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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 1. Halbband): Erzstift Bremen, Stadt Stade, Stadt Buxtehude, Stift Verden, Stift Osnabrück, Stadt Osnabrück, Grafschaft Ostfriesland und Harlingerland — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30042#0775
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Kirckenordnung 1573/74

heimbliche ehe nach rate und consent der olderen,
freunde und verwandten oder zulaßen oder vonein-
ander weisen wollen. Wo aber andere zweifelhaftige
sachen, die ehe betreffen, furfallen, sollen fur unß
oder unsern beambten uffgedecket und mit rate
unser theologen geurteilet und geeusert werden.

Sectio secunda.

Dewiele dan, wannerr die eheberedung vollen-
zogen, mit dem lofelbeehr 34 eine ubermeßige un-
kost angestiftet wird und wir solcheß auß erheb-
lichen ursachen abgeschaffet haben, darumb wollen
wir unsere publicirte mandaten, wie eß mit lavel-
bier, brautheusern 35, tröster- und kinderbieren,
auch kirchgengen gehalten werden soll, hieher wie-
derholet haben, daß denselben durchauß pariret und
nichtß zujegen gehandelt werden soll, zu vermeidung
unser straffe, im selben mandato begriffen.

Sectio tertia.

Von der proclamation und aufkundigung
der zukommenden eheleute.

Nachdeme wir befinden, daß etzliche in unsern
graff- und heerschaften einschleichen und nit docu-
menta und beweiß von ihrer obrigkeit, dorunter
dieselben geboren, unß oder unsern beambten ihres
abschiedenß furbringen, sondern eheweiber nehmen
und sich heußlich, ohne aydespflicht, so die under-
tanen ihrer obrigkeit zu tuende schuldig, nieder-
setzen, zudeme auch weiln gottlose buben und ver-
ächtere der hilligen sacramenta deß leibeß und
bludtß Christi, noch daß sie die hauptarticul unserß
christlichen glaubenß, im catechismo verfaßet,
wißen solten, viel weininger, daß sie nach ordnung
deß von Gott eingesetzten ehestandeß in den fruch-
ten deß allmechtigen ehelich werden, aber in sol-
chen hochgesegneten stand zusammenlaufen alß

34 Verlobungsfeier; vgl. Schiller und Lübben II,
735. Zur Feier des Lobelbieres als Abschluß eines
Rechtsgeschäftes vgl. Sehling VI, 2, 1197, Anm.
30.

35 Den übermäßigen Aufwand bei den Hochzeiten ver-
bietet auch die Nienburger Stadtordnung von 1569
(F. E. Pufendorf, aaO. 336 f.; H. Gade, aaO. 208).
Insgesamt sollen nicht mehr als 20 Paare gebeten,
die Gesellschaften auch nicht länger als über Montag
und Dienstag oder zwei andere Wochentage ausge-
dehnt, keineswegs aber am Sonntag gehalten wer-

daß wilde viehe, derowegen auch dorbey der gött-
liche seegen noch glucke oder heyl ist, und also ent-
weder mit weib und kinderen sich zum bettelstabe
oder anderer unredlichen handlung begeben, dor-
umb ordnen wir, daß unsere pastoren niemandß
von der kanzel proclamirn noch zusammenfugen, de
wißen dan, daß sie, die außheimischen, gute gezeug-
niße unsern beambten furgebracht haben, welcher-
masen sie von ihrer obrigkeit abgeschieden, zue-
deme auch, daß sie, die auß- oder einheimische,
ihrem pastorn ihreß glaubenß eine offentliche be-
kendniß zuvoderst getaen, sich zur beßerung zur
stellen angelobet und braut und breutigamb sich
zum dische deß Herrn bereitet haben, auch daß sie
wißen, warumb im anfang der welt der ehestand von
Gott eingesetzet und wanner daß furgangen 36, mue-
gen wir leiden, daß dieselbe proclamation und auf-
kundigung alleine dre Sontage nacheinander und
nit zu andern tagen in der wochen geschehen
muege 37. Daß meinen wir ernstlich, und so unsere
pastoren hiruber nit mit fleiße halten und hirinne
nachleßig befunden wurden, sollen dieselbe unsere
ungnade gewertig sein.

Sectio quarta.

Waß zeit man braud und breutigamb
zur kirchen fuhren soll.

Ordnen wir, daß braut und breutigam, jeder mit
seiner freundschaft, zue neun uhren in ihre gewöhn-
liche kerspellßkirchen ankommen, daß gottliche
wort zue predigen, zuchtig in aller stille anhören
und nach endung der predigt sich im namen der
heiligen dreyfaltigkeit zusammenfugen laßen. Die-
weile auch braut und breutigamb mit pfeifen,
trummen und andern seitenspiel zur kirchen werden
gefuhret, wollen wir, daß dieselbe vor dem kirch-
hoffe mit spielende uffhören, domit der gottesdienst

den. An den Unkosten sollen sich die Gäste beteili-
gen. Zuwiderhandlungen werden mit 5 Gulden be-
straft. Eine ganz ähnliche Verfügung enthält schon
Graf Albrechts zur Hoya Polizeiordnung von 1551
(aaO.); dort aber: die geselschaft auch lenger nicht
den Sontagk und Montagk gehalten... We aber un-
gehorsam darinnen befunden, sol in der herschaft
straffe stehen.

36 Zum Brautexamen vgl. oben S. 717, Anm. 91.

37 Belege für das dreimalige Aufgebot bei G. Riet-
schel-P. Graff, aaO. II 2. 1952, 713.

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