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Einleitung
Weil wir keine in ihrem Umfang vergleichbaren Zeugenbeobachtungen für die-
se frühe Zeit der Cauliten kennen und eine Ordenschronik im Sinne einer cau-
litischen Eigengeschichte ebenfalls nicht überliefert ist,2 sind die Beobachtungen
des Jacques de Vitry von enormem Wert, zumal sie auch in der Caulitenforschung
durchaus als zuverlässige Quelle für einige konkrete Praktiken um 1223/24 einge-
schätzt werden.3
Dies gilt auch, obwohl ausgerechnet Jacques, ein wirklicher Kenner der religiö-
sen Bewegungen seiner Zeit, die Cauliten (wie die Grandmontenser) andernorts,
in seinem Sermo ad canonicos reguläres, als sextus ordo innerhalb der sieben Orden
der Regularkanoniker (canonicas congregationes) ansiedelt - nach den Prämons-
tratensern, den Grandmontensern, den Viktorinern, dem Orden von Arrouaise,
dem Orden der Ecoliers du Christ und vor den Dominikanern.4
Zu Recht hat Phillip C. Adamo in seiner wegweisenden Monografie zu den
Cauliten auf diese Diskrepanz bezüglich der Zuordnung zwischen benediktini-
schem und augustinischem Milieu hingewiesen. Tatsächlich könnte diese schwer
zu datierende Predigt aus früherer Zeit stammen und nach Jacques' Besuch in
Val-des-Choux in jener Historia occidentalis revidiert worden sein. Möglicher-
weise war Jacques' Prononcierung der eigentümlichen Mischung von Kartäuser-
und Zisterziensertum auch schlicht wichtiger als die exakte Zuweisung an eine be-
stimmte Regel.5 Ergänzend - und ganz grundsätzlich - muss eine Nähe zur Au-
gustinusregel namentlich eremitisch Lebender freilich nicht per se verwundern:
Wer in größerem Umgriff die Ursprünge etwa der Regularkanonikerbewegung
des 11. und 12. Jahrhunderts betrachtet, wird nicht selten auf die gleichen eremi-
tischen Wurzeln stoßen, die auch die Cauliten prägten. Man denke an die großen
Reformzentralen der Regularkanoniker, etwa an das oben genannte Arrouaise, an
Chaumousey, Klosterrath oder Rottenbuch, die allesamt aus Einsiedlerzellen er-
wachsen waren. Gerade der Orden von Arrouaise hatte nicht minder Teile der
zisterziensischen Verfassung und trotzdem die Augustinusregel (Ordo monaste-
rii) übernommen.6
nusssucht wegen weggegangen und habe seinen Erbanteil vollständig verprasst. Die Cauliten
seien stattdessen umsichtig und klug, weil sie sich vorsichtig einschlössen, damit nicht durch
den Wind des weltlichen Getöses ihre Lampe ausgelöscht werde. Vgl. ebenda, S. 120.
2 Vgl. dazu Adamo, New Monks in Old Habits, S. 25.
3 Siehe dazu u.a. ebenda, S. 14 und S. 43.
4 Siehe etwa Longere, Quatre sermons ad canonicos de Jacques de Vitry, S. 174-175.
5 Siehe dazu Adamo, The Manuscript Tradition, bes. S. 204.
6 Vgl. u. a. Milis, L'ordre des chanoines reguliers d'Arrouaise, Bd. 1, bes. S. 178-188 und bezogen
auf die Konversen (sehr eindrucksvoll hinsichtlich der gegenseitigen Beeinflussung von Zister-
Einleitung
Weil wir keine in ihrem Umfang vergleichbaren Zeugenbeobachtungen für die-
se frühe Zeit der Cauliten kennen und eine Ordenschronik im Sinne einer cau-
litischen Eigengeschichte ebenfalls nicht überliefert ist,2 sind die Beobachtungen
des Jacques de Vitry von enormem Wert, zumal sie auch in der Caulitenforschung
durchaus als zuverlässige Quelle für einige konkrete Praktiken um 1223/24 einge-
schätzt werden.3
Dies gilt auch, obwohl ausgerechnet Jacques, ein wirklicher Kenner der religiö-
sen Bewegungen seiner Zeit, die Cauliten (wie die Grandmontenser) andernorts,
in seinem Sermo ad canonicos reguläres, als sextus ordo innerhalb der sieben Orden
der Regularkanoniker (canonicas congregationes) ansiedelt - nach den Prämons-
tratensern, den Grandmontensern, den Viktorinern, dem Orden von Arrouaise,
dem Orden der Ecoliers du Christ und vor den Dominikanern.4
Zu Recht hat Phillip C. Adamo in seiner wegweisenden Monografie zu den
Cauliten auf diese Diskrepanz bezüglich der Zuordnung zwischen benediktini-
schem und augustinischem Milieu hingewiesen. Tatsächlich könnte diese schwer
zu datierende Predigt aus früherer Zeit stammen und nach Jacques' Besuch in
Val-des-Choux in jener Historia occidentalis revidiert worden sein. Möglicher-
weise war Jacques' Prononcierung der eigentümlichen Mischung von Kartäuser-
und Zisterziensertum auch schlicht wichtiger als die exakte Zuweisung an eine be-
stimmte Regel.5 Ergänzend - und ganz grundsätzlich - muss eine Nähe zur Au-
gustinusregel namentlich eremitisch Lebender freilich nicht per se verwundern:
Wer in größerem Umgriff die Ursprünge etwa der Regularkanonikerbewegung
des 11. und 12. Jahrhunderts betrachtet, wird nicht selten auf die gleichen eremi-
tischen Wurzeln stoßen, die auch die Cauliten prägten. Man denke an die großen
Reformzentralen der Regularkanoniker, etwa an das oben genannte Arrouaise, an
Chaumousey, Klosterrath oder Rottenbuch, die allesamt aus Einsiedlerzellen er-
wachsen waren. Gerade der Orden von Arrouaise hatte nicht minder Teile der
zisterziensischen Verfassung und trotzdem die Augustinusregel (Ordo monaste-
rii) übernommen.6
nusssucht wegen weggegangen und habe seinen Erbanteil vollständig verprasst. Die Cauliten
seien stattdessen umsichtig und klug, weil sie sich vorsichtig einschlössen, damit nicht durch
den Wind des weltlichen Getöses ihre Lampe ausgelöscht werde. Vgl. ebenda, S. 120.
2 Vgl. dazu Adamo, New Monks in Old Habits, S. 25.
3 Siehe dazu u.a. ebenda, S. 14 und S. 43.
4 Siehe etwa Longere, Quatre sermons ad canonicos de Jacques de Vitry, S. 174-175.
5 Siehe dazu Adamo, The Manuscript Tradition, bes. S. 204.
6 Vgl. u. a. Milis, L'ordre des chanoines reguliers d'Arrouaise, Bd. 1, bes. S. 178-188 und bezogen
auf die Konversen (sehr eindrucksvoll hinsichtlich der gegenseitigen Beeinflussung von Zister-