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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (9. Band = Hessen, 2): Die geteilte Landgrafschaft Hessen 1582-1618 - Grafschaften Waldeck, Solms, Erbach und Stolberg-Königstein - Reichsstädte Frankfurt, Friedberg, Gelnhausen und Wetzlar — Tübingen: Mohr Siebeck, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.30289#0181
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Einleitung

Von verschiedener Seite wurde festgestellt, dass eine hessische Sittenzuchtordnung20 Einfluss auf die
Entstehung der Waldecker Landordnung gehabt habe.21 Das hessische Sittenzuchtmandat, das hier gemeint
ist, behandelt zwar auch Mess- und Tauffeiern - die Formulierungen sind jedoch zu unspezifisch, um einen
direkten Einfluss auf die Waldecker Ordnung nachweisen zu können.
Die Waldecker Landordnung war bis 1581 in Geltung, als Graf Josias I. eine neue Ordnung22 für die
Grafschaft erließ.

2. Kirchenordnung [nach 28. August 1525] (Text S. 180)
Ähnlich wie in der Landordnung (Nr. 1) zeichneten Philipp III. von Waldeck-Eisenberg und sein Vetter
Philipp IV. von Waldeck-Wildungen auch in der für die gesamte Grafschaft erlassenen Kirchenordnung die
Grundzüge ihrer evangelischen Kirchenpolitik auf. So sollten die anzustellenden pastores künftig auf Lehre
und Leben examiniert werden, um sicherzustellen, dass sie den Gemeinden das reine wort Gottes predigten.
Daneben war die Einrichtung von Schulen geplant, um auf gut ausgebildeten Nachwuchs zurückgreifen zu
können.23 Die Grafen regelten ferner verschiedene Belange der Kirchen- und Sittenzucht.
Der Text ist in zwei nur wenig voneinander abweichenden Fassungen überliefert, die beide nicht datiert
sind. Sie verweisen hinsichtlich ehegerichtlicher Fragen jedoch auf die gerichtsordnunge, hiebei vor ubbergeben
und damit auf den Abschnitt zum Ehegericht in der Landordnung vom 28. August 1525. Die Kirchenord-
nung ist also jünger als diese. Walther Köhler und Hans Schneider plädierten dafür, dass sie in die Zeit nach
dem Speyerer Reichstag zu datieren sei, der im Sommer 1526 stattfand und an dem die beiden Waldecker
Grafen auf Einladung Philipps I. von Hessen teilnahmen. Schneider stützt seine Einschätzung auch darauf,
dass die Waldecker Kirchenordnung „im Gefolge einer hessischen Ordnung“ entstanden sei, nämlich der
hessischen Reformationsordnung von 1526.24 Das hessische Regelwerk weist hinsichtlich der Kirchen- und
Sittenzucht zwar inhaltliche Übereinstimmungen mit der Waldecker Ordnung auf, diese sind aber so all-
gemein, dass die hessische Reformationsordnung nicht als Vorlage für den Waldecker Text angesehen wer-
den kann. Der Entstehungszeitpunkt der Waldecker Kirchenordnung muss demzufolge nicht zwingend in
Verbindung mit dem Speyerer Reichstag stehen, möglich wäre auch, dass die Ordnung bereits 1525 ent-
standen ist.25
Obwohl die frühen hessischen Sittenzuchtordnungen von 1524 und 1526 sowie die hessische Reforma-
tionsordnung von 1526 also keine Textvorlagen für die Waldecker Landordnung (Nr. 1) und Kirchenord-
nung (Nr. 2) waren, hatte die hessische Reformation dennoch Einfluss auf die Waldecker Kirchenpolitik:
Auf Ersuchen Philipps IV. übersandte der landgräfliche Hofprediger Adam Krafft (1493-1558) vermutlich
am 11. April 1526 einen Reformationsratschlag, worin er erläuterte, wie Messen, Jahrtage und Almosen

20 „Fürstliches Ausschreiben gegen das Zutrincken, die
Füllerey, das Fluchen, Schwören und Gotteslästern, die
frembden Bettler und Stationierer, sodann, wie es in
Ansehung der Kirchweyhen, Gastungen, Jahrmärkte,
Kindtauffen, Hochzeiten, Messen, des Brandtewein-
schenckens, der Zigeuner und Juden solle gehalten wer-
den“ vom 18. Juli 1524, Abdruck: Kleinschmidt,
Sammlung I, S. 47-49.
21 Für den Einfluss dieser Ordnungen auf die Waldecker
Landordnung plädieren Köhler, Einfluß, S. 84 und
Schneider, Johann Hefentreger, S. 109 Anm. 118.
22 StaatsA Marburg, Best. 115.6 Nr. 19. Abdruck in
Varnhagen, Versuch, S. 153-193. Abdruck eines Aus-
zugs in Curtze, Gesetzgebung, S. 98-100 Nr. 31.
23 Schneider, Reformator, S. 17, ders., Johann Hefen-
treger, S. 110 und Köhler, Einfluß, S. 84f. sehen hierin

Anleihen an Luthers 1524 erschienene Schrift „An die
Ratsherren aller Städte deutsches Lands, daß sie christ-
liche Schulen aufrichten und halten sollen“, WA 15, S. 9-
53. Zum Inhalt siehe auch Schultze, Reformationsge-
schichte, S. 81; Curtze, Kirchenverfassung, S. 47f.
24 „Unser, Lanndtgrave Philipsen, Reformation unnd orde-
nung vonn allerley gebrechlicheyt unnd unordenung, so
bisher in unsern furstenthumb, landen unnd gepieten
gescheen sey“, Abdrucke in Sehling, EKO VIII, S. 37-
42 und Kleinschmid, Sammlung I, S. 49-54. Vgl.
Schneider, Reformator, S. 17 Anm. 90; ders., Johann
Hefentreger, S. 110; Köhler, Einfluß, S. 84.
25 So auch Curtze, Kirchenverfassung, S. 47; Schultze,
Reformationsgeschichte, S. 81; Wassmann, Waldeck,
S. 27f.

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