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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sprengler-Ruppenthal, Anneliese [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 2. Halbband, 1. Teil): Stift Hildesheim, Stadt Hildesheim, Grafschaft Oldenburg und Herrschaft Jever — Tübingen: J.B.C. Mohr (Paul Siebeck), 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.32954#0288
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Kirchenordnung 1573

Darumb wie diese weisheit und regel in Gott
ewig ist, folget, das sünde und Gott nicht gefellig
ist in ewigkeit, was derselbigen weisheit und regel
in Gott widerwertig ist, als abgötterey, todtschlag,
ehebruch, stelen, falsche eid tun etc.
Und damit wir menschen dieses urteil wieder die
sünde wüsten und gros achteten, hat Gott diese
seine weisheit und regel mit so vielen grossen zeichen
in der ausfürung aus Egypto den menschen fürge-
tragen und bezeuget, das gewislich er selbs also sey
und wölle zerstören, was dieser seiner weisheit und
seinem willen widerwertig ist.
Und hat als ein weiser meister die summa ordent-
lich in zehen sprüche gefasset, die man aber also
verstehen sol, wie er sie selbs erkleret hat. Darumb
brauchen wir diesen namen, zehen gebot, so oft wir
von diesem ewigen, unwandelbarn gesetz reden.
Was nun sünde ist wider diese göttliche ewige
weisheit, ist sünde in ewigkeit und ist Gott nicht
gefellig. Das aber dennoch Gott uns arme menschen
annimpt, billigt er darumb die sünde nicht, sondern
er hat seinen gerechten und grossen zorn derhalben
auf seinen Son Jhesum Christum ausgegossen und
desselbigen leiden, der unschüldig war, für uns zur
bezalung angenomen25.
Diesen heimlichen, wunderbarlichen rat werden
wir in ewigkeit bey Gott klerer [!] erkennen. Den-
noch söllen wir in diesem leben als die kindlein
ahnfahen, diese göttliche lehre zu lernen und zu
betrachten, das wir bedenken, das die sünde eine
grausamlich und erschrecklich zerstörung ist. Und
dagegen, das dieses uberschwenkliche grosse barm-
herzigkeit ist, das uns Gott dennoch annimpt, doch
also, das sein gerechter und grosser zorn uber den
unschüldigen und liebesten Son ausgegossen wird.

25 Bis hierhin wörtlich nach Melanchthon, Der ordi-
nanden examen 1552, MW VI, 234f.; Sehling V,
185.
26 Von Anmerkungsziffer 25 bis hier im allgemeinen
wörtlich nach Melanchthon, Der ordinanden
examen 1552, MW VI, 235f.; Sehling V, 185f. Un-
bedeutende Varianten!
1 Im Zusammenhang mit den Visitationen in Kur-
sachsen hatte Melanchthon 1527 die Notwendigkeit
der zur Buße treibenden Gesetzespredigt betont
(vgl. CR 26, 9ff.). Daraufhin wurde er von Johannes

Davon redet Paulus, da er spricht [Rm 5, 20]:
Gratia exuberat supra delictum. Die gnade ist
mechtiger denn die sünde. Und also werden wir
frey durch den Son Gottes vom ewigen zorn, welchen
dis göttliche gesetz, das ist, Gottes weisheit und
gerechtigkeit, auf uns hette ausgegossen, wenn der
Herr Christus nicht mitler und versüner worden
were.
Wenn nun Sanct. Paulus spricht [Rm 8, 2]: Wir
sind ledig von diesem gesetz, so verstehe von der
ewigen straffe, so wir durch glauben an den Herrn
Jhesum Christum vergebung der sünden und gnad
erlangen und mit seiner gerechtigkeit bekleidet
worden.
Und bleibet zugleich Gottes ewige weisheit und
gerechtigkeit, der wir forthin gehorsam sein sollen.
Und wirket der Son Gottes selbs in uns leben und
gibet seinen heiligen Geist, das der gehorsam ange-
fangen werde. Und zerbricht Gott diesen sündigen
leib, damit er bezeugt, das ihm die sünde nicht ge-
fellig ist und das er sie gewislich zerstöret.
Darumb sollen die prediger die zehen gebot vleis-
sig predigen und aus Gottes wort erkleren, das man
aus göttlichen zeugnüs wisse, was sünde sey und
dagegen, welche werk Gott gefellig sind. Und sollen
dabey die erlösung, gnad und seligkeit, die wir
haben durch den Son Gottes, dem volk auch treulich
fürtragen26.
Von den antinomis oder gesetzstürmern.
Es sollen die antinomi oder gesetzstürmer1 in
christlichen kirchen nicht geduldet werden, welche
die predigt des gesetzes aus der kirchen wegwerfen
und wollen, das man die sünde straffen, reu und

Agricola angegriffen, der darin einen Rückschritt sah.
Agricola formulierte seine Auffassung in: Hundert
und Dreissig gemeyner Fragestücke für die iungen
kinder. 1528 (vgl. F. Cohrs, Die ev. Katechismus-
versuche vor Luthers Enchiridion II [Monumenta
Germaniae Paedagogica XXI]. 1900, 261ff.); er
hielt das Gesetz für einen verfehlten Versuch Gottes,
die Menschen durch Drohung zu leiten, es sei der
Juden Sachsenspiegel und gehe die Christen nichts
mehr an (vgl. bes. aaO. 293). Bei Verhandlungen in
Torgau zwischen Luther, Bugenhagen, Melanchthon

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