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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0411
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Reformationsordnung 1572

guter christlicher zucht und erbarkeit ausgangene
ordnungen5 vor die hand genommen, ersehen und
mit zeitigem vorgehabtem rat unserer beid, geist-
licher und weltlicher rete, auch der fürnembsten aus
unserer ritter- und landschaft, nachfolgender gestalt
erneüwert und verbessert.
[1] Von einigkeit der lahr und predicanten
Und anfenglichen setzen, ordnen und wöllen wir6,
daß alle und jede unsere superintendenten und pre-
diger in ihrem ampt und beruf vornemblich mit
allem ernst und fleiß dahin sehen und trachten, daß
sie nicht allein vor sich selbst bei der reinen gesun-
den lahr des heiligen göttlichen worts, so uns in den
prophetischen und apostolischen schriften offenbaret
und in den dreien bewerten symbolis der kirchen,
auch der Augspurgischen Confession in kurze arti-
cul verfasset ist, bestendiglichen verharren und die
eintracht, so bei lebzeiten unsers geliebten Herrn
Vaters bis anhero in diesen unsern fürstentumben
und graveschaften in schulen und kirchen gewesen
ist, auch hinfüro under sich erhalten, sonderlich aber
sich in das unnötige ergerlich und gefehrlich dispu-
tiren und zanken, so von etzlichen streitigen theo-
logen zu wenig erbauwung der kirchen erregt wird,
nicht inmengen, sondern sich dessen genzlich ent-
halten und das volk von den articuln unserer wa-
ren christlichen religion mit hindansetzung aller un-
nötigen, undienstlichen spitzfindigkeit und vor-
witziger fragen, die nach der lehr des apostels auf
die canzel gar nicht gehören, auch bei den zuhörern
nichts bauwen, einfeltig und nach dem grund gött-
lichs worts und Augspurgischer Confession lehren
und underweisen.
Darumb auch die generales und darbeneben von
einem jeden unserm superintendenten in seinem be-
zirk die speciales synodi eines jeden jars, wo nicht
zwei-, jedoch zum wenigsten einmal gehalten7 und

5 Vgl. Kirchenzuchtordnung 1543, S. 148 ff., dazu auch
Einleitung S. 344.
6 Der erste Unterabschnitt dieses Kapitels entstammt
der landgräflichen Instruktion zur Generalsynode
1571 und ist aus der Instruktion fast wörtlich in den
Abschied der Synode 1571 übernommen worden
(vgl. S. 354 Anm. 5). Die Reformationsordnung zählt
zusätzlich zum Abschied 1571 die drei altkirchlichen
Symbole auf.

auf denselben synodis, wie auch auf den järlichen
visitationen neben verrichtung anderer je bisweilen
nach gelegenheit vorfallender kirchensachen vor-
nemblichen von ermelten unsern superintendenten
dahin mit treuwem fleiß gesehen werden soll, daß
der consens und einhelligkeit in der lahr under allen
predicanten dieser unser fürstentumb, lande und
gebiete hinfüro, weniger nit als bishero beschen,
nach aller müglichheit erhalten werde.
Wofern aber unsere superintendenten befünden,
daß ein oder mehr predicanten von diesem einhelli-
gen consens abwichen, sich in unnötigs gezenk dieser
unserer verordnung zu entgegen inließen, oder son-
stet besondere neuwe opinionen oder unreine erger-
liche lehre vorgeben, den oder die soll ein jeder su-
perintendens in seinem bezirk erstet privatim und,
da solches vergebens, volgents vor dem special
synodo, hiervon abzustehn, treuwlich vermahnen,
endlich, da diese vermahnung nicht früchten will,
vor den general synodum bringen, und wo sich ein
solcher predicant daselbst auch nicht underrichten
lassen will, so soll dasselbig uns vorbracht werden,
darin ferner nach befindung entweder mit beurlau-
bung oder sonstet gebührender weis zu statuiren
haben.
[2] Von der predicanten leben und wandel
Dieweil auch vonnöten und einem christlichen
lehrer wol anstehet8, daß er eines erbarlichen, auf-
richtigen und unstreflichen lebens, wesens und wan-
dels sei und seinen pfarkindern mit gutem exempel
vorgehe, damit er nicht mit bösem, ergerlichen leben
dasjenige wider zerstör, was er mit guter lehr er-
bauwet hat, so setzen, ordnen und wöllen wir, daß
ein jeder unserer superintendenten auf alle und jede
pfarherr seines bezirks ein fleißige inspection und
aufmerkens, so wol in den järlichen visitationen als
sonstet, haben soll, wie sie sich in ihrem ampt halten
7 So schon die alte hessische Tradition, vgl. etwa die
Kirchendienerordnung 1537, Abschn. 12, S. 99.
8 Die folgenden Ausführungen sind fast wörtlich dem
Abschied der Generalsynode 1571, Abschn. 5, S. 357
entnommen. Sie entstammen letztlich der gemein-
samen landgräflichen Instruktion zu dieser Syn-
ode.

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