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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0458
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Agende 1574

trauwete personen sich. dem pfarherr oder kirchen-
diener anzeigen, ihre namen notiren und aufzeich-
nen lassen, weleher sie, was der ehestand sei, und
wie sie sich darinnen jegen Gott, jegen ihr haus-
gesinde und jegen menniglich erzeigen müssen, mit
ernst vorhalten, was ihr voriges leben gewesen, er-
innern, für dem bösen warnen und zum guten ganz
fleißig und treuwlich vermanen soll. Und vor allen
dingen soll er von ihnen vernemen, ob sie auch ihren
catechismum gelernt haben, darin sie hernach ihre
kinder und hausgesinde auch underweisen und ihnen
die wort einbilden könten. Und da hie einiger man-
gel gespüret, soll er sie die hauptstück der christli-
chen lehr entweder mit oder ohn die auslegung, nach
gestalt und gelegenheit der personen, zu lernen ernst-
flch vermanen, sie auch zum christlichen kirchgang
nicht zulassen, sie haben dann zuvor soviel gelernet,
daß sie zum wenigsten die zehen gebot, die articul des
christlichen glaubens, das Vater unser, die wort der
einsetzung der heiligen tauf, desgleichen des heiligen
abendmahls sampt den gebeten vor und nach dem
essen, item wenn man des morgens aufstehe und
sich des abends zu ruhe begibt, gesprochen werden
söllen, eigentlich und genzlich recitiren und erzelen
könten.
2. Drei sontag nacheinander soll sie der pfarherr
nach gehabter predigt auf der canzel aufbieten mit
solchen worten17:
N.N. und N.N. wöllen sich nach göttlicher ord-
nung begeben in den stand der heiligen ehe, und ist
dieses die erste, oder andere oder dritte aufkündi-
gung, begeren ein gemein christliche vorbitte, daß
sie es in Gottes namen anfahen und wol gerate.
Hette nun jemands darein zu sprechen, der tu es
beizeit oder schweige hernaeh. Gott gebe ihnen
seinen segen. Amen.
Diese aufkündigung18 soll geschehen an dem ort,
da die vertrauwete eheleut wöllen ihren kirchgang
halten, wann sie beide alda ihre eltern haben oder
wonhaftig seind, da aber die eine person in einer an-

17 Die Aufkündigung schließt sich stärker der von
Luther dargebotenen Form (Bek. Schr. 530) an als
der der Kirchenordnung 1566, vgl. S. 322.
18 Die folgende Festlegung der Eheaufkündigung ist
gegenüher der hessischen Tradition neu. Auch die
Beformationsordnung 1572 zeigt (vgl. S.404ff.), daß -

dern stadt oder dorf ihre eltern hett oder wonhaftig
were, sofl die aufkündigung an beiden orten, da sich
die personen halten, geschehen, und welche sich an
den andern ort, ihren kirchgang und hochzeit alda
zu halten und zu vollnziehen, begeben will, soll von
ihrem pfarherr, daß sie dreimal aufgekündiget und
keine inrede geschehen seie, zeugnus mitbringen,
und soll der pfarherr des orts, da der kirchgang ge-
halten werden soll, wann solch zeugnus nicht vor-
handen, mit der copulation oder benediction in-
halten. Da auch auslendische und unbekante per-
sonen an einem ort gefreiet hetten, die söllen nicht
aufgekündiget, viel weniger zum offentlichen kirch-
gang zugelassen werden, sie bringen dann gnugsame
und glaubwürclige zeugnus, daß sie ledig und frei
und mit keiner andern sich eingelassen oder ver-
bunden haben.
3. Wann19 nun der zum kirchgang bestimpte tag
vorhanden, sollen der breutgam und die braut sampt
ihrer beiderseits freundschaft und geladenen gesten
zur gewönlichen stunden in die kirche kommen, und
soll alda, nachdem der psalm: Wol dem, der in Got-
tes forchte stehet, oder ein ander christlicher lob-
gesang gesungen ist, der pfarherr ein kurze verma-
nung vom ehestand tun.
4. Nach vollendeter predigt und vermanung zum
gebet söllen der breutgam und die braut vorn altar
treten und soll sie der pfarherr auf folgende weis ehe-
lich zusammengeben, Gottes wort lesen und mit dem
gebet beschließen.
Erstlich soll er zum breutgam sprechen20:
N. ihr bekennet hie vor Gott und dieser christ-
lichen gemeine offentlich euwer gemüt und willen
jegen diese N., daß ihr sie genommen habt und neh-
met, auch haben und behalten wöllet zu euwrem
ehelichen gemahl?
Antwort: Ja.
Darnach frage er auch die braut:
N. ihr bekennet allhie offentlich vor Gott und die-
ser christlichen gemeine, daß ihr jegenwertigen N.
bedingt durch das Fehlen einer Eheordnung in Hes-
sen - auf den G-eneralsynoden der Jahre seit 1568 an
einer umfassenden Eheordnung gearbeitet worden
ist.
19 Vgl. Kirchenordnung 1566, S. 322.
20 Vgl. Kirchenordnung 1566, S. 323.

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