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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0293
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Kirchenordnung 1566

umb wir an seinem väterlichen erhören nicht zwei-
feln sollen, wöllen wir das kind teufen80. Damit aber
in dem unser glaub das werk des Herren in diesem
heiligen sacrament der taufe so viel tröstlicher an-
sehe, erkenne und aufneme, wollen wir auch hören
unsers Herren Jesu Christi rede selbst von den
kindlein, die man zu ihm bringt, wie er denselbigen
seinen segen zum ewigen leben und warer gemein-
schaft des göttlichen reichs verspricht und selbst
mitteilet. So schreiben hiervon die lieben evange-
listen Math. 19 [13-15]; Mar. 10 [13-15]; Luc. 18
[15-17]81:
Zur zeit brachten sie kinder zu Jesu, daß er sie
solt anrüren. Aber die jünger wereten ihn und straf-
ten die, so sie brachten. Da das Jesus sahe, ver-
droß es ihnen und sprach zu ihnen: Lasset die kin-
der zu mir kommen und weret ihnen nicht, denn
solcher ist das himmelreich. Warlich, ich sage euch,
wer nit das reich Gottes nimpt wie ein kindlein,
der wird nit hineinkommen. Und er umbfieng sie
und legt die hende uf sie und segnet sie.
Dieses gebe uns der Herr allen wol zu fassen, daß
niemand in das reich Gottes kommen möge, er neme
es dann an als ein kindlein, das ist, entpfahe es aus
lauter gabe und geschenke des Herren ohn alles zu-
tun seiner eigen kreften, und daß unser Herr Jesus
auch unsern kindern will seinen segen mitteilen,
der will nun mitten under uns sein und alles aus-
richten. Es ist sein taufe, wir seind allein sein die-
ner und werkzeug, durch welche er sein geheimnus
will ausspenden.
Uf dieses soll der diener von den gevattern for-
dern bekantnus des glaubens, den sie haben und in
gehen auf Straßburger Traditionen zurück, vgl. Hu-
bert 49ff.
80 Sowohl das Rituale als auch der protestantische Be-
reich von Luther (vgl. Luthers Taufbüchlein, Bek.
Schrr. 538) über die Ordnungen, die ihm folgen, bis
hin zur Kölnischen Reformation 1543, Bl. 84 wollen
an dieser Stelle den Exorzismus ausgeführt wissen.
Die KO 1566 weist ihn hier nicht auf (vgl. aber
S. 284 Anm. 12), auch die Straßburger OO der Zeit
Bucers (seit 1525) kennen ihn nicht mehr, vgl. da-
zu Hubert 49ff. Über den Kampf um den Exor-
zismus in der hessischen Kirche vgl. W. Diehl, Zur
Geschichte des Gottesdienstes 286f. In Kursachsen
galt die Bekämpfung des Exorzismus als krypto-cal-
vinisches Indiz, vgl. J. G.Walch, Historische und
theologische Einleitung in die Religionsstreitigkei-

dem die kinder sollen getauft und uferzogen wer-
den, wie folgt:
Ihr geliebten im Herrn, ihr begert, daß dieses
kind uf Jesum Christum getauft und durch das
sacrament der tauf seiner heiligen gemein ein-
geleibt werde ?82 Antwort: Ja.
So nennet es mit seinem namen. Antwort: N.
Widersagstu dem teufel, allen seinen werken und
wesen, sampt aller weltlicher uppigkeit ? Antwort:
Ja.
Gleubstu an Gott, den almechtigen Vatter, schöp-
fer himmels und erden ? Antwort: Ja.
Gleubstu an Jesum Christum, seinen einigen
Sohn unsern Herrn, geboren, gelitten, gestorben,
erstanden, gehn himmel gefahren und einen künf-
tigen richter ? Antwort: Ja.
Gleubstu an den heiligen Geist, ein heilige christ-
liche kirche, welche ist ein gemeinschaft der hei-
ligen, vergebung der sünden, auferstehung des flei-
sches und nach diesem leben ein ewiges leben ?
Antwort: Ja.
Uf dieses begert der diener, ihm das kindlein
nach ordnung darzugeben. Das nimpt er dann in
sein hand, entblöst es, nennet es mit seinem na-
men und sagt: N., ich teufe dich im namen Gottes
des Vatters, des Sohns und des heiligen Geistes.
Amen.
Der almechtig Vatter, der dich anderwerts ge-
boren hat durchs wasser und sein heiligen Geist
und hat in Christo dir alle deine sünde vergeben,
der salb und sterke dich mit seinen heilsamen gna-
den zum ewigen leben. Amen83.
Die letzte vermanung zu den gevattern in der
ten, welche sonderlich außer der Evgl.-Lutherischen
Kirche entstanden, 3. Aufl. 1733, 1. Teil, Kap. 4 § 6,
404.
81 Der Bibeltext folgt im ganzen Luther, jedoch gibt
Luther als Fundstelle nur Mk 10 an, während Straß-
burg auch auf die Parallelen verweist, Hubert 49.
82 Die Frage folgt bei Luther erst nach der abrenun-
tiatio und der confessio.
83 Die abrenuntiatio, die confessio und die Taufformel
selbst lehnen sich stärker an den Text der Kass. KO
1539, Erfurter Druck, S. 118 Anm. 18 als an Luthers
Formular an. Vgl. auch die Straßburger KO 1537,
Hubert 50f. Die Formel ,,Der almechtig Vatter...“
ist demgegenüber aus Luther entlehnt (vgl. Bek.
Schrr. 540f.), im Hintergrund leuchtet die Formel
des Rituale durch (Salbung!). Die remissio pecca-

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