Kapitel 1.
Die Cauliten.
Zur Genese eines Ordens und seiner
LebensGEWOHNHEITEN
Um das Jahr 1224 berichtet der Theologe, Chronist und Bischof von Akkon, Jac-
ques de Vitry (f 1240), in seiner Historia Occidentalis von den religiösen Bewe-
gungen seiner Zeit, so auch von „gottgefälligen und sehr frommen Mönchen aus
dem Tal der Krautköpfe". Von ihnen weiß Jacques, dass sie ihre Lebensweise, ihr
Gewand und ihren Gottesdienst nach der religio des Zisterzienserordens ausrich-
teten, jedoch der Ruhe und des Friedens wegen bescheidene Zellen bauten, um
sich in der Zeit der Betrachtung, der Lesung und des Gebets noch abgeschiedener
und hingebungsvoller allein Gott widmen zu können. Ihre Herzen beschnitten
sie derart von der Vorhaut der Sorge um weltliche Dinge, dass sie kein Großvieh,
keine Äcker oder andere Besitztümer besäßen, nicht also durch die Sorgen die-
ser Welt vom Streben nach den geistlichen Dingen abgehalten würden. Nur der
Prior, so weiß Jacques, dürfe mit jeweils einem weiteren Bruder den Klosterbe-
reich verlassen, etwa um Tochterklöster zu besuchen, während die anderen wie
der Jakob des Alten Testaments im Haus zurückblieben. Die Cauliten ernährten
sich von ihrer Hände Arbeit, indem sie kleine Obst- und Gemüsegärten inner-
halb der Klosteranlage pflegten. Allerdings, so räumte auch Jacques ein, bezögen
sie ergänzend feste Einkünfte. Damit sie nicht betteln gehen müssten, einer frem-
den Hand bedürften und vom geistlichen Weg abkämen, nähmen sie nur wenige
Neulinge auf. Ehrgeiz, Neid und Stolz jedenfalls seien ihnen völlig fremd. Ge-
rade diese Absonderung von der Welt und ihren Einflüssen scheint für Jacques
de Vitry ein grundlegendes Kriterium, vielleicht sogar eine Besonderheit, dieser
eremitisch und zugleich gemeinschaftlich Lebenden gewesen zu sein. Ihrem abge-
schlossenen Leben, mithin ihrer Mischform aus Einsiedelei und Zönobitentum im
Tal der Krautköpfe, nämlich widmet er - unter Berufung auf weitere ausgewählte
Vorbilder vor allem des Alten Testaments - rühmend höchste Aufmerksamkeit.1
1 Vgl. Jacques de Vitry, Historia occidentalis, 17, ed. Hinnebusch, S. 120-121. Jacques nutzt zu-
sätzlich Mt 16, 26: „Was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne, jedoch Scha-
den erlitte an seiner Seele?", um die Richtigkeit des Rückzugs der Cauliten zu unterstreichen.
Simei sei aus Jerusalem des Verlangens wegen hinausgezogen und von Salomo niedergemacht
worden. Dina, die Tochter Jakobs, habe das Haus ihres Vaters der Neugierde wegen verlassen
und sei vom unkeuschen Jüngling Sichern verdorben worden. Der verlorene Sohn sei der Ge-
Die Cauliten.
Zur Genese eines Ordens und seiner
LebensGEWOHNHEITEN
Um das Jahr 1224 berichtet der Theologe, Chronist und Bischof von Akkon, Jac-
ques de Vitry (f 1240), in seiner Historia Occidentalis von den religiösen Bewe-
gungen seiner Zeit, so auch von „gottgefälligen und sehr frommen Mönchen aus
dem Tal der Krautköpfe". Von ihnen weiß Jacques, dass sie ihre Lebensweise, ihr
Gewand und ihren Gottesdienst nach der religio des Zisterzienserordens ausrich-
teten, jedoch der Ruhe und des Friedens wegen bescheidene Zellen bauten, um
sich in der Zeit der Betrachtung, der Lesung und des Gebets noch abgeschiedener
und hingebungsvoller allein Gott widmen zu können. Ihre Herzen beschnitten
sie derart von der Vorhaut der Sorge um weltliche Dinge, dass sie kein Großvieh,
keine Äcker oder andere Besitztümer besäßen, nicht also durch die Sorgen die-
ser Welt vom Streben nach den geistlichen Dingen abgehalten würden. Nur der
Prior, so weiß Jacques, dürfe mit jeweils einem weiteren Bruder den Klosterbe-
reich verlassen, etwa um Tochterklöster zu besuchen, während die anderen wie
der Jakob des Alten Testaments im Haus zurückblieben. Die Cauliten ernährten
sich von ihrer Hände Arbeit, indem sie kleine Obst- und Gemüsegärten inner-
halb der Klosteranlage pflegten. Allerdings, so räumte auch Jacques ein, bezögen
sie ergänzend feste Einkünfte. Damit sie nicht betteln gehen müssten, einer frem-
den Hand bedürften und vom geistlichen Weg abkämen, nähmen sie nur wenige
Neulinge auf. Ehrgeiz, Neid und Stolz jedenfalls seien ihnen völlig fremd. Ge-
rade diese Absonderung von der Welt und ihren Einflüssen scheint für Jacques
de Vitry ein grundlegendes Kriterium, vielleicht sogar eine Besonderheit, dieser
eremitisch und zugleich gemeinschaftlich Lebenden gewesen zu sein. Ihrem abge-
schlossenen Leben, mithin ihrer Mischform aus Einsiedelei und Zönobitentum im
Tal der Krautköpfe, nämlich widmet er - unter Berufung auf weitere ausgewählte
Vorbilder vor allem des Alten Testaments - rühmend höchste Aufmerksamkeit.1
1 Vgl. Jacques de Vitry, Historia occidentalis, 17, ed. Hinnebusch, S. 120-121. Jacques nutzt zu-
sätzlich Mt 16, 26: „Was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne, jedoch Scha-
den erlitte an seiner Seele?", um die Richtigkeit des Rückzugs der Cauliten zu unterstreichen.
Simei sei aus Jerusalem des Verlangens wegen hinausgezogen und von Salomo niedergemacht
worden. Dina, die Tochter Jakobs, habe das Haus ihres Vaters der Neugierde wegen verlassen
und sei vom unkeuschen Jüngling Sichern verdorben worden. Der verlorene Sohn sei der Ge-