Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0233
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Kirchenordnung 1566

dir gefallen lassen. Und diesem ist nicht fast un-
gleich, das man lieset in der auslegung des andern
capitels Michae46 und am ende des andern capit.
Sophoniae47: Derhalben wann uns menschenbücher
vorkommen, wie trefflich gelert und gotselig auch
die sein mögen, so soll dem gotfurchtigen freistehen,
sie nach allem vermögen zu betrachten und mit hei-
liger schrift (wie das gold mit einem probierstein)
zu bewehren. Die geister der propheten seind den
propheten undertan, 1. Cor. 14 [32].
(6) Indem wir aber also allerlei bücher durch-
lesen, nemen wir eigentlich acht, ob etwan etliche
weren, welche zank, spaltung und ergernus anrich-
ten möchten, fur denselbigen hüten wir uns, wie
solchs unser lehrmeister Christus und seine treff-
liche aposteln oftmals bevohlen haben: Math. 7
[15-20]; 23 [1ff.]; Rom. 16 [17f.]; 2. Timoth. 3
[2ff.]; 4 [3f.]; Tit. 1 [10f.]. Und es werden oft-
mals in gemeinen versamlungen der kirchen alle
menschen, wes stands und wirden die sein mögen,
vermanet, sie solten nicht statt oder gehör geben
auch einem engel, der da furgebe, er keme vom him-
mel herab, wann er ihnen ein ander evangelium,
dan das in der heiligen schrift ausdrucklich verfas-
set ist, understünde, aufzudringen, Gal. 1 [8]. Und
wir haltens gern mit dem Ambrosio lib. 4 de virgi-
nibus48,da er spricht:Wir verdammen billich alles
neues, das Christus nicht geleret hat; dan den gleu-
bigen ist Christus der weg. Wann nun Christus nicht
gelert hat, das wir leren, so achten wir, daß auch
solche unsere lehr zu verfluchen sei.
(7) Derhalben so halten wir es und haben gemein-
schaft mit allen denen kirchen, sie seien gleich an
welchem ort der welt sie wollen, bei welchen zu
dieser zeit aus sonderlicher woltat und gnaden Got-
tes on allen verdienst der menschen der propheten
und aposteln schrift (wie es billich ist) vorgehalten
werden und die ganze lehr vom sauerteig der pha-
riseer, heuchler und verblendung der sophisten ge-
reiniget ist und darzu gleich die sacrament nach
der einsatzung des Herrn Christi rechtschaffen dis-
pensirt werden, alle gewonheiten und gebreuch, so
46 Hieronymus, Comm. in Proph. Mich. 2, 9f.; MPL
25, 1227 f.
47 Hieronymus, Comm. in Proph. Soph. 2, 12 ff.; MPL
25,1437.

durch aberglauben und leichtfertigkeit beschmeist
waren, genzlich abgetan und diejenigen eingefürt
seind und einfeltiglich gebraucht werden, welche
man weiß, daß sie in Gottes wort klerlich gerümet
und befohlen werden, welches aus dieser ordnung,
so den kirchen dieses fürstentumbs furgeschrieben
ist, ein jeder gotseliger leichtlich erachten kann.
Und insonderheit halten mir die kirchen vor die
waren gemein Gottes, welche die Confession, so in
Gottes wort gegrundet, dem Keiser Carolo V. anno
30 zu Augspurg ubergeben ist, angenommen haben
und annemen und derselbigen gemeß leren49.
(8) Dieweil nun dem allem also, so bezeugen mir
vor dem angesicht Gottes und unsers Herrn Jesu
Christi, welcher richten wird die lebendigen und
die toten, daß wir uns der allgemeinen rechtgleu-
bigen kirchen Gottes, wo die in der ganzen welt
zerstreuet ist, einhelligkeit in der ewigen, unwan-
delbaren und reinen lehr der warheit annemen und
befleißen, in welcher bekentnus und einhelligkeit
wir auch mit hulf des heiligen Geistes bis zum ende
unsers lebens bestendig bleiben wollen.
So viel sei kurzlich gesagt von der summa, von
dem wesen, fundament und grund der christlichen
lehr in der gemein Gottes. Uf dieses fundament
muß gesetzt werden alles, was gottseliglich zur ehr
Gottes und uferbauung der gleubigen soll geleret
werden.
Wie man die schrift auslegen und die
christliche lehr furgeben soll und erstlich
von ;der lehr oder milch der kinder
Dieses ist aber die gewonliche weise und orde-
nung in unsern kirchen, die lehr, so in der heiligen
schrift begriffen ist, dem volk furzutragen.
(1) Die fornembste tugent an einem lehrer ist,
daß er sich nach dem verstand der zuhörer wisse
zu richten. Wie nun under den zuhörern christlicher
lehr etliche grob und schwach seind und von dem,
das Gott belangt, noch gar nichts wissen, etliche
aber seind so fern kommen, daß sie etwas wissen
48 Ambrosius, De virginitate 6; MPL 16, 273.
49 Vgl. auch das Schreiben der Pfarrer der Niedergraf-
schaft Katzenelnbogen, 22. Juni 1563; Quellen III,
906.

217
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften