Einleitung
71
Dies gilt ebenso für das wegweisende dominikanische Prinzip, nach dem eine Ver-
fehlung gegen die Statuten generell keine Sünde sei (außer sie geschähe in willentli-
cher Missachtung), sondern vielmehr (nur) eine vom Orden verhängte Strafe nach
sich zöge.121 Auch darin unterschieden sich die Cauliten von jenen Wilhelmiten,
die im Prolog ihrer Statuten von 1251 zu weiten Teilen aus den dominikanischen
Konstitutionen schöpften.122 Vielleicht war es für die Cauliten hierfür schlicht
noch zu früh. Vor 1300 jedenfalls haben wir zumindest keinen überlieferten Hin-
weis auf eine solche Trennung von forum internum und forum externum.
Eine in den Texten anderer Gemeinschaften auftauchende Bestimmung, wie oft
die Statuten zur verlesen waren, finden wir bei den Cauliten ebenfalls nicht. Bei
den Dominikanern sollten - gemäß einem Statut von 1245 - die General- und Pro-
vinzkapitelsbeschlüsse vier Mal im Jahr verlesen werden. Löschungen von Einträ-
gen waren nur gestattet, wenn ein Statut offiziell widerrufen wurde.123
Provinzkapitel sind für die Cauliten unterdessen nicht bezeugt. Dies scheint
für den eher kleinen Klosterverband, der sich mit Ausnahme der drei schottischen
Niederlassungen, doch in einem überschaubaren geographischen Raum bewegte,
nicht nötig gewesen zu sein. Gerade bei den Wilhelmiten führte die Konkurrenz
zwischen den beiden Provinzen nördlich der Alpen und der Zentrale im italie-
nischen Malavalle gar so weit, dass sämtliche Generalstatuten erst dann Gültig-
keit erhielten, wenn sie auf den Provinzkapiteln des Folgejahres bestätigt wur-
den. Mit einer derartig hoch komplexen Durchmischung von Provinz- und Gene-
ralstatuten mussten die Cauliten also nicht umgehen. Ihre Statuten besaßen wie
in anderen Gemeinschaften auch (seit 1244) erst Geltung, sobald sie in zweiter
Lesung, d. h. frühestens nach einem Jahr bestätigt wurden. Eine ausformulierte
Unterscheidung in veränderbare und unveränderbare Rechtselemente trafen die
Statuten der Cauliten unterdessen nicht.
In jedem Fall aber stehen die Statuten in ihrer Geltung in einem gewissen Span-
nungsfeld zur individuellen Entscheidungs- und Gestaltungsmacht des Großpri-
ors. Zunächst freilich scheint es doch auffällig, dass die Wahl des Großpriors wäh-
nichtsdestoweniger gemäß dem Urteil der Visitatoren bestraft werden. Wenn aber irgendeine
(andere) Person des Ordens dies getan hat, dann soll sie aus dem eigenen Haus verstoßen werden
und nicht zu diesem zurückkehren dürfen, es sei denn auf Beschluss des Generalkapitels." Vgl.
Sonntag, Die Statuten der Wilhelmiten, S, 168-169 (Statut A.85).
121 Vgl. Cygler, Zur Funktionalität der dominikanischen Verfassung, S. 406; Tonneau, L'obligation
adpoenam des constitutions dominicaines, S. 107-115 und Sonntag, Zwischen Transzendenz
und Immanenz, S. 238.
122 Vgl. mit Nachweisen Sonntag, Die Statuten der Wilhelmiten, S. 96.
123 Vgl. die Acta capitulorum generalium ordinis praedicatorum, ed. Reichert, Bd. 1, S. 32.
71
Dies gilt ebenso für das wegweisende dominikanische Prinzip, nach dem eine Ver-
fehlung gegen die Statuten generell keine Sünde sei (außer sie geschähe in willentli-
cher Missachtung), sondern vielmehr (nur) eine vom Orden verhängte Strafe nach
sich zöge.121 Auch darin unterschieden sich die Cauliten von jenen Wilhelmiten,
die im Prolog ihrer Statuten von 1251 zu weiten Teilen aus den dominikanischen
Konstitutionen schöpften.122 Vielleicht war es für die Cauliten hierfür schlicht
noch zu früh. Vor 1300 jedenfalls haben wir zumindest keinen überlieferten Hin-
weis auf eine solche Trennung von forum internum und forum externum.
Eine in den Texten anderer Gemeinschaften auftauchende Bestimmung, wie oft
die Statuten zur verlesen waren, finden wir bei den Cauliten ebenfalls nicht. Bei
den Dominikanern sollten - gemäß einem Statut von 1245 - die General- und Pro-
vinzkapitelsbeschlüsse vier Mal im Jahr verlesen werden. Löschungen von Einträ-
gen waren nur gestattet, wenn ein Statut offiziell widerrufen wurde.123
Provinzkapitel sind für die Cauliten unterdessen nicht bezeugt. Dies scheint
für den eher kleinen Klosterverband, der sich mit Ausnahme der drei schottischen
Niederlassungen, doch in einem überschaubaren geographischen Raum bewegte,
nicht nötig gewesen zu sein. Gerade bei den Wilhelmiten führte die Konkurrenz
zwischen den beiden Provinzen nördlich der Alpen und der Zentrale im italie-
nischen Malavalle gar so weit, dass sämtliche Generalstatuten erst dann Gültig-
keit erhielten, wenn sie auf den Provinzkapiteln des Folgejahres bestätigt wur-
den. Mit einer derartig hoch komplexen Durchmischung von Provinz- und Gene-
ralstatuten mussten die Cauliten also nicht umgehen. Ihre Statuten besaßen wie
in anderen Gemeinschaften auch (seit 1244) erst Geltung, sobald sie in zweiter
Lesung, d. h. frühestens nach einem Jahr bestätigt wurden. Eine ausformulierte
Unterscheidung in veränderbare und unveränderbare Rechtselemente trafen die
Statuten der Cauliten unterdessen nicht.
In jedem Fall aber stehen die Statuten in ihrer Geltung in einem gewissen Span-
nungsfeld zur individuellen Entscheidungs- und Gestaltungsmacht des Großpri-
ors. Zunächst freilich scheint es doch auffällig, dass die Wahl des Großpriors wäh-
nichtsdestoweniger gemäß dem Urteil der Visitatoren bestraft werden. Wenn aber irgendeine
(andere) Person des Ordens dies getan hat, dann soll sie aus dem eigenen Haus verstoßen werden
und nicht zu diesem zurückkehren dürfen, es sei denn auf Beschluss des Generalkapitels." Vgl.
Sonntag, Die Statuten der Wilhelmiten, S, 168-169 (Statut A.85).
121 Vgl. Cygler, Zur Funktionalität der dominikanischen Verfassung, S. 406; Tonneau, L'obligation
adpoenam des constitutions dominicaines, S. 107-115 und Sonntag, Zwischen Transzendenz
und Immanenz, S. 238.
122 Vgl. mit Nachweisen Sonntag, Die Statuten der Wilhelmiten, S. 96.
123 Vgl. die Acta capitulorum generalium ordinis praedicatorum, ed. Reichert, Bd. 1, S. 32.