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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0307
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Kirchenordnung 1566

der heilige Geist uber sie angeruffen werde ? Leo
Papa in 77. epistola61 spricht: Welcher bei den ket-
zern getauft ist und sich wider bekeret, wird nit
wider getauft, sonder mit anruffung des hei. Geists
durch uflegung der hende confirmiret und beste-
tiget. Soviel von der offentlichen bekantnus des
glaubens und vom brauch der uflegung der hende.
Wir wollen auch etwas hinzusetzen vom nutz
und frucht desselbigen; denn viel wichtiger ur-
sachen seind, umb welcher willen wir achten, daß
diese weise, die bekantnus offentlich vor der kirchen
zu tun, mit uflegung der hende in der kirchen zu
behalten sei.
Erstlich werden die eltern durch dies erinnert,
wie hoch ihn angelegen sein soll, ihre kinder, so ge-
tauft, so bald es möglich, im catechismo der christ-
lichen lehr zu underweisen, weil sie hierdurch er-
innert, daß sie christliche und nit heidnische eltern
seien, darzu christliche kinder, welche sie nit allein
nach dem leib, sonder nach der seelen zu ver-
sorgen und ufzuziehen, entpfangen haben. Der-
wegen werden sie angeregt, beide, daheim so viel
ihn möglich oder draußen in der schuel und in der
kirchen, ihre kinder dahin anzuhalten, daß sie im
catechismo christlicher lehr wol underricht wer-
den. Und so sie vernehmen, daß sie solches zu ler-
nen geneigt und sich christlich halten, ist den eltern
ein herzliche freud, wenn sie befinden, daß ihre kin-
der sich in der christlichen religion so wol anlegen.
Denn die kinder, vornemlich die knaben62, so die
lehr der christlichen religion bald fassen und sich
der recht befleißen, seind zu lieben und zu ehren,
wie die auserwelten wonung des hei. Geists, wie von
dem knaben Origine der from vatter Leonides ge-
halten hat (Eusebius, eccle. hist. lib. 6 cap. 2)63.
(2) Es werden auch die gevattern64 hiemit ver-
ursacht, fleißig und mit ernst dahin zu trachten,
daß die kinder christlich underrichtet und uferzo-
gen werden. Dann dieweil sie in der tauf für sie an-
gelobt und Gott, der sie zu gnaden ufnimpt, in
61 Leo I., ep. 159, 7; MPL 54, 1138. Zur Tradition:
Hyperius, De catechesi 4; Var. op. 1, 499; Calvin IV,
19, 4; Niesel 5, 438f. und oben Anm. 47. 48.
62 Vgl. auch die Ausführungen des Hyperius über den
,,Nutzen“ an den Knaben: De catechesi 4; Var. op. 1,
499.
63 Euseb, Hist. eccl. 6, 2; MPG 20, 378; GCS 9, II,

warem glauben zu gehorsamen von ihretwegen ver-
sprochen haben65, begeren sie billich, daß es end-
lich dahin geraten möge, daß die kinder dartretten
und nun selbs für der ganzen gemeine Christi alles
dasjenige bekennen und verheißen, was sie zuvor
an ihrer statt bei der taufe bekant und zugesagt
haben, nit anderst dann wie der, so da ist für einen
andern bürge worden, ein verlangens tregt, daß
einmal der schuldener bezalt und er seiner bürg-
schaft entlecligt, vom gleubiger nicht weiter ge-
mahnet und bedrangt werden möge. Dann wann
die gevattern die kinder der kirchen darstellen, ihre
bekantnus des glaubens zu tun und den gehorsam
der kirchen zu versprechen, bezeugen sie mit war-
heit vor der ganzen kirchen, daß sie fleißig ver-
sehen und ausgericht haben, was sie in der taufe
vor die kinder versprochen und ihnen uferlegt wor-
den ist, und machen sich gleich der bürgschaft
ledig, nit daß sie hinfurters denen kindern, so ihren
glauben bekant und den gehorsam der kirchen
durch sich selbst versprochen, im Herrn gut zu tun,
ufhören sollen, sonder daß sie der kirchen, welcher
sie von beschehener verheißung wegen verstrickt,
itzt zum teil genug getan haben.
(3) So bekommen auch die kinder selbst, so ihren
glauben bekennen und sich der kirchen gar ergeben,
davon großen nutz. Dann sie lernen nit allein die
lehr der christlichen religion desto volkomlicher
und bekommen dardurch ein reicher erkantnus Got-
tes und Christi, in welchem das ewig leben stehet
(Joan. 17, 3), sondern es kann auch nit abgehen,
das bekantnus mit dem munde wird zugleich seine
frucht bringen, wie dann der apostel Paulus spricht
(Rom. 10, 10): Mit dem herzen gleubt man zur
frommigkeit, mit dem munde bekennet man zur
seligkeit. Item sie lernen sich auch etlichermaßen
prüffen und bereiten, daß sie nit unwirdig essen
und drinken den leib des Herrn im abendmal, zu
welchem sie uf die bekantnus zugelassen werden,
welches auch seine frucht mit sich bringt. Und weil
520 ff. Zur Tradition: KO Calenberg-Göttingen 1542;
Sehling VI, 2, 839f.; Hyperius, De catechesi 2;
Var. op. 1, 448 f. und Hyperius, Elementa ed.
W. Caspari 29.
64 Vgl. Hyperius, De catechesi 2; Var. op. 1, 454f.
65 Vgl. Hyperius, De catechesi 4; Var. op. 1, 500.

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