Kirchenordnung 1573/74
umbwerfen und ofte entblösen 45, dorvon sich an-
dere, ehrliche, fromme leute, jung und alt, ergeren,
entsetzen und schemen muegen, zuedeme auch hin
und wieder auf den goßen oder straßen danzen,
welcheß frommen Christen nit woll ansteiht und
schendlich anzusehen. Derowegen wollen wir sotan
unchristlich, lichferdich wesent und danzent ernst-
lich bey vermeidung unser straffe verbotten und
schendlich abgeschaffet haben.
Sectio octava.
Ordnen wir, daß keine brautheusere oder kindel-
behr auf die Freytage oder Sonnabend sollen gehal-
ten werden 46.
Der XVIII. artic.
Von den nachtkrögen.
Dewiele wir berichtet, daß durch daß spade und
viele nachtkrögent viele sunde, alß unzucht, hader,
todtschlach, ehebruch, hurerey, koppelie und un-
christlich, woist lebend wird angerichtet, wollen wir
den krögeren und denen, so sonst gedrenke auß-
zappen, ernstlich verbotten haben, daß sie den
abend nit weiter dan beht zue achte schlegen krögen
und zappen sollen, bey einer poen, so dorauf erfol-
gen soll. So wollen wir auch, daß nach dem klocken-
ludend zue neun uhren ein jeder sich von der stra-
sen, so nit erhebliche ursache furzubringen hat,
gebe und dieselbe reume, daß auch nach besetzter
wache sowoll alß umb die zeit niemandß keine
muterie 47 und unlust mit worden oder werken an-
richte. Sonsten soll unser wachtmeister und wechter
macht haben, deselben anzugreifen, und sollen alß-
den nach befindung in ernstliche straffe genohmen
werden.
45 Ähnlich wendet sich die Nienburger Stadtordnung
von 1569 gegen das „schentliche, beurische, bolder-
bovische [?] umbwerpen und entblötende der jun-
fern, frouwen und megde“ (F. E. Pufendorf, aaO.
337; H. Gade, aaO. 209). Zu den damals beliebten
Galliarden vgl. oben S. 478, Anm. 15.
46 Über verschiedene Sitten betr. die Wahl des Hoch-
zeitstages in Westfalen s. P. Sartori, Westfälische
Volkskunde. 1922, 86. Betr. Nienburg vgl. oben S.
743, Anm. 35.
47 = Meuterei; vgl. dazu Schiller und Lübben III,
141.
48 Corp. iur. can., Decr. Grat. I, dist. XXX, c. 1 (Fried-
Der XIX. articull.
Von gebuhrlichen gehorsamb der kinder
jegen die eltern.
Und nachdeme daß vierte gesetz deß allerhöch-
sten hart und bestendig gebutt, daß die kinder ihren
elteren den gebörenden gehorsamb leisten und de-
selben mit notwendiger kledung und underholt, so
daß die notturft erfodert, nit verlaßen, sundern
ihnen allen kindlichen gehorsamb, gebuhrende reve-
renz und ehrerbietung, soferne sie dieseß gottlichen
mandats gnedige promission gerne geniesen wolten,
erzeigen sollen, ordnen wier ernstlich, soferne die
kinder ihren eltern nit allen demut und gueten wil-
len erzeigen und deselben sonsten unehren, be-
dregen, underdrucken, nit handhaven, bedröven
oder de hand an deselben leggen wurden, daß wir
alßden gegen solche unmenschliche kindere mit
ernstlicher straffe nach beschreibung der geist- und
weltlichen rechte 48 procediren und doruff die ge-
buhrende execution erfolgen laßen wollen.
Der XX. articul.
Von ünterhaltung der pastoren, kirchen
und derselben kösterß behausung.
Alß die pastorn in unser graffschaft Rittpergh
und friesischen herrschaften mit zimblichen unter-
halt versehen, so wollen wier aber, daß ihnen gleich-
woll die alte, gewöbnliche pflicht der jehrlichen vier
hochzeiten 49, alß opfer, kindtaufe, begreffniß der
todten gelt und waß ihnen sonsten von alterß ge-
buhret, auch andere zinße, rente und upkumbste
und wederstadinge, waß ihnen abgebrochen sein
möchte, sunder jennig behelf guetlich und willig ent-
berg I, 107): Si qui filii parentes, maxime fideles,
deserverint occasione Dei cultus, hoc iustum esse
iudicantes, et non potius debitum honorem parenti-
bus reddiderint, ut hoc ipsum in eis venerentur,
quod fideles sunt, anathema sint (Konzil von
Gangra, c. 16, zw. 325 u. 370). — Zu den diesbezüg-
lichen weltlichen Rechten vgl. oben S. 405, Anm.
87. — Über das im 16. Jh. kompilierte Harlinger
Landrecht (mit starken Entlehnungen aus dem
jüngeren ostfriesischen Landrecht): C. Borchling,
Die niederdeutschen Rechtsquellen I, VII f.
CXXVIII ff. 235 ff.
49 Vgl. oben S. 735.
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umbwerfen und ofte entblösen 45, dorvon sich an-
dere, ehrliche, fromme leute, jung und alt, ergeren,
entsetzen und schemen muegen, zuedeme auch hin
und wieder auf den goßen oder straßen danzen,
welcheß frommen Christen nit woll ansteiht und
schendlich anzusehen. Derowegen wollen wir sotan
unchristlich, lichferdich wesent und danzent ernst-
lich bey vermeidung unser straffe verbotten und
schendlich abgeschaffet haben.
Sectio octava.
Ordnen wir, daß keine brautheusere oder kindel-
behr auf die Freytage oder Sonnabend sollen gehal-
ten werden 46.
Der XVIII. artic.
Von den nachtkrögen.
Dewiele wir berichtet, daß durch daß spade und
viele nachtkrögent viele sunde, alß unzucht, hader,
todtschlach, ehebruch, hurerey, koppelie und un-
christlich, woist lebend wird angerichtet, wollen wir
den krögeren und denen, so sonst gedrenke auß-
zappen, ernstlich verbotten haben, daß sie den
abend nit weiter dan beht zue achte schlegen krögen
und zappen sollen, bey einer poen, so dorauf erfol-
gen soll. So wollen wir auch, daß nach dem klocken-
ludend zue neun uhren ein jeder sich von der stra-
sen, so nit erhebliche ursache furzubringen hat,
gebe und dieselbe reume, daß auch nach besetzter
wache sowoll alß umb die zeit niemandß keine
muterie 47 und unlust mit worden oder werken an-
richte. Sonsten soll unser wachtmeister und wechter
macht haben, deselben anzugreifen, und sollen alß-
den nach befindung in ernstliche straffe genohmen
werden.
45 Ähnlich wendet sich die Nienburger Stadtordnung
von 1569 gegen das „schentliche, beurische, bolder-
bovische [?] umbwerpen und entblötende der jun-
fern, frouwen und megde“ (F. E. Pufendorf, aaO.
337; H. Gade, aaO. 209). Zu den damals beliebten
Galliarden vgl. oben S. 478, Anm. 15.
46 Über verschiedene Sitten betr. die Wahl des Hoch-
zeitstages in Westfalen s. P. Sartori, Westfälische
Volkskunde. 1922, 86. Betr. Nienburg vgl. oben S.
743, Anm. 35.
47 = Meuterei; vgl. dazu Schiller und Lübben III,
141.
48 Corp. iur. can., Decr. Grat. I, dist. XXX, c. 1 (Fried-
Der XIX. articull.
Von gebuhrlichen gehorsamb der kinder
jegen die eltern.
Und nachdeme daß vierte gesetz deß allerhöch-
sten hart und bestendig gebutt, daß die kinder ihren
elteren den gebörenden gehorsamb leisten und de-
selben mit notwendiger kledung und underholt, so
daß die notturft erfodert, nit verlaßen, sundern
ihnen allen kindlichen gehorsamb, gebuhrende reve-
renz und ehrerbietung, soferne sie dieseß gottlichen
mandats gnedige promission gerne geniesen wolten,
erzeigen sollen, ordnen wier ernstlich, soferne die
kinder ihren eltern nit allen demut und gueten wil-
len erzeigen und deselben sonsten unehren, be-
dregen, underdrucken, nit handhaven, bedröven
oder de hand an deselben leggen wurden, daß wir
alßden gegen solche unmenschliche kindere mit
ernstlicher straffe nach beschreibung der geist- und
weltlichen rechte 48 procediren und doruff die ge-
buhrende execution erfolgen laßen wollen.
Der XX. articul.
Von ünterhaltung der pastoren, kirchen
und derselben kösterß behausung.
Alß die pastorn in unser graffschaft Rittpergh
und friesischen herrschaften mit zimblichen unter-
halt versehen, so wollen wier aber, daß ihnen gleich-
woll die alte, gewöbnliche pflicht der jehrlichen vier
hochzeiten 49, alß opfer, kindtaufe, begreffniß der
todten gelt und waß ihnen sonsten von alterß ge-
buhret, auch andere zinße, rente und upkumbste
und wederstadinge, waß ihnen abgebrochen sein
möchte, sunder jennig behelf guetlich und willig ent-
berg I, 107): Si qui filii parentes, maxime fideles,
deserverint occasione Dei cultus, hoc iustum esse
iudicantes, et non potius debitum honorem parenti-
bus reddiderint, ut hoc ipsum in eis venerentur,
quod fideles sunt, anathema sint (Konzil von
Gangra, c. 16, zw. 325 u. 370). — Zu den diesbezüg-
lichen weltlichen Rechten vgl. oben S. 405, Anm.
87. — Über das im 16. Jh. kompilierte Harlinger
Landrecht (mit starken Entlehnungen aus dem
jüngeren ostfriesischen Landrecht): C. Borchling,
Die niederdeutschen Rechtsquellen I, VII f.
CXXVIII ff. 235 ff.
49 Vgl. oben S. 735.
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