Harlingerland
unverhindert pleibe und die kirchhoffe alß ruhe-
steden der gelovigen durch sotane fleischliche licht-
ferdigkeit nit geprophaniret und geunehret werden
muegen.
Sectio quinta.
Von unordnung nach der copulation.
Demnach wir auch erfahren, wo etzliche unserer
untertanen auß großer lichtferdigheit, unbedacht
und verachtung deß ehestandeß nach der geendigter
copulation oder zusammenfugung sich untereinan-
der mit feusten schlagen 38 und alle gegen diese gött-
liche ordnung deß ehestandeß sich nerrisch anstel-
len, off 39 idt were ein vastelabendspiel, dorauß zu
zeiten auch unwille, hader, zank und niedheßigkeit 40
erfolgt, derohalben wollen wir sotane lichtferdigkeit
ernstlich bey vermeidung unserer ungnade ver-
botten haben.
Sectio sexta.
Umb welche zeit weerschaft 41 und andere gesell-
schaft angefangen und geendiget werden sollen.
Sanct Paulus spricht [1. Thess 5, 5], die Christen
38 Schläge und Schlägereien bei der Hochzeit waren in
den verschiedensten Gegenden in mannigfaltiger
Ausprägung verbreitet (zu unserem Text s. E. Fried-
berg, Das Recht der Eheschließung. 1865, 86 f.). Sie
werden als Trennungs- oder Angliederungsritus
(im Hinblick auf die Trennung der Braut vom
Elternhaus, Trennung des Brautpaares von der
Gemeinschaft der jungen Mädchen und Burschen
usw. oder auf die Angliederung an die neue Gemein-
schaft), als Mittel, um durch geräuschvolle Sinnfäl-
ligkeit einen wichtigen Augenblick zu unterstreichen,
als Dämonenabwehrritus, auch als Fruchtbarkeit
fördernder Ritus gedeutet (der Marienhafer KO von
1593, oben S. 717, zufolge sollten sie Glück bringen).
Vgl. P. Sartori, Der Schlag im Hochzeitsbrauche,
in: Zeitschrift des Ver. f. rhein. u. westf. Volkskunde
22 (1925), 63 ff., bes. 72 f. (Bezugnahme auf unsere
KO); auch W. Mannhardt, Wald- und Feldkulte I 2.
1904, 299ff.; H. Bächtold-Stäubli, aaO. VII
(1935/36), 1009.
39 = als ob; vgl. Lasch und Borchling I, 515.
40 = mit Neid verbundener Haß; vgl. Grimm, Deut-
sches Wörterbuch 7 (1889), 560.
41 = Hochzeit; vgl. oben S. 260, Anm. 61.
42 = Hochzeitsfestlichkeiten; vgl. Schiller und Lüb-
ben II, 546 ff.
43 Zu den Gildebieren vgl. oben S. 738, Anm. 93.
44 Näheres über die westfälische Sitte, vor der Hoch-
zeit einen Jungfrauenabend abzuhalten, und die da-
sind nicht deß nachtß oder dusterniß, sundern deß
lichtß kinder, demnach ordnen wier, daß jedermen-
niglichen, unsere graff- und herrschaft undertanen,
seine ehekosten 42, kindertaufe und andere ehrliche
gesellschaft, auch daß gildebier zue mittage an-
gefangen, in den fruchten Gottes frölich und guter
dinge sein und mit dem abend aufhören 43. So auch
in unser graffschaft Ritpergh eine unordnung ist,
wanner die braut den folgenden tag zur kirchen ge-
fuhret werden soll, ein jufferenabend gehalten
wird 44, solcheß wollen wir nit lenger gestatten, son-
dern genzlich verbotten haben, dan viele sunde,
laster und schande, dadurch Gott erzurnet wird,
dorauß erfolgt. So aber jemandß ungehorsamb be-
funden wird, soll auf unser guttachtent und be-
fehlich durch unsere beambten in straffe genommen
werden.
Sectio septima.
Eß gibt auch die erfahrung, daß etzliche unser
undertanen, so alle zucht und gute sitten vergeßen,
abscheuliche und unduchtige danze anrichten, also,
daß sie jufferen, frauen und megede im danzen her-
bei herrschende Ausgelassenheit läßt sich der in der
Mitte des 16. Jh.s geschriebenen Chronik der Stadt
Dortmund von Dietrich Westhoff (Die Chroniken
der deutschen Städte 20. 1887, 400 f.)entnehmen:
Plechten ouch grote junfernspille to hebn des
Saterstages avent vur dem bruetdage, also dat in der
bruet hues knechte und megede und sunst ander
guder vrommer burger kinder tosamen gebeden bij-
einander quamen, sprungen und dansten, daer dan
groet untucht begangen, und sunst die eine van dem
andern betruwet wort, daer ouch volgens nicht ge-
ringe herzleit uet erwassen... - In den Statuten der
Stadt Dülmen (mit dem Bemerken „Ex scriptura
saec. XVII“ gedruckt bei J. Niesert, Münstersche
Urkundensammlung III. 1829, 220 ff.; s. ebd. 222 f.)
heißt es: Zum achten, alss gleichfals gemirket, das
uff den juffernabent und bruitwagen des Saterdags
unnotige unkost mit grosser anzal der frouen zu
bitten angewendet werden, wird auch fur gudt an-
gesehen, das der jufferenabent und danzen henferner
vermydet und uf den bruitwagen nit mer dan 24
frouen, nemplich van ider sidt 12, sollen geladen
werden, und so mannige persoin daruber gebetten
wurde, sall von deren idern 6 ß to geven verpflichtet
sein. - Hier wurde der Jungfrauenabend also am
Abend des Tages gefeiert, an dem der Brautwagen
ankam. In Münster wurden die Jungfrauengesell-
schaften am Abend vor der Hochzeit 1571 verboten.
Vgl. P. Sartori,Westfälische Volkskunde. 1922, 89 f.
744
unverhindert pleibe und die kirchhoffe alß ruhe-
steden der gelovigen durch sotane fleischliche licht-
ferdigkeit nit geprophaniret und geunehret werden
muegen.
Sectio quinta.
Von unordnung nach der copulation.
Demnach wir auch erfahren, wo etzliche unserer
untertanen auß großer lichtferdigheit, unbedacht
und verachtung deß ehestandeß nach der geendigter
copulation oder zusammenfugung sich untereinan-
der mit feusten schlagen 38 und alle gegen diese gött-
liche ordnung deß ehestandeß sich nerrisch anstel-
len, off 39 idt were ein vastelabendspiel, dorauß zu
zeiten auch unwille, hader, zank und niedheßigkeit 40
erfolgt, derohalben wollen wir sotane lichtferdigkeit
ernstlich bey vermeidung unserer ungnade ver-
botten haben.
Sectio sexta.
Umb welche zeit weerschaft 41 und andere gesell-
schaft angefangen und geendiget werden sollen.
Sanct Paulus spricht [1. Thess 5, 5], die Christen
38 Schläge und Schlägereien bei der Hochzeit waren in
den verschiedensten Gegenden in mannigfaltiger
Ausprägung verbreitet (zu unserem Text s. E. Fried-
berg, Das Recht der Eheschließung. 1865, 86 f.). Sie
werden als Trennungs- oder Angliederungsritus
(im Hinblick auf die Trennung der Braut vom
Elternhaus, Trennung des Brautpaares von der
Gemeinschaft der jungen Mädchen und Burschen
usw. oder auf die Angliederung an die neue Gemein-
schaft), als Mittel, um durch geräuschvolle Sinnfäl-
ligkeit einen wichtigen Augenblick zu unterstreichen,
als Dämonenabwehrritus, auch als Fruchtbarkeit
fördernder Ritus gedeutet (der Marienhafer KO von
1593, oben S. 717, zufolge sollten sie Glück bringen).
Vgl. P. Sartori, Der Schlag im Hochzeitsbrauche,
in: Zeitschrift des Ver. f. rhein. u. westf. Volkskunde
22 (1925), 63 ff., bes. 72 f. (Bezugnahme auf unsere
KO); auch W. Mannhardt, Wald- und Feldkulte I 2.
1904, 299ff.; H. Bächtold-Stäubli, aaO. VII
(1935/36), 1009.
39 = als ob; vgl. Lasch und Borchling I, 515.
40 = mit Neid verbundener Haß; vgl. Grimm, Deut-
sches Wörterbuch 7 (1889), 560.
41 = Hochzeit; vgl. oben S. 260, Anm. 61.
42 = Hochzeitsfestlichkeiten; vgl. Schiller und Lüb-
ben II, 546 ff.
43 Zu den Gildebieren vgl. oben S. 738, Anm. 93.
44 Näheres über die westfälische Sitte, vor der Hoch-
zeit einen Jungfrauenabend abzuhalten, und die da-
sind nicht deß nachtß oder dusterniß, sundern deß
lichtß kinder, demnach ordnen wier, daß jedermen-
niglichen, unsere graff- und herrschaft undertanen,
seine ehekosten 42, kindertaufe und andere ehrliche
gesellschaft, auch daß gildebier zue mittage an-
gefangen, in den fruchten Gottes frölich und guter
dinge sein und mit dem abend aufhören 43. So auch
in unser graffschaft Ritpergh eine unordnung ist,
wanner die braut den folgenden tag zur kirchen ge-
fuhret werden soll, ein jufferenabend gehalten
wird 44, solcheß wollen wir nit lenger gestatten, son-
dern genzlich verbotten haben, dan viele sunde,
laster und schande, dadurch Gott erzurnet wird,
dorauß erfolgt. So aber jemandß ungehorsamb be-
funden wird, soll auf unser guttachtent und be-
fehlich durch unsere beambten in straffe genommen
werden.
Sectio septima.
Eß gibt auch die erfahrung, daß etzliche unser
undertanen, so alle zucht und gute sitten vergeßen,
abscheuliche und unduchtige danze anrichten, also,
daß sie jufferen, frauen und megede im danzen her-
bei herrschende Ausgelassenheit läßt sich der in der
Mitte des 16. Jh.s geschriebenen Chronik der Stadt
Dortmund von Dietrich Westhoff (Die Chroniken
der deutschen Städte 20. 1887, 400 f.)entnehmen:
Plechten ouch grote junfernspille to hebn des
Saterstages avent vur dem bruetdage, also dat in der
bruet hues knechte und megede und sunst ander
guder vrommer burger kinder tosamen gebeden bij-
einander quamen, sprungen und dansten, daer dan
groet untucht begangen, und sunst die eine van dem
andern betruwet wort, daer ouch volgens nicht ge-
ringe herzleit uet erwassen... - In den Statuten der
Stadt Dülmen (mit dem Bemerken „Ex scriptura
saec. XVII“ gedruckt bei J. Niesert, Münstersche
Urkundensammlung III. 1829, 220 ff.; s. ebd. 222 f.)
heißt es: Zum achten, alss gleichfals gemirket, das
uff den juffernabent und bruitwagen des Saterdags
unnotige unkost mit grosser anzal der frouen zu
bitten angewendet werden, wird auch fur gudt an-
gesehen, das der jufferenabent und danzen henferner
vermydet und uf den bruitwagen nit mer dan 24
frouen, nemplich van ider sidt 12, sollen geladen
werden, und so mannige persoin daruber gebetten
wurde, sall von deren idern 6 ß to geven verpflichtet
sein. - Hier wurde der Jungfrauenabend also am
Abend des Tages gefeiert, an dem der Brautwagen
ankam. In Münster wurden die Jungfrauengesell-
schaften am Abend vor der Hochzeit 1571 verboten.
Vgl. P. Sartori,Westfälische Volkskunde. 1922, 89 f.
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