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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0285
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Kirchenordnung 1566

vor sich selbst lernen noch wissen können noch die
bekantnus des glaubens vor der kirchen tun, seind
sie doch gleichwol vor zeiten durch die heilige taufe
dem Herrn Christo zubracht und in die kirchen uf-
genommen, werden auch derhalb noch billich ge-
tauft mit der form, itzt angezeigt, durch die patten
oder gevattern, welches unwidersprechlich und un-
gezweifelt war ist.
(1) Denn zum ersten bezeugt solchs offentlich die
verheißung Gottes Abrahe, dem vatter aller gleu-
bigen geschehen, do Gott verspricht, er wölle nit
allein ihrer, der alten, so den catechismum wissen
und den glauben bekennen können, sonder auch
derselbigen samens Gott sein [Gen 17, 7]39.
(2) Vor zeiten war die beschneidung ein sigel der
gerechtigkeit des glaubens nit weniger denn itzund
die hei. taufe. Wie nun dazumal das heilig sacra-
ment oder beschneidung den kindern mitgeteilet
und ihnen nutz war, damit sie in den gnadenbund
ufgenommen und Gott in Christo zugetan wurden,
also und eben der ursachen halber soll man itzt im
neuen testament den kindern das sacrament der
heiligen taufe mitteilen40.
(3) Es seind Gott nichts weniger lieb die kinder,
so von gleubigen eltern geboren und, wie itzt ge-
melt, dem Herrn Christo zugebracht werden, denn
die alten, des wir gewisse anzeigung haben Mat. 19
[13-15]; Mar. 10 [13-16] Lucae 18 [15-17], So
kann auch der h. Geist durchs wort und die heilige
sacrament in den kindern so wol sein kraft und wir-
kung haben nach seiner maß und in ihnen wonen
39 Der Beweis der Kindertaufe wird auch in Bucers
Katechismus 1534 von Gen 17, 7 aus geführt, Reu
1, 1, 39. Vgl. ferner Bucer, De Regno Chrsti 1, 7;
TA 38; OL 15,67; Kölnische Reformation 1543,
Bl. 86r; Straßburger KOO seit 1537; Hubert 45;
Unterricht der Visitatorn 1528; WA 26, 212; MW 1,
236; Schwenckfeldt, Von der Kindertauf; CS 3,
817 f.
40 Parallelisierung von Beschneidung und Taufe: Be-
richt aus der heiligen geschrift 1534 (Stupperich
Nr. 43) Bl. m 4v. p 2r; vgl. Heidelberger Katechis-
mus Fr. 74; Calvin IV, 16, 3. 6; ed. Niesel 5, 306f.
309; Unterricht der Visitatorn 1528, WA 26, 212;
MW 1,236; Melanchthon, Adversus anabapt. iud.
1528; CR 1, 962f.; MW 1,282; Loci tert. aet. De
Bapt.; CR 21, 854f.; MW 2, 2, 508f. Andererseits:
Schwenckfeldt, Von dem Kindertauf; CS 3, 817 f.
Vgl. auch J. Hartmann, Älteste katechetische
Denkmale der evang. Kirche, oder die kleinen Kate-

als in den alten, darumb ihnen billich die heilige
taufe mitgeteilet wirdet41.
(4) Ist auch fast nutz den kindern das gleubig
gebett der christlichen eltern und pettern, ja, der
ganzen kirchen, so bei der heilige taufe geschicht
mit großem ernst und andacht, do gebeten wird
umb die neue geburt, vergebung der sünden und
hei. Geist. Also lesen wir, daß durch des vatters
glaube und gleubig gebett vom teufel der knabe
erlöst worden ist, Mar. 9 [17 ff], Desgleichen sahe
Jesus an den glauben Jayri, da er seiner dochter
helfen wolt (Lucae 8, 40ff.). So wird auch Christus
durch den glauben und gebett derer, so den gicht-
brügtigen trugen, bewegt, daß er ihm nit allein ge-
sundheit des leibs, sonder auch vergebung der sün-
den verspricht und mitteilet [Mk 2, 1ff],
(5) Ist allen christen wol zu erwegen der spruch
unsers Herrn Christi, do er austrüglich spricht
Ioannis am 3. [5]: Warlich, warlich, ich sage dir, es
sei dann, daß jemand geboren werde aus dem was-
ser und geist, so kann er nit in das reich Gottes
kommen; in welchem spruch unser Herr Christus
aus dem himmelreich ausschleußt und verdampt,
so viel gemeine ordnung und dienst der kirchen be-
trifft, welche nit getauft werden.
Nun spricht aber unser Herr Christus den kin-
dern, so zu ihm bracht werden, das himmelreich
zu (Mar. 10, 14), darumb ist es recht und billich,
daß man ihnen auch die h. taufe mitteile.
Es sollen aber die diener des worts das volk mit
fleiß lehren, daß sie die gnade Gottes und gemein-
chismen von Brenz, Althammer, Lachmann und
Luther, aus den Jahren 1527-1529, 1844, S. 72;
M. Usteri, Calvins Sakraments- und Tauflehre,
ThStKr 1884, 453. Die Analogie zur Beschneidung
schon bei Zwingli, auf den sich Bucer bezieht, vgl.
A. Lang, Der Evangelienkommentar Martin But-
zers und die Grundzüge seiner Theologie 1900,
S. 183. 261ff.
41 Zur Frage der Auseinandersetzung mit den Wieder-
täufern im hess. Raum: K. W. H. Hochhuth, Mit-
teilungen aus der protestantischen Sektengeschichte
in der hess. Kirche, ZhistTh 28. 29; 1858. 1859;
Quellen IV, bes. Nr. 150 B; Sohm, Territorium
130ff.; P. Wappler, Die Stellung Kursachsens und
des Landgrafen Philipp von Hessen zur Täufer-
hewegung, Reformationsgesch. Studien und Texte
13. 14; 1910; W. Diehl, Martin Butzers Bedeutung
für das kirchliche Leben in Hessen, SchrV Ref 22,
1904, S. 46f.

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