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Breitenstein, Mirko
Vier Arten des Gewissens: Spuren eines Ordnungsschemas vom Mittelalter bis in die Moderne : mit Edition des Traktats De quattuor modis conscientiarum — Klöster als Innovationslabore, Band 4: Regensburg: Schnell + Steiner, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.49623#0027
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2. Gegenstand: Das Gewissen

chende Thematisierungen sind zahlreich in verschiedensten literarischen Kon-
texten präsent, sie fanden aber ebenso auch bildliche Umsetzung, insbesondere in
Apokalypsenhandschriften.31
Conscientia bezeichnet jedoch auch einen Ausdruck des Glaubens.32 Sie begeg-
net als Stimme des natürlichen Gesetzes33, als „etwas im Inneren des Menschen“34,
als Seeleninnenraum und als inneres Haus35, als Herzensgeheimnisse (pcculta cor-
dis)36 oder als Wissen des Herzens („conscientia est cordis scientia“)37 und allge-
mein als Ort des inneren Menschen38, wenn nicht gar als dieser selbst.39 Zahlreiche
weitere Bilder wären anzuführen, wobei Körpermetaphern eine durchaus promi-
nente Rolle spielen. So allegorisieren Augustinus (f 430) und Bernhard von

31 Vgl. hierzu im Überblick meine Studie Das,Buch des Gewissens1 sowie als besonders eindrück-
liches Beispiel die um 1240/50 entstandene Abbildung aus Paris, BnF, MS Frangais 403, 40v,
auf dem Titel dieses Buches.
32 So in der Auslegung von Rm 14.23. Jörn Müller führt hierzu aus: „Gerade im lateinischen
Raum wird Ttiong bzw. fides an dieser Stelle nämlich zunehmend im Sinne von conscientia ver-
standen bzw. sogar durch diesen Terminus substituiert, was seinen Höhepunkt darin findet, dass
in der Glossa ordinaria im 12. Jahrhundert die Formel ,non ex fide‘ in Röm 13.23 durch ,contra
conscientiam‘ annotiert wird.“ J. Müller, Willensschwäche, S. 287. So noch bei Luther: Ema-
nuel Hirsch hat 50 Belege für diese Ineinssetzung von fides und conscientia allein für die Jahre
1514-22 zusammengetragen. E. Hirsch, Lutherstudien, Bd. 1, S. 151, Anm. 2.
33 So ebenfalls wieder Origenes in seinem Kommentar zum Römerbrief, vgl. J. Müller, Willens-
schwäche, S. 248, Anm. 4 und passim. Zu diesem Zusammenhang vgl. jetzt auch M. Perkams,
Gesetz und Gewissen, v. a. S. 125-31.
34 So übersetzt B. Hennig, Conscientia, S. 112 die Passage bei Augustinus: „[...] intus hominis quod
conscientia vocatur [...].“ Augustinus, Enarrationes in Psalmos, In Psalmum XLV.3, S. 519.
35 Vgl. hierzu meine Studie Das Haus des Gewissens.
36 Vgl. hierzu P. von Moos, „Herzensgeheimnisse“. Die Aktualität dieser Metaphorik betonte
Luhmann, als er darauf hinwies, dass das Gewissen als „etwas ,Inneres‘, Unzugängliches,
Höchstpersönliches, sogar Heimlich-Geheimnisvolles“ begriffen werde. N. Luhmann, Die Ge-
wissensfreiheit, S. 258 (327).
37 Vgl. Petrus Cellensis, De conscientia, S. 199, De interiori domo, cap. XI (18), Sp. 517. Ebenso
auch im Speculum conscientiae des Giovanni da Capistrano: „[...] dico, quod conscientia est
cognitio cordis sui ipsius.“ zitiert nach P. Prodi, Eine Geschichte der Gerechtigkeit, S. 404,
Anm. 78.
38 Vgl. die Übersicht der Verwendungsfülle bei J. u. W. Grimm, „ Gewissen IV“.
39 So für Chrysostomus: W. Keuck, Sünder und Gerechter, S. 277-9, Chr. Markschies, „Inne-
rer Mensch“, Sp. 277. Ebenso auch bei Luther: vgl. H. Bornkamm, Äußerer und innerer
Mensch, S. 98, Anm. 1.
 
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