Metadaten

Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0264
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Kirchenordnung 1566

schuldig sein, Gott dank zu sagen für die herrliche
erlösung von der last der sünden und des tods, so
durch Christum geschehen ist [Rm 6,17; 7,25;
1. K 15, 57; 2. K 2, 14], Wir sollen auch Gott bil-
lich danksagen, daß die lehr des heiligen evangelii
bei vilen fruchtbarlich gepflanzet und ausgebreitet
werde und daß die zuhörer im glauben und aller
gottseligkeit wachsen und zunemen. Item, wir seind
Gott schuldig zu danken fur die tägliche narung
und für andere woltaten, die er uns reichlich mit-
teilet, dann es befilhet uns der apostel [Phil 4, 6],
wir sollen in allen dingen Gott dankbar sein mit
worten und mit der tat. Wir sollen auch alles zur
ehre Gottes richten [I. K10, 31]. Darumb soll in kei-
ner action der kirchen die danksagung underlassen
werden.
Wann nun alles verrichtet, wie bisher erzelet,
wendet sich der lehrer zum volk und vermanet mit
kurzen worten die ganze versamlung, daß sie ihnen
die armen lassen befohlen sein und die liebe und
barmherzigkeit gegen sie beweisen, wie denn auch
der apostel Paulus lehret (1. Cor. 16, 1-3), uf was-
serlei weise die almus uf den sontag zu samlen sei,
und Iust. in Apolog. 242, da er redet von den din-
gen, so am sontage in der christlichen gemein ge-
schehen, und der danksagung gedenket, spricht er
also: Welche reich sein, die geben etwas, ein iglicher,
was er will, nach seinem wolgefallen. Und was man
samlet und einnimpt, wird den vorstehern der
armen zugestellet, dieselbigen teilen aus den not-
türftigen, als widwen und waisen, auch denen, so
durch krankheit oder andere unfell in armut ge-
raten sein, item den gefangenen und frembdlingen,
ja, fast allen, so mangel und not leiden. Desgleichen
redet auch Tertullianus in Apologetico cap. 29 43:
Ein iglicher lege bei ein geringe steur allen monat,
oder wenn und was er will und vermag; dann es
wird niemand genötiget, sonder ein iglicher gibt
freiwillig. Dieses sind gleich als beilage der gott-
seligkeit, dann darvon wird ausgeteilt nicht zu pan-
keten, zu schlemmen oder zu vollerei, sondern die

42 Justinus Martyr, Apol. 1, 67, 7; MPG 6, 429; Flor.
patr. 2, 111.
43 Tertullian, Apologeticum 39, 5; MPL 1, 470; CSEL
69, 92; CCL 1, 150f.
44 Vgl. Kastenordnung 1530, Abschn. 15, S. 69.

armen zu erhalten, zur erden zu bestatten, den kin-
dern und waisen, so weder güter noch eltern ha-
ben, denen so alters halben unvermöglich sein, des-
gleichen denen, so ein schiffbruch erlitten haben.
Nach diesem leßt der diener die ganze gemein gehen
und segnet sie mit den worten Moysis (Num. 6,
24-26), so zu dieser sachen sehr dienlich: Der Herr
gesegne euch etc., oder aus der episteln zun Corin-
thern (2. Cor. 13, 13): Die gnad unsers Herrn Jesu
Christi und die liebe Gottes, sampt der gemein-
schaft des heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.
Wenn nun die gemein aus dem tempel gehet,
stehen die kastendiener in der kirchen bei den
türen, oder wie es in einer iglichen kirchen gewon-
lich, und samlen die almusen. Was aber von ihnen
eingesamlet wird, verzeichnet man in gegenwertig-
keit des pfarherrn in ein register und legens dar-
nach in den kasten, so dazu verordnet44.
So vil von der versamlung der gemein vor mittag
des sontags, welches wir etwas weitleufig mit ihren
umbstenden und ursachen angezeigt haben. Summa:
Es soll in unsern kirchen, wie itzt ufs kürzest
begriffen volgt, also gehalten werden:
Erstlich, bis die gemein zusamenkompt, singt
man ein psalm oder 2 nach gelegenheit eines igli-
chen orts45.
Darnach tut man entweder die bekantnis der
sünden mit aufnemung der absolution, oder singt
die ganze kirch den 51. psalm: Erbarm dich mein,
o Herre Gott, etc.46.
Zum dritten singt die kirche Gloria in excelsis,
kyriel., et in terra pax, etc. deutsch, sich allerlei
zu erinnern47.
Zum vierten volget die collect oder ein gebet
nach der zeit, darauf wird verlesen ein lektion aus
den episteln der aposteln, wie zuvor vermeldet48.
Zum funften wird auf die epistel gesungen der
sequenz Benedicta sit semper sancta trinitas, item
Grates nunc omnes etc.49 nach der zeit und wie es
die fest mit sich bringen, oder ein ander psalm und
lobgesang, darauf wird verlesen das evangelium, so
45 Vgl. S. 234 Anm. 88.
46 Vgl. S. 239 Anm. 9.
47 Vgl. zum Einzelnachweis Agende 1574, Gesang-
buchanhang Anm. 6. 7.
48 Vgl. S. 239.

248
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften