6. Übergang
Literatur: E. Bizer, Studien zur Geschichte des Abendmahlsstreits im 16. Jahrhundert, BFchTh II, 46,
1940. - H. Heppe, Der kirchliche Verkehr Englands mit dem evangelischen Deutschland im 16. Jahrhundert, 1859.
-W. Köhler, Zürcher Ehegericht und Genfer Konsistorium, 1932. 1942. -W. Köhler, Das Marburger Religions-
gespräch 1529. Versuch einer Rekonstruktion, SchrV Ref 148, 1929. -W. Köhler, Zwingli und Luther, ihr Streit
über das Abendmahl nach seinen politischen und religiösen Beziehungen, QuF Ref 6. 7, 1924. 1953. - H. von Schu-
bert, Die Anfänge der ev. Bekenntnisbildung bis 1529/30, SchrV Ref 143, 1928. - H. von Schubert, Bekennt-
nisbildung und Religionspolitik 1529/30 (1524—1534), 1910. — H. von Schubert, Bündnis und Bekenntnis 1529/30,
SchrV Ref 98, 1908.
Die politischen und religiösen Strömungen, die in diesem Jahrzehnt in besonderem Maße auch
Hessen durchziehenb56, haben sich nur zu einem geringen Teil in den Ordnungen dieser Jahre nieder-
geschlagen. Der Einfluß Zwinglis fehlt nahezu vollständig, während das Wirken Bucers erst in den
nächsten Jahren deutlich in Erscheinung tritt. Interessanter als der Nachweis direkter Abhängigkeit
Hessens von einzelnen Reformatoren ist es jedoch, die allgemeinen Grundlagen der Religionspolitik
Philipps aufzuspüren. Er steht als Vermittler zwischen den protestantischen Fronten, zunächst zwischen
dem sächsischen Luthertum und Zwingli - dessen großräumige politische Pläne ihn in ihren Bann
ziehen57 - später sich den Unionsversuchen Bucers anschließend58, sowohl gegenüber den Wiedertäufern
als auch gegenüber der lutherischen Haltung in der Abendmahlsdiskussion. Diese Stellung Philipps
bringt es entscheidend mit sich, daß für die hessische Kirche und ihre Ordnungen nicht die Fragen der
Lehre im Vordergrund stehen, sondern die der äußeren Gestaltung und des Gestaltwerdens der Kirche59.
Dies geht so weit, daß in den Fragen der Lehre die Tradition entschieden ihre Bedeutung behält, während
neue reformatorische Wege im Umkreis der Gestaltung, der Handlung und der Formung gesucht und
beschritten werden. Die Folgezeit läßt diese Ansätze deutlicher ausgeprägt erscheinen.
c) Die großen Ordnungen des Jahres 1539
(Ziegenhainer Zuchtordnung und Kasseler Kirchenordnung, Texte Nr. 9 und 10)
Literatur: O. Albrecht, Luthers Katechismus, SchrV Ref 121. 122, 1915. — J. Fr. Bachmann, Die Ge-
schichte der Einführung der Confirmation innerhalb der evangelischen Kirche I, 1852. — K. Bachmann, Geschichte
der Kirchenzucht in Kurhessen, von der Reformation bis zur Gegenwart, 1912. —W. Bellardi, Die Geschichte der
,,Christlichen Gemeinschaft“ in Straßburg (1546/1550), QuF Ref 18, 1934. —W. Caspari, Die evangelische Konfir-
56 Zu denken ist etwa an das Marburger Religionsgespräch (vgl. Anm. 57), den Augsburger Reichstag mit der CA
(Philipp unterschreibt, um der Fassung des Artikels 10 willen, nur bedingt und nimmt damit sachlich die Fassung
des Artikels in der Variata voraus), an den Schmalkaldischen Bund, dessen Führung Philipp zusammen mit dem
sächs. Kurfürsten zufällt, und, damit verbunden, an die Rückführung Ulrichs von Württemberg.
57 Zwingli denkt an die Zusammenfassung aller protestantischen Mächte von den Alpen bis Dänemark in einem
antikath.-habsburgischen Bündnis. Jedoch kommt eine gesamtprotestantische Lösung nicht zustande, da Luther
sich, schon vor dem Marburger Religionsgespräch, an die Schwabacher Artikel als theologische Voraussetzung einer
protestantischen Bündnispolitik gebunden hatte. Ergebnis der Bemühungen Zwinglis und Philipps ist daher nur
die Aufnahme einzelner Territorien, darunter auch Hessens, in das Zürcher Burgrecht (,,Hessischer Verstand“).
Diese Tatsache verliert jedoch nach dem Tode Zwinglis weitgehend an Bedeutung. Vgl. H. v. Schubert aaO.
58 DieWittenberger Konkordie (Text bei Bizer 117 ff.) erhält durch Philipps Testament geradezu symbolische Be-
deutung (vgl. S. 343 und Th. Griewank, Das ,,christliche Verbesserungswerk“ des Landgrafen Moritz und seine
Bedeutung für die Bekenntnisentwicklung der kurhessischen Kirche, Jahrbuch 4, 1953, S.41) und ist bis heute in
einzelnen Teilen der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau gültige Bekenntnisschrift.
59 Dies wird am deutlichsten an der Kirchenordnung von 1566.
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Literatur: E. Bizer, Studien zur Geschichte des Abendmahlsstreits im 16. Jahrhundert, BFchTh II, 46,
1940. - H. Heppe, Der kirchliche Verkehr Englands mit dem evangelischen Deutschland im 16. Jahrhundert, 1859.
-W. Köhler, Zürcher Ehegericht und Genfer Konsistorium, 1932. 1942. -W. Köhler, Das Marburger Religions-
gespräch 1529. Versuch einer Rekonstruktion, SchrV Ref 148, 1929. -W. Köhler, Zwingli und Luther, ihr Streit
über das Abendmahl nach seinen politischen und religiösen Beziehungen, QuF Ref 6. 7, 1924. 1953. - H. von Schu-
bert, Die Anfänge der ev. Bekenntnisbildung bis 1529/30, SchrV Ref 143, 1928. - H. von Schubert, Bekennt-
nisbildung und Religionspolitik 1529/30 (1524—1534), 1910. — H. von Schubert, Bündnis und Bekenntnis 1529/30,
SchrV Ref 98, 1908.
Die politischen und religiösen Strömungen, die in diesem Jahrzehnt in besonderem Maße auch
Hessen durchziehenb56, haben sich nur zu einem geringen Teil in den Ordnungen dieser Jahre nieder-
geschlagen. Der Einfluß Zwinglis fehlt nahezu vollständig, während das Wirken Bucers erst in den
nächsten Jahren deutlich in Erscheinung tritt. Interessanter als der Nachweis direkter Abhängigkeit
Hessens von einzelnen Reformatoren ist es jedoch, die allgemeinen Grundlagen der Religionspolitik
Philipps aufzuspüren. Er steht als Vermittler zwischen den protestantischen Fronten, zunächst zwischen
dem sächsischen Luthertum und Zwingli - dessen großräumige politische Pläne ihn in ihren Bann
ziehen57 - später sich den Unionsversuchen Bucers anschließend58, sowohl gegenüber den Wiedertäufern
als auch gegenüber der lutherischen Haltung in der Abendmahlsdiskussion. Diese Stellung Philipps
bringt es entscheidend mit sich, daß für die hessische Kirche und ihre Ordnungen nicht die Fragen der
Lehre im Vordergrund stehen, sondern die der äußeren Gestaltung und des Gestaltwerdens der Kirche59.
Dies geht so weit, daß in den Fragen der Lehre die Tradition entschieden ihre Bedeutung behält, während
neue reformatorische Wege im Umkreis der Gestaltung, der Handlung und der Formung gesucht und
beschritten werden. Die Folgezeit läßt diese Ansätze deutlicher ausgeprägt erscheinen.
c) Die großen Ordnungen des Jahres 1539
(Ziegenhainer Zuchtordnung und Kasseler Kirchenordnung, Texte Nr. 9 und 10)
Literatur: O. Albrecht, Luthers Katechismus, SchrV Ref 121. 122, 1915. — J. Fr. Bachmann, Die Ge-
schichte der Einführung der Confirmation innerhalb der evangelischen Kirche I, 1852. — K. Bachmann, Geschichte
der Kirchenzucht in Kurhessen, von der Reformation bis zur Gegenwart, 1912. —W. Bellardi, Die Geschichte der
,,Christlichen Gemeinschaft“ in Straßburg (1546/1550), QuF Ref 18, 1934. —W. Caspari, Die evangelische Konfir-
56 Zu denken ist etwa an das Marburger Religionsgespräch (vgl. Anm. 57), den Augsburger Reichstag mit der CA
(Philipp unterschreibt, um der Fassung des Artikels 10 willen, nur bedingt und nimmt damit sachlich die Fassung
des Artikels in der Variata voraus), an den Schmalkaldischen Bund, dessen Führung Philipp zusammen mit dem
sächs. Kurfürsten zufällt, und, damit verbunden, an die Rückführung Ulrichs von Württemberg.
57 Zwingli denkt an die Zusammenfassung aller protestantischen Mächte von den Alpen bis Dänemark in einem
antikath.-habsburgischen Bündnis. Jedoch kommt eine gesamtprotestantische Lösung nicht zustande, da Luther
sich, schon vor dem Marburger Religionsgespräch, an die Schwabacher Artikel als theologische Voraussetzung einer
protestantischen Bündnispolitik gebunden hatte. Ergebnis der Bemühungen Zwinglis und Philipps ist daher nur
die Aufnahme einzelner Territorien, darunter auch Hessens, in das Zürcher Burgrecht (,,Hessischer Verstand“).
Diese Tatsache verliert jedoch nach dem Tode Zwinglis weitgehend an Bedeutung. Vgl. H. v. Schubert aaO.
58 DieWittenberger Konkordie (Text bei Bizer 117 ff.) erhält durch Philipps Testament geradezu symbolische Be-
deutung (vgl. S. 343 und Th. Griewank, Das ,,christliche Verbesserungswerk“ des Landgrafen Moritz und seine
Bedeutung für die Bekenntnisentwicklung der kurhessischen Kirche, Jahrbuch 4, 1953, S.41) und ist bis heute in
einzelnen Teilen der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau gültige Bekenntnisschrift.
59 Dies wird am deutlichsten an der Kirchenordnung von 1566.
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