als christliche gewohnheit
ist, deren man sich allbereits in der kirchenordnung
1573 widersetzet, aber bis auf diese zeit annoch nicht
ist gehoben worden, nicht ungleich derer, da die nach-
gebliebenen sich ganzer 6 wochen der kirchen ent-

sere dieseß 72. jahrß publicirte mandaten von der
excommunication solcher mutwilligen leute repe-
tiret und erweitert haben und ordnen demnach, daß
solchen excommunicerten, verbanten menschen,
man oder weibßpersonen, das hochwurdige abend-
mall deß Herrn, alß den vorachtern solcher unauß-
sprechlichen, teuren gabe, nit soll gereichet, und
nachdem sie gestorben, sollen sie ohne eining ludent,
singent und predigen von der gemeinen Christen
begreffniß abgesundert und inß feld begraben wer-
den 30, eß were dan, daß sie in ihrer krankheit sich
bey gueter zeit bekehrten, dorauf die pastoren auf
gnungsame anzeigung ihrer der kranken leidtragenß
de wahre bueße vermerken möchten. Und wollen
wir derowegen einen jedern, vor sotane schande und
schmaheit vor seinen affsterben sich zue hueten,
hiemit gnedig und ernstlich ermahnet haben.

Der siebenzehende artic.

Von ehestiftung.

Sectio prima.

Ordnen wir, daß kein ehestand bundig 31 und be-
stendig sein soll, so nit mit gutem wißen, willen
und volborde 32 der eltern 33 und aufrichtung einer
schriftlichen eheberedung geschehen und verfaßet
ist. Im fall aber die oldern in Gott dem Herrn ver-
schieden, soll kein ehestand ohne vorwißen und
willen der nechsten freunden und vormunderen zu-
gelaßen werden, wie wir auch solch mutwillig fur-
nehmen der kinder mit ernste straffen und sotane

schlagen, die gemeine verlassen und ohne Gottes
wort, auch ohne trost zu hause sitzen. — Der von
Arend geschilderte Brauch des Niederwerfens nahe
bei dem Grab entspricht allerdings nicht genau dem
Brauch, den unsere KO beschreibt; vgl. auch H. Rei-
mers zu Arend, aaO. Anm. 2.

30 Grundlegend für die Verweigerung des christlichen
Begräbnisses war nach kanonischem Recht der Satz
Leos I.: Nos autem quibus viventibus non communi-
camus, mortuis communicare non possumus; vgl.
Corp. iur. can., Decr. Grat. II, caus. XXIV, quest.
II, c. 1 (Friedberg I, 984); dazu J. B. Sägmüller,
Lehrbuch des kath. Kirchenrechts II 3. 1914, 70 ff.;
W. M. Plöchl, aaO. II, 302;W. Delius, RGG 3 III,
1599 f.

= verbindlich; vgl. oben S. 717 mit Anm. 93.

32 = Zustimmung; vgl. oben S. 70, Anm. 12.

33 Vgl. dazu oben S. 260 mit Anm. 63.

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