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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sprengler-Ruppenthal, Anneliese [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 1. Teil): Stift Hildesheim, Stadt Hildesheim, Grafschaft Oldenburg und Herrschaft Jever — Tübingen: J.B.C. Mohr (Paul Siebeck), 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.32954#0185
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Stadt Hildesheim

den, sondern auch dieser confession mit herzen und
mund zugetan sein, mit unsern predigern einerlei
phrasiologii und art zu reden in der schulen und
sonsten gebrauchen, keine neue art zu reden ein-
fuhren, welche gemeiniglich neuwe errores zu gebie-
ren pflegen.
Im fall aber, da sichs einer oder mehr anders ver-
halten und solches an ihnen befunden und der oder
dieselbigen ihreß irtumbs erinnert, verwiesenaund
zurechte gewiesenb, bei ihnen aber die besserung
nicht folgen wurde, sol sich der oder dieselbigen
ipso facto ihreß diensts verlustig gemacht und alß-
balt entsetzet und unß der obrigkeit, ferner die
gebuhr an die hand zu nehmen, angezeiget werden.
Dabeneben sollen sie semptlich die kirchen, derer
ein jeder muß vurstehn und dahin er gehoret, son-
derlich zu S. Andreae, deß Mitwochens und Sonta-
geß zu nachmittage fleisich besuchen und sich keiner
ohne besondere ehehaften11 absentiren oder auß der
kirchen subduciren, sondern fur ihre person lieb-
haber des götlichen worts und deßselben diener sein,
auch ihren discipulis mit solchem löblichen exempel
furleuchten und sich fleißich zum abentmahl halten,
und sollen andere licente und ergerniß keineßwegeß
geduldet werden.
Dieweil aber der h. apostel Jacobus auß Gotteß
befehl erfodert und haben will, das Christen nicht
alleinc hörer, sondern auchd teter des worts sollen
sein [Jak 1, 22-25], so sollen aucheunsere collegen
die predigten gottlichs worts also practiciren, daß
sie:
I. Erstlich von sich selbst den anfang machen,
ein feineß, zuchtigeß, ehrlicheß und christlicheß
leben fuhren in worten und werken und eine beson-

a 146/24: uberwiesen
b 146/24: + werden
c 146/24: nur
d 146/24: ,,auch" fehlt.
e 146/24: ,,auch" fehlt.
f 146/24 darübergeschrieben: dieß vitium
g 146/24: Da aber einer oder der
h 146/24: ,,weren" fehlt.
11 = Ursachen; vgl. Grimm, Deutsches Wörterbuch
III, 43.
Druckvorlage: leumutt.

dere gravitet bei sich spuren und merken lassen und
die, so nicht ehweiber haben, sich aller verdechtigen
weibspersonen und ohrter enthalten, damit nicht
allein allerlei nachsage, böser leumu[n]t12 und
schedtliche zohrnstraffen Gotteß deß Herrn ver-
hutet, sondern auch aller archwon verbotener un-
zucht und aller uppigkeit verbleiben muge. Den wie
Quintilianus von einem guten schulmeister saget,
soll eß auch von unsen schullcollegen heisen: Ipsi
nec habeant vitia, nec ferant neque crimine solum
turpitudinis, verum etiam suspicione careant13.
Und demnach ebrietas oder die drunkenheit
omnium flagitiorum mater, eine mutter aller laster
und schande ist14, so solle diß lasterfunsen collegen
zum hochsten verbotten sein.
Da aber der einer oderg ander schuldiener sich
desselben wieder unserer anordenung anmassen und
ein- oder zweimal drumb gestraffet und zur besse-
rung vermahnet und er nicht folgen und gehorsam
wurde, so soll er sich selbst de facto damit seineß
diensteß verlustig gemacht haben.
Hieher gehoret auch die kleidung. Drumb wollen
wir, das unsere schuldiener ihren stande gemeß
werenh und der jugent, auch allen burgern und ein-
wohnern, sowol freunden alß feinden, zum guten
exempel ehrlicher und zuchtiger kleidung sich be-
fleisigen und mitnichten den stratioten15, krigeß-
volk, reuter oder hantwerksbursch oder anderen
leichtfertigem gesindel in tracht und gebrauch
neuwer funde, am kragen, uberschlege, hosen, hosen-
bender, schuhen oder schuherosen, mantel oder
dergleichen16 gemeß halten sollen, den ob wir woll
wissen, das longa barba oder longum pallium keinen
philosophum machen17 und zur geschickligkeit und

13 Quintilian, instit. orat. II, 4. 14: Ipse nec habeat
vitia nec ferat... carendum est non solum crimine
turpitudinis, verum etiam suspicione.
14Vg. J.U.Seybold, aaO. 143; K.F.W.Wander,
aaO. IV. 1876, 1349. 17.
= Soldat; vgl. Grimm, Deutsches
Wörterbuch X, 3, 936.
16 Zur Kleidung vgl. F. Hottenroth, Handbuch der
Deutschen Tracht. 1896, 499ff.
17 Barba non facit philosophum; J.G.Seybold, aaO.
51; vgl. K.F.W.Wander, Deutsches Sprichwörter-
Lexikon III. 1873, 1341. 2.

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