Kirchenordnung 1566
(1) Erstlich stehet der kirchendiener bei der hei-
ligen tauf und redet zu der ganzen andechtigen ge-
mein71 mit lauter stimme, damit er von allen ge-
hört und verstanden mög werden, also:
Ihr geliebten im Herrn, dieweil wir von wegen
der heiligen tauf alhie auch versamlet sein, so wol-
len wir die geheimnus der h. tauf ufs kürzst und
verstendig erkleren72.
Die h. taufe ist das erst sacrament, in dem uns
die erlösung Christi mitgeteilt, die sünde verziehen
und abgewaschen werden73. Derhalben seind drei
stück alhie wol zu betrachten74. Erstlich75, wie wir
durch die erbsünd ganz verderbet und einer sol-
chen art und natur geboren werden, die Gott un-
serm schöpfer und allem guten alweg entgegen
strebt und derhalben ewiglich verdampt ist mit
aller ihrer weisheit und frommigkeit. Zum andern,
daß uns von solchem angebornem verderben nie-
mand helfen mag denn unser Herr Jesus Christus,
der das, so in Adam verdorben, allein widerbringt.
Zum dritten, daß derselbige uns wölle in der h. taufe
von allen sünden abwaschen, neu geberen, ihm
selbst einleiben, mit sich selbst bekleiden, seinen
heiligen guten Geist geben und mitteilen, kinder
und erben des ewigen lebens machen, welches alles
uns in dem warlich angeboten und mitgeteilet wird,
wenn wir in namen des Vatters, Sohns und heiligen
Geists getauft und also von sünden gereiniget, den
alten Adam ausgezogen, in tod Christi begraben und
mit ihm zur gerechtigkeit und in das ware göttlich
leben uferweckt und mit Christo in das himlisch
wesen versatzt und erhöhet werden. Derhalben will
ich euer lieb treulich vermanen, den zusagungen
Gottes in diesem festiglich zu gleuben und die an-
gebotene gnade an den kindern mit aller dankbar-
keit ufzunemen und derhalben da dem Herrn beich-
ten und bekennen, daß wir solcher gnade, uns im
h. taufe lang mitgeteilet, nie recht dankbar ge-
wesen und dero nie recht, wie sichs gebüret, gelebt
71 Die Gemeinde wird bei der ganzen Handlung der
Taufe als gegenwärtig gedacbt, vgl. dazu die Ab-
hängigkeit von der Kasseler KO 1539, oben S. 22.
72 Vgl. S. 22.
73 Vgl. S. 266 Anm. 11.
74 Zu den drei ,,stücken“, die hier zu ,,betrachten“ sind,
vgl. Kölnische Reformation 1543, Bl. 80 v bis 81 r;
dahinter stehen Straßburger Traditionen: Hubert
haben, mit flehlichem bitten, daß uns der Herr dies
gnediglich verzeihen und seinen h. Geist mehren
wolt, uf daß wir den alten Adam dapfer töten und
im Herrn ein neu göttlich leben füren mögen und
also ein recht volk Gottes sein aus rechtem waren
glauben an den Herrn Christum, eiferig zu allen
guten werken, uf daß wir warlich den Herrn zu
unserm und unsers samens Gott haben und ewig-
lich genießen mögen. Sprecht derhalben mit warem
glauben im namen Christi also:
(a. R.: Gebett bei der hei. taufe.) Almechtiger76,
barmherziger Gott und Vatter, du hast aus deiner
ewigen güte und milte uns zugesagt, du wollest
unser und unsers samens Gott und ewiger heiland
sein an leib und seel und uns und die unsern in
Christo Jesu, deinem leiben Sohn unsern Herrn,
von der sündlichen art, die dir alwege widerspen-
stig ist, in die wir aber von unserem ersten vatter
her also geboren seind, daß wir in derselbigen unser
und aller creatur halben ewiglich verdampt sein
müßten, zu deiner seligen bildnus und göttlicher
art durch die heilige tauf wider und neu geboren
und uns solche verderbte wurzel alles arges, die
erbsünd sampt allen ihren früchten, allerlei sünde
und ubertrettung gnediglich verzeihen und nim-
mermehr zurechnen. Wir aber, o milder Gott und
Vatter, seind dieser deiner so unaussprechlicher
milde und güte nie, wie sichs gebürt, dankbar ge-
wesen und haben diese deine so selige gnad leider
zu viel vergeblich ufgenommen. Das ist uns aber
leid und bitten dich durch deine grundlose barm-
herzigkeit und durch den verdienst deines lieben
Sohns, unsers einigen heilands und erlösers Jesu
Christi, du wöllest uns alle diese unsere zu viel
große undankbarkeit und verachtung deiner lieb
verzeihen und helfen, daß wir hinfurt unsern alten
Adam dapfer töten und dir in rechtem neuen und
dir gefelligem leben dienen, und diese kinder, wel-
che du ihren eltern und durch dieselbige deiner gan-
45; Bucer, De Regno Christi 1, 7; TA 38f.; OL 15,
66f.; Kasseler KO 1539, S. 116.
75 Der folgende Abschnitt ist der Kasseler KO 1539
entnommen: S. 116, und wird über die KO 1566 an
die folgenden hess. Agenden weitergegeben, vgl.
etwa die Agende 1574.
76 Das Gebet ist dem Erfurter Druck der Kass. KO
1539 entnommen, vgl. S. 117 Anm. f.
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(1) Erstlich stehet der kirchendiener bei der hei-
ligen tauf und redet zu der ganzen andechtigen ge-
mein71 mit lauter stimme, damit er von allen ge-
hört und verstanden mög werden, also:
Ihr geliebten im Herrn, dieweil wir von wegen
der heiligen tauf alhie auch versamlet sein, so wol-
len wir die geheimnus der h. tauf ufs kürzst und
verstendig erkleren72.
Die h. taufe ist das erst sacrament, in dem uns
die erlösung Christi mitgeteilt, die sünde verziehen
und abgewaschen werden73. Derhalben seind drei
stück alhie wol zu betrachten74. Erstlich75, wie wir
durch die erbsünd ganz verderbet und einer sol-
chen art und natur geboren werden, die Gott un-
serm schöpfer und allem guten alweg entgegen
strebt und derhalben ewiglich verdampt ist mit
aller ihrer weisheit und frommigkeit. Zum andern,
daß uns von solchem angebornem verderben nie-
mand helfen mag denn unser Herr Jesus Christus,
der das, so in Adam verdorben, allein widerbringt.
Zum dritten, daß derselbige uns wölle in der h. taufe
von allen sünden abwaschen, neu geberen, ihm
selbst einleiben, mit sich selbst bekleiden, seinen
heiligen guten Geist geben und mitteilen, kinder
und erben des ewigen lebens machen, welches alles
uns in dem warlich angeboten und mitgeteilet wird,
wenn wir in namen des Vatters, Sohns und heiligen
Geists getauft und also von sünden gereiniget, den
alten Adam ausgezogen, in tod Christi begraben und
mit ihm zur gerechtigkeit und in das ware göttlich
leben uferweckt und mit Christo in das himlisch
wesen versatzt und erhöhet werden. Derhalben will
ich euer lieb treulich vermanen, den zusagungen
Gottes in diesem festiglich zu gleuben und die an-
gebotene gnade an den kindern mit aller dankbar-
keit ufzunemen und derhalben da dem Herrn beich-
ten und bekennen, daß wir solcher gnade, uns im
h. taufe lang mitgeteilet, nie recht dankbar ge-
wesen und dero nie recht, wie sichs gebüret, gelebt
71 Die Gemeinde wird bei der ganzen Handlung der
Taufe als gegenwärtig gedacbt, vgl. dazu die Ab-
hängigkeit von der Kasseler KO 1539, oben S. 22.
72 Vgl. S. 22.
73 Vgl. S. 266 Anm. 11.
74 Zu den drei ,,stücken“, die hier zu ,,betrachten“ sind,
vgl. Kölnische Reformation 1543, Bl. 80 v bis 81 r;
dahinter stehen Straßburger Traditionen: Hubert
haben, mit flehlichem bitten, daß uns der Herr dies
gnediglich verzeihen und seinen h. Geist mehren
wolt, uf daß wir den alten Adam dapfer töten und
im Herrn ein neu göttlich leben füren mögen und
also ein recht volk Gottes sein aus rechtem waren
glauben an den Herrn Christum, eiferig zu allen
guten werken, uf daß wir warlich den Herrn zu
unserm und unsers samens Gott haben und ewig-
lich genießen mögen. Sprecht derhalben mit warem
glauben im namen Christi also:
(a. R.: Gebett bei der hei. taufe.) Almechtiger76,
barmherziger Gott und Vatter, du hast aus deiner
ewigen güte und milte uns zugesagt, du wollest
unser und unsers samens Gott und ewiger heiland
sein an leib und seel und uns und die unsern in
Christo Jesu, deinem leiben Sohn unsern Herrn,
von der sündlichen art, die dir alwege widerspen-
stig ist, in die wir aber von unserem ersten vatter
her also geboren seind, daß wir in derselbigen unser
und aller creatur halben ewiglich verdampt sein
müßten, zu deiner seligen bildnus und göttlicher
art durch die heilige tauf wider und neu geboren
und uns solche verderbte wurzel alles arges, die
erbsünd sampt allen ihren früchten, allerlei sünde
und ubertrettung gnediglich verzeihen und nim-
mermehr zurechnen. Wir aber, o milder Gott und
Vatter, seind dieser deiner so unaussprechlicher
milde und güte nie, wie sichs gebürt, dankbar ge-
wesen und haben diese deine so selige gnad leider
zu viel vergeblich ufgenommen. Das ist uns aber
leid und bitten dich durch deine grundlose barm-
herzigkeit und durch den verdienst deines lieben
Sohns, unsers einigen heilands und erlösers Jesu
Christi, du wöllest uns alle diese unsere zu viel
große undankbarkeit und verachtung deiner lieb
verzeihen und helfen, daß wir hinfurt unsern alten
Adam dapfer töten und dir in rechtem neuen und
dir gefelligem leben dienen, und diese kinder, wel-
che du ihren eltern und durch dieselbige deiner gan-
45; Bucer, De Regno Christi 1, 7; TA 38f.; OL 15,
66f.; Kasseler KO 1539, S. 116.
75 Der folgende Abschnitt ist der Kasseler KO 1539
entnommen: S. 116, und wird über die KO 1566 an
die folgenden hess. Agenden weitergegeben, vgl.
etwa die Agende 1574.
76 Das Gebet ist dem Erfurter Druck der Kass. KO
1539 entnommen, vgl. S. 117 Anm. f.
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