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Sonntag, Jörg [Hrsg.]; Ziegler, Thomas A. [Bearb.]
Die Gesetzgebung der Cauliten im 13. Jahrhundert: ausgewählte Zeugnisse ihrer Verfassung : Edition und Übersetzung — Klöster als Innovationslabore, Band 10: Regensburg: Schnell + Steiner, 2022

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https://doi.org/10.11588/diglit.72132#0018

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Vorwort des Herausgebers

An vielen Knotenpunkten der Frömmigkeitsgeschichte bündelten sich religiöse
Aufbrüche, aus denen die unterschiedlichsten Bewegungen erwuchsen. Einige in-
stitutionalisierten sich früher, andere später, wieder andere gar nicht. Einige bezo-
gen sich auf bewährte Regeln, andere ersannen neue. Einige Bewegungen bestan-
den fort, andere verschmolzen miteinander, wieder andere vergingen rasch.
Im ausgehenden 12. Jahrhundert machte sich ein kartäusischer Bruder namens
Guido aus dem Kloster Lugny in Burgund auf nach Val-des-Choux, in das Tal der
Krautköpfe nahe Chätillon-sur-Seine, um eine Schar von Waldeinsiedlern unter
seiner Leitung zusammenzuführen. 20 Jahre später war nicht nur eine institutio-
nell gefestigte Gemeinschaft, sondern bereits ein kleiner, aber ganz besonderer
Orden entstanden, der bald sogar bis nach Schottland vorstieß. Was diese Cau-
liten so besonders machte, waren genau die organisatorische Flexibilität und die
geistige Adaptionskraft, derer es bedurfte, um sich in jenen komplex vernetzten
Kreisläufen des Werdens und Vergehens immerhin fast 600 Jahre zu halten.
So kombinierten die Cauliten ausgewählte Modellbausteine der Lebensformen
von Kartäusern, Grandmontensern, traditionellen Benediktinern und Zisterzien-
sern zu einem ganz eigenen Profil, das schon im 13. Jahrhundert die Zeitgenossen,
etwa Jacques de Vitry, tief beeindruckte.
Bereits in den 1220er Jahren begannen die Cauliten, ihr Recht niederzuschrei-
ben - ein Recht, in das sie päpstliche Bestätigungen ebenso hineinwoben wie einen
spirituellen Leittext (Prima Institutione Vallis Caulium), der die Ursprungsideale
der Askese im kollektiven Gedächtnis verankerte, das Charisma jenes Gründers
Guido einfing und es über die Schrift auch in Zeiten des Wandels abrufbar hielt.
Das vorliegende Buch enthält die erstmals übergreifend kritische Edition und
Übersetzung der Konstitutionen und Statuten des Ordens bis zum Ende des 13.
Jahrhunderts. Es gibt Einblicke in die Struktur des Ordens, die Visitationsverfah-
ren, das Generalkapitel und das tägliche Leben der Mönche und Konversen vor
Ort. Damit erhält dieses Buch in gewisser Weise den Charakter eines ,Schwes-
terbuchs' meiner Edition der wilhelmitischen Statuten aus dem Jahr 2019. Beide
Editionen verbindet nicht nur ein gleichartiger Aufbau, sondern auch die kon-
textualisierende und vergleichende Methode. Tatsächlich finden sich nicht wenige
bei den Wilhelmiten beobachtete Phänomene bereits bei den Cauliten. Beide Or-
den durchlebten einen spannungsreichen Transformationsprozess, in dessen Zen-
trum die Adaption der Benediktsregel und die Austarierung von Einsiedlertum
und Zönobitentum standen. Zwar handelt es sich bei Wilhelmiten und Cauliten
um eher kleine Gemeinschaften, dennoch steht hinter der Analyse auch ihrer Ge-
 
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