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Breitenstein, Mirko
Vier Arten des Gewissens: Spuren eines Ordnungsschemas vom Mittelalter bis in die Moderne : mit Edition des Traktats De quattuor modis conscientiarum — Klöster als Innovationslabore, Band 4: Regensburg: Schnell + Steiner, 2017

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.49623#0073
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72

3. Textzeugen: Das Motiv der vier Gewissensarten

ob jener Text über die vier Gewissensarten ihm oder seinem unmittelbaren
Umfeld zuzurechnen ist. Roger Baron sah sich nachvollziehbarerweise nicht in
der Lage, diese Frage für die in Troyes, BM, MS 1174 überlieferten Sentenzen zu
beantworten, auch wenn das Überlieferungsumfeld der Miscellanea in dieser
Handschrift von zweifelsfrei authentischen Schriften Hugos dominiert ist.59
b) Laon, BM, MS 140
Eine weitere Sentenz aus dem Umfeld der Werke Hugos von St. Viktor ist in
Handschrift 140 der Munizipalbibliothek von Laon überliefert. Patrice Sicard
war auf sie gestoßen, als er all jene anonymen Texte für sein Repertorium Sententi-
arum erfasste, die in Handschriften mit überwiegend authentischen Werken des
Victoriners enthalten sind, ohne dass sie einem Autor restituiert werden können.60
Dieser Codex wird ins 12. Jahrhundert datiert und stammt ursprünglich aus der
1134 gegründeten Zisterzienserabtei Vauclair.61 Damit zählt er zu den vergleichs-
weise wenigen zisterziensischen Handschriftern, die das Motiv überliefern:
- L Laon, BM, MS 140, 110va, Zisterzienser Vauclair, 12. Jh.62

Conscientia alia mala sed tranquilla,
alia bona sed turbata, alia bona et
tranquilla, alia mala et turbata. Mala
habent sed tranquilla hii qui letantur,
cum male fecerint (Prv 2.14). Bona
habent sed turbata hii qui domino di-
cunt sequitur modo: Commovisti ter-
ram et conturbasti eam; sana contri-
tiones eins quoniam mota est (Ps 59.4).
Bonam habent et tranquillam hii de
quibus dicitur: Beati quorum remisse
sunt iniquitates et quorum tecta [sunt]
peccata (Ps 31.1, Rm 4.7). Mala ha-
bent et turbata hii de quibus scriptum
est: Impius est in profundum peccati
venerit et contempnit (Prv 18.3).

Ein Gewissen ist schlecht aber ruhig, ein ande-
res gut aber unruhig, eines gut und ruhig, ein
weiteres schlecht und unruhig. Ein schlechtes,
aber ruhiges besitzen diejenigen, die Freude
empfinden, wenn sie etwas Schlechtes tun (Prv
2.14). Ein gutes, aber unruhiges besitzen dieje-
nigen, die vom Herrn in der folgenden Weise
sagen: du hast die Erde bewegt und erzittern
lassen, heile ihr Elend, da sie so bewegt ist (Ps
59.4). Ein gutes und ruhiges besitzen diejeni-
gen, von denen gesagt wird: Selig (diejenigen),
deren Sünden erlassen sind und deren Verge-
hen verdeckt wurden (Ps 31.1, Rm 4.7). Ein
schlechtes und unruhiges besitzen diejenigen,
von denen geschrieben ist: Gottlos ist, wer in
den Abgrund der Sünde steigt und dies gleich-
gültig hinnimmt (Prv 18.3).

59 R. Baron, Apropos des sources, S. 46-50; P. Sicard, Iter Victorinum, s.v.
60 Zur Konzeption vgl. P. Sicard, Repertorium Sententiarum, S. 171-4.
61 Vgl. Katalog Laon, S. 113.
62 Vgl. P. Sicard, Repertorium Sententiarum, S. 178, n° 401.
 
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