Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (9. Band = Hessen, 2): Die geteilte Landgrafschaft Hessen 1582-1618 - Grafschaften Waldeck, Solms, Erbach und Stolberg-Königstein - Reichsstädte Frankfurt, Friedberg, Gelnhausen und Wetzlar — Tübingen: Mohr Siebeck, 2011

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30289#0434
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Grafschaft Erbach

1. Kirchenordnung von Michelstadt 28. September 1544 (Text S. 419)
Erst nach Eberhards XIII. Tod 1539 führten seine Söhne Georg II., Eberhard XIV. und Valentin II., die
alle drei Anhänger von Luthers Lehre waren, die Reformation offiziell in der Grafschaft ein. Unter ihrer
Regentschaft konnte die evangelische Mehrheit der Erbacher Bevölkerung ihren Glauben öffentlich leben.
Aus den Anfangsjahren der Erbacher Reformation ist für den Residenzort Michelstadt eine Kirchenord-
nung überliefert. In dem kurzen Text werden die Zeremonien für Abendmahl, Taufe, Eheeinsegnung, Kate-
chismusunterricht und Aussegnung der Wöchnerinnen geregelt sowie die geltenden Feiertage festgelegt.
1544 wurde die Ordnung, deren Maßnahmen vermutlich bereits seit Beginn der Dreiherrschaft (1539)
praktiziert wurden, schriftlich fixiert.31 Das Original der Michelstädter Kirchenordnung ist nicht überlie-
fert. Unsere Edition folgt dem Abdruck bei Erwin Preuschen.32
2. Erbacher Kirchenordnung 1560 (Text S. 421)
Nach Ende des Augsburger Interims (1552) gingen die drei Grafen mit mehreren Ordnungen an die Wie-
deraufrichtung des evangelischen Kirchenwesens. Zu den wenigen überlieferten Regelwerken gehörte eine
Kirchenordnung, die 1560 gedruckt wurde.33 Aufgrund der großen Gelehrsamkeit Graf Georgs II. auch auf
theologischem Gebiet gilt es als wahrscheinlich, dass er maßgeblichen Anteil an der Ausarbeitung der
Kirchenordnung hatte, oder sogar selbst Verfasser des Regelwerkes war.34
Die Entstehungsgeschichte der Kirchenordnung lässt sich anhand einiger Details nachzeichnen. Der
Text war vermutlich bereits rund zehn Jahre zuvor konzipiert worden: Der Güttersbacher Pfarrer Anton
Metzler (Metzger) schrieb die Ordnung in das Pfarrbuch seiner Kirche ein. Die Taufmatrikel, die im Güt-
tersbacher Pfarrbuch im Anschluss daran folgen, beginnen mit dem Jahr 1550. Schriftvergleich und Tinte
von Kirchenordnung und den ältesten Taufeinträgen stimmen nach Meinung von Preuschen überein,35 so
dass die Konzeption der Kirchenordnung um 1549/50 naheliegend erscheint.
Eine weitere Nachricht zur Entstehung des Textes stammt von 1557. Ende dieses Jahres bemühten sich
die drei Grafen darum, ein Gutachten zu ihrer Kirchenordnung einzuholen. Sie entsandten den Michel-
städter Pfarrer Andreas Staltz und den Sekretär Georg Schwaiger mit einem Entwurf der Ordnung und
einem auf den 29. November datierten Brief zu Philipp Melanchthon und Johannes Brenz nach Worms, wo
sich diese anlässlich des Religionsgesprächs aufhielten.36 Am 3. Dezember antwortete Melanchthon, dass er
die Erbacher Kirchenordnung insgesamt billige. Er hatte jedoch zahlreiche kleinere Korrekturen in dem
Entwurf vermerkt und außerdem einige Änderungswünsche bezüglich der Buße auf einem separaten Zettel
notiert.37 Melanchthons Eingriffe in den Text, die dahin gerichtet waren, die Ordnung dogmatisch zu schär-
fen,38 wurden im Druck der Erbacher Kirchenordnung jedoch nicht berücksichtigt.39
Neben der Kirchenordnung im Güttersbacher Kirchenbuch und dem Entwurf, der den beiden Theolo-
gen zur Begutachtung vorgelegt wurde, ist eine weitere Handschrift der Erbacher Kirchenordnung bekannt.

31 Weismann, Katechismen 1, S. 608; Preuschen, Kir-
chenordnung, S. 18.
32 Siehe unten, S. 419 Anm. a. Der ältere Abdruck bei
Luck, Versuch, S. 15-17 enthält laut Preuschen, Kir-
chenordnung, S. 18 Anm. 5 „manche Ungenauigkeiten“.
33 Beschreibung des Drucks bei Weismann, Katechis-
men 2, S. 300-302.
34 Preuschen, Kirchenordnung, S. 21.
35 Ebd., S. 23.
36 MBW 8, Nr. 8436; Luck, Versuch, S. 17f. (mit Datie-
rung auf 19. Nov.); vgl. Scheible, Melanchthon,
S. 216; Weismann, Katechismen 1, S. 608; Richter,
Kirchenordnungen II, S. 222; Höreth, Erbach, S. 45f.

Graf Georg II. kannte Melanchthon vermutlich bereits
seit 1524, Röder, Graf Georg, S. 68; Press, Erbach,
S. 664.
37 MBW 8, Nr. 8445; Luck, Versuch, S. 18; Scriba, Mit-
theilungen, S. 22f.; vgl. Preuschen, Kirchenordnung,
S. 25f.; Röder, Graf Georg, S. 70.
38 Vgl. Press, Erbach, S. 667. Preuschen, Kirchenord-
nung, S. 27-36 zeichnet die wichtigsten Änderungsvor-
schläge nach.
39 Preuschen, Kirchenordnung, S. 38; Scheible,
Melanchthon, S. 216; Press, Erbach, S. 667; Weis-
mann, Katechismen 1, S. 608f.

414
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften