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Sonntag, Jörg [Editor]; Ziegler, Thomas A. [Oth.]
Die Gesetzgebung der Cauliten im 13. Jahrhundert: ausgewählte Zeugnisse ihrer Verfassung : Edition und Übersetzung — Klöster als Innovationslabore, Band 10: Regensburg: Schnell + Steiner, 2022

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https://doi.org/10.11588/diglit.72132#0068

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Einleitung

67

Kaum zufällig sind in beiden Orden der Liber Ordinarius und die Statuten zumin-
dest in einigen Handschriften gemeinsam mit der Benediktsregel überliefert.111
Nichtsdestotrotz schränkten zumindest die Wilhelmiten im Prolog ihres Liber
Ordinarius die faktische Bindekraft dieser Benediktsregel deutlich ein. So heißt
es um 1271:
„Unser Orden aber, der vom Einsiedlertum des heiligen Wilhelm seinen
Namen bekam und gemäß der Regel des heiligen Benedikt Gehorsam
gelobt, befolgt [...], obgleich er nicht beabsichtigt, ein Jota oder einen
Punkt von den Dingen, die das Heil betreffen, zu übergehen, nicht buch-
stäblich die gesamte Regel, besonders in jenen Fällen, die ohne eine über-
bordende Vielzahl an Personen und Reichtümern nicht beachtet werden
können. Daher sind uns unsere Ahnen im Beispiel vorgesetzt, die je hei-
liger desto ärmer die Titel und Amtswürden des Abtes, des Vorstehers
und des Dekans aufgrund von Demut und freiwilliger Armut nicht an-
genommen haben. Ferner meinten unsere Prioren, die in fast allen ande-
ren Dingen wie Äbte agierten, dass das, was zur Küche des Abtes und
zu dessen Dienern gesagt wird, wenig nütze sei. Es darf auch niemanden
stören, wenn wir in etwaigen anderen Angelegenheiten, welche die Regel
selbst dem Urteil der Prälaten anvertraut, nicht so sehr dem buchstäbli-
chen Wortlaut der Regel folgen wie der bestätigten Gewohnheit unse-
rer Ahnen, welche die beste Auslegungsinstanz der Vorschriften ist [...].
Jene Vorschriften werden (nämlich ohnehin) von fast keinem bewahrt,
welcher die gleiche Regel gelobt hat."112
Derartig klare Worte sucht man bei den Cauliten noch vergebens. Die konkrete
Praxis scheint einen solchen, eher zielorientierten Umgang mit der Regel dennoch
nicht minder nahezulegen. Caulitische Regelkommentare jedenfalls, die im Hin-
blick auf die konkrete Vereinbarkeit der Benediktsregel mit den caulitischen Ur-
sprüngen den Brüdern wichtige Anhaltspunkte hätten geben können, existieren -
wie bei den Wilhelmiten - leider nicht. Stattdessen waren es die Statuten, welche
den Spagat zwischen Regel und Praxis zu meistern halfen. Kommentierungen ha-
ben diese Statuten - erneut wie bei den Wilhelmiten, aber anders als etwa bei den

111 Bei den Wilhelmiten ist dies etwa für die Hs. Cambrai, Bibliotheque Municipale, Ms. 1124 aus
dem Wilhelmitenkonvent Walincourt der Fall. Vgl. nochmals Sonntag, Die Statuten der Wil-
helmiten, S. 65.

112 Dabei zitieren die Wilhelmiten mehrfach Bernhard von Clairvaux. Siehe mit Nachweisen dazu
Sonntag, Die Statuten der Wilhelmiten, S. 368-369.
 
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