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Sonntag, Jörg [Editor]; Ziegler, Thomas A. [Oth.]
Die Gesetzgebung der Cauliten im 13. Jahrhundert: ausgewählte Zeugnisse ihrer Verfassung : Edition und Übersetzung — Klöster als Innovationslabore, Band 10: Regensburg: Schnell + Steiner, 2022

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https://doi.org/10.11588/diglit.72132#0027

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26

Einleitung

das auf Wunsch der Cauliten, die er zugleich, mitten in einer für das Abendland
turbulenten Zeit, explizit unter den Schutz des Papsttums stellte. Nicht nur war
Konstantinopel im Vierten Kreuzzug 1204 unter der regen Beteiligung auch fran-
zösischer Ritter soeben gefallen und ein Lateinisches Kaiserreich ausgerufen wor-
den. Nicht nur tobte im Reich der deutsche Thronstreit, in dem Innozenz mit sei-
ner Bulle Venerabilem (1202) deutlich Position für den Welfen Otto IV. bezogen
hatte, dessen Machtbasis seit 1204 jedoch spürbar schwand. Es war ebenso und
gerade die Zeit der religiösen und laikalen Armutsbewegungen sowie im Besonde-
ren der sog. Katharer im Norden Italiens und im Süden Frankreichs, hinsichtlich
derer Innozenz bis 1208 noch glaubte, die Predigttätigkeit der Zisterzienser kön-
ne sie zur Kirche zurückführen. Dem Papst musste also an einem zielorientierten
,Einfangen' der neuen Eremitenbewegungen und an einer Beruhigung der Lage
auch im angrenzenden Burgund, der europäischen Keimzelle religiöser Bewegun-
gen schlechthin, gelegen sein.
So stellte er alles, was die Cauliten „vernünftigerweise in der Gegenwart oder
in der Zukunft durch Zuwendungen des Papsttums, durch die Großzügigkeit von
Königen oder Fürsten, durch die Gaben der Gläubigen oder durch andere gerech-
te Mittel erlangten", unter den Schutz des Papstes (und des heiligen Petrus).17 Ex-
plizit bestätigte und veröffentliche er mit dieser Urkunde, wie schon angedeutet,
diese Ordnung, und zwar „nach vorausschauender Überlegung und mit Zustim-
mung des Diözesanbischofs".18 Ob sich damit bereits die völlige Herauslösung
aus dem Diözesanverband im Sinne der Libertas Romana verbinden sollte, wie sie
im Zuge der päpstlichen Politik gerade im 11. und 12. Jahrhundert etwa zuguns-
ten der cluniazensischen ,Ableger', der Zisterzienser und vor allem zugunsten der
Regularkanonikerverbände typisch war, ist unklar.19
So oder so, dieses Dokument war es, welches dank des päpstlichen Schutzes der
Gründung im Tal der Krautköpfe Stabilität verlieh und den Weg zum Orden frei-
legte. Dieses Dokument war im Eigenverständnis der Cauliten so grundlegend,
dass man es etwa im Caulitenkloster Petit-Saint-Lieu, welches 1224 - also un-
gefähr zur Zeit jenes berichtenden Jacques de Vitry - gegründet wurde, mit dem

17 Birch, Ordinale, S. 140 (Nr. 1).

18 Ebenda: Specialiter autem ordinem ipsum provida deliberatione de assensu episcopi diocesani
statutum auctoritate apostolica confirmamus et presentis scripti patrocinio communimus.

19 Für die Regularkanoniker setzte diese Privilegierung auch als taktisches Instrument des Papst-
tums während des Investiturstreits mit Urban II. in einer neuen Qualität ein: Vgl. dazu Fuhr-
mann, Papst Urban II. und der Stand der Regularkanoniker, S. 3-44. Der Begriff ,Libertas Roma-
na' taucht zugunsten der Cauliten freilich ohnehin so nicht auf. Zu den Einflussmöglichkeiten
etwa des Bischofs von Auxerre siehe außerdem, unten, S. 34.
 
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