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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (9. Band = Hessen, 2): Die geteilte Landgrafschaft Hessen 1582-1618 - Grafschaften Waldeck, Solms, Erbach und Stolberg-Königstein - Reichsstädte Frankfurt, Friedberg, Gelnhausen und Wetzlar — Tübingen: Mohr Siebeck, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.30289#0510
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Die Reichsstadt Frankfurt

Beleg der „Rechtgläubigkeit“ seiner Gemeinde sandte Poullain noch im gleichen Monat einige Exemplare
an den Frankfurter Rat,164 an das Kapitel von St. Bartholomäus165 und an Johannes Calvin.
Der gesamte Text besteht aus zwei umfangreichen Teilen, zum einen der Liturgia sacra selbst (p. 1-70),
die den Charakter einer Kirchenordnung mit agendarischen Teilen aufweist, zum anderen der Professio
Fidei Catholicae (p. 71-93), dem Glaubensbekenntnis der französisch-reformierten Gemeinde.
Die Liturgia, die von einer Vor- und einer Nachrede eingerahmt wird, regelt Abendmahlsfeier, Kate-
chismus, Gottesdienste, Bußfeierliturgie, Taufe, Eheeinsegnung, Krankenbesuch und Begräbnis, ferner Fra-
gen der Gemeindeverfassung sowie die Kirchenzucht.166 Die Leitung der wallonischen Gemeinde lag in
Händen der Prediger, Ältesten und Diakonen, die sich zu wöchentlichen Beratungen zusammenfanden.
In der Professio Fidei Catholicae,167die den zweiten Teil der Liturgia sacra bildet, führte Poullain das
Glaubensbekenntnis seiner Gemeinde anhand des Apostolikums aus. Obwohl die theologische Auffassung
Martin Bucers als Grundlage der Professio erkennbar ist, zeigt sich, dass Poullain inzwischen Calvins
Theologie näher stand.168 Poullain bestand darauf, dass alle, die sich als Mitglieder der Gemeinde verstan-
den und die am Abendmahl teilnehmen wollten, das Bekenntnis unterschrieben, eine Bedingung, die sich
konsolidierend auf die inneren Verhältnisse der Gemeinde auswirkte,169 zumal die Fremdengemeinde nicht
nur durch die calvinistische Glaubensausrichtung, sondern auch durch die presbyteriale Verfassung ein
organisatorisch und finanziell autonomes Gebilde innerhalb der Reichsstadt bildete.170
Bereits in Glastonbury hatte Valérand Poullain eine Schrift mit dem Titel „Liturgia sacra“ entworfen,
die auf das Vorbild der von Calvin geschaffenen Organisation der französischen Flüchtlingsgemeinde in
Straßburg zurückging.171 Das Gemeindeleben der Fremden in Frankfurt war also bereits seit den Jahren im
englischen Exil am Inhalt dieser Ordnung ausgerichtet gewesen. Für die Frankfurter Verhältnisse überar-
beitete Poullain den Text an wenigen Stellen.172 So erschien der Dekalog nicht mehr in zwei Teilen, sondern
am Beginn des Gottesdienstes im Ganzen, auch das Apostolikum wurde nicht mehr von der Gemeinde,
sondern vom Pfarrer gesungen. Eine Erweiterung der Liturgie wurde im großen Schlussgebet mit der Für-
bitte für die verfolgten Brüder vorgenommen.173
Der Drucktext der Professio trägt die Unterschriften der führenden Geistlichen der wallonischen
Gemeinde. Bemerkenswert ist, dass er auch die Namen von fünf Persönlichkeiten einer weiteren Fremden-
gemeinde trägt: Durch die Rekatholisierung unter Mary Tudor an der freien Religionsausübung gehindert,
sah sich der Kern der Edwardinischen Reformation, der überwiegend aus Klerikern, Gelehrten, Adeligen
und vermögenden Privatiers bestand und der gebildeten und wirtschaftlich führenden Schicht des Landes
entstammte, gezwungen, England zu verlassen. Auch diese Glaubensflüchtlinge kamen nach Frankfurt, und
am 14. Juli 1554 gestattete der Rat der kleinen Gruppe die Mitnutzung der Weißfrauenkirche unter der
Bedingung, dass sie sich den Zeremonien der Wallonen anschlösse und keine separatistische Gemeinde
bildete. Die Engländer stimmten dieser Forderung zu und einige ihrer führenden Geistlichen setzten ihre

164 IfSG Frankfurt, Ratsprotokolle, fol. 112v (13. Sept.);
Bürgermeisterbücher, fol. 17r (13. Sept.). Vgl. auch das
Schreiben Calvins an Poullain vom 27. August 1554,
CR 43, Sp. 217f. Nr. 2001.
165 Bauer, Poullain, S. 204; Ebrard, Gemeinde, S. 66f.;
Besser, Flüchtlings-Gemeinden, S. 19; Dechent, Kir-
chengeschichte 1, S. 207.
166 Zum Inhalt siehe, Bauer, Poullain, S. 200-203. Die
Abschnitte zu Taufe und Abendmahl flossen in die kur-
pfälzische Kirchenordnung von 1563 ein, siehe Seh-
ling, EKO XIV, S. 46, 338-341, 384-405.
167 Die Professio Fidei Catholicae wird in unserer Edition
nicht abgedruckt. Einen aktuellen Abdruck bietet Bek-
ker, Bekenntnis, S. 79-104.

168 Bauer, Bekenntnisstand (1924), S. 30; ders., Beziehun-
gen Calvins, S. 12f.; Dingel, Entstehung, S. 64.
169 Dingel, Entstehung, S. 61f.
170 Ebd., S. 63.
171 Dingel, Entstehung, S. 62; Telschow, Alte Frankfur-
ter Kirche, S. 22.
172 Ebrard, Gemeinde, S. 54f.; Dingel, Entstehung,
S. 62; Bauer, Poullain, S. 136-148; ders., Bekenntnis-
stand (1924), S. 18f.; Denis, Les églises, S. 315 Anm. 5,
S. 319f.; Dechent, Kirchengeschichte 1, S. 207.
173 Bauer, Poullain, S. 197f.; Ebrard, Gemeinde, S. 60-
63.

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