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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0144
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Kasseler Kirchenordnung 1539

wort Gottes zu halten, so findet sich doch so viel
farlessigkeit und mißbrauch bei den verordneten
metten und vespern des stiftes45, daß warlich soli-
cher mißbrauch keiner recht geordenten kirchen
zu gedulden ist. Derhalben die oberkeit und eltesten
der kirchen mit den dienern des worts darin sehen
solten, daß die besser gehalten oder aber, damit
der Herre nit verspottet, nachgelassen werden.
Doch der vesper halben möcht man verordenen,
daß die stiftpersonen denselbigen dienst bei dem
catechismo besserlicher verrichteten.
Auf die sontage aber, so sollen die schüler zu
dem andern zeichen, welchs man allwege ein
halbe stunde vor dem dritten leuten soll, in die
kirche gefürt werden und daselbst uf ein viertel
einer stunden etwas latinischer psalmen und ge-
sang singen, und daruf soll ein knabe das sonntäg-
lich evangelion verlesen, uf welchs die ganze gemein
den glauben und andere geistliche lieder bis zur
predige singen sollen.
Man soll auch in der predige das volk treulich
vermanen, daß sie die heiligen gesenge vor und
nach der predigen samptlichen und mit gemeiner
hoher andacht singen wöllen.
Man soll auch nichts denn bewerte gesange in
den kirchen singen lassen.
Es sollen auch die schuler hinfurt nit also, wie
bisher geschehen, nach den gesengen aus der kir-
chen gelassen werden, es weren dann die gar klei-
nen, oder so kalt, daß sie sich in der kirchen nit
erhalten möchten. Beim catechismo aber sollen sie
stets sein und bleiben, auch daselbst die frage und
antwort tun, die man ihne fürgeben wird46.
[12] Vom sabat und den festen.
Wiewol christlich und fein were, daß wir vil hei-
liger feste im Herren hielten; als aber die heiligen
feier bei uns verfallen, sollen die oberkeit, diener
des worts und eltesten mit allem ernst daran sein,
daß doch der heilig sontag dem Herrn recht ge-
heiliget und in den übungen der gottseligkeit allein
0 +mit zechen, danzen etc. KE
45 Gemeint ist das Stift St. Martin auf der Freiheit,
vgl. dazu noch oben Anm. 4.
46 Vgl. etwa KE unter k.
47 Vgl. Codex Justinianus (ed. P. Krüger, 1877) III,

verzeret und das so üppig und schendlich weseno,
damit man dem Herren auf keinen tag mehr trut-
zet, abgestellet werde. Also auch alles leiblich un-
nötig arbeiten, des man wol umbgehen kann, dann
wir christen aus freiem geist solchen tag dem
Herren vil fleißiger heiligen solten, dann die juden
aus gebot des buchstabens je getan haben, bei
welchen am leib gestraft ward_, der den sabat ver-
brache [Num 15, 32-36]. So haben auch die kei-
serlichen rechte gar schwere straffe gesetzt47 sol-
chen verächtern der religion. Weil aber je leider
solche verachtung des heiligen sontags und aller
feste bei uns so grob eingerissen, so wolten wir, daß
der größte ernst, erstlich den heiligen sontag in seine
rechte haltunge zu bringen, angekert würde, damit
man demnach auch andere besserliche feste recht
halten künde, wissen aber derhalben noch zur zeit
nicht, auf sonderlich feier über den sontag, die hei-
ligen Weihenachten, Osteren und Pfingsten zu
dringen, noch so sollen die prediger, wann die tage
gefallen, an denen die kirche die herrliche gedecht-
nusse der fürnemen werke unser erlösunge gehal-
ten, solche historien aus götlicher geschrift auf
dieselbigen tage mit allem ernst fürtragen, auch
das volk darzu zu kommen, auf das fleißigest zu-
vorp vermanen. Desgleichen auch auf der apostlen
fest und der vornemen martrer beschehen soll,
doch über die zeit der versamlung zum wort und
gebet sol man zu dem müßiggang, weil der noch so
übel angelegt würd, die leut nit dringen.
[13] Von besonderen betetagen.
Allen monat sol man einen tag fürnemen, darzu
man das volk, fleißiger zu kommen, ernstlicher
weis vermanen sol und da ein gemein ermanunge
zur buße tun mit ernsten ermeldunge der rute
Gottes, so uns zum teil schon zugeschickt, zum teil
noch warlich geträut werden. Nach sollicher pre-
digung soll man das volk zum gebet, almusen
und rechtem fasten treulich vermanen. Und nach
dem ein jeder bei ihme selbst gebettet, für die
p auf der kanzel KE.
12; und J. C. Irmischer, Staats- und Kirchenver-
ordnungen über die christliche Sonntagsfeier, Abt.
1. 2, 1839. 1840.

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