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Breitenstein, Mirko
Vier Arten des Gewissens: Spuren eines Ordnungsschemas vom Mittelalter bis in die Moderne : mit Edition des Traktats De quattuor modis conscientiarum — Klöster als Innovationslabore, Band 4: Regensburg: Schnell + Steiner, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.49623#0075
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3. Textzeugen: Das Motiv der vier Gewissensarten

ad nos. Via qua venit ad nos est iu-
stitia confessionis de qua dicitur:
lustus in principio accusator est sui
(Prv 18.17). Via qua imus ad eum
est iustitia operis de qua1 ait lo-
hannes: Preparate vias Domino et
cetera (Io 1.23) et item: Facite fruc-
tus dignos penitentie (Lc 3.8). Hec
facienda est in consilio, scilicet per
spiritum consilii, que nuncupatur2
iustorum prima resurrectio.

Weg, auf dem er zu uns kommt, ist die Gerechtig-
keit der Beichte, von der gesagt wird: Ein Ge-
rechter ist zuallererst Ankläger seiner seihst (Prv
18.17). Der Weg, auf dem wir zu ihm gelangen, ist
die Gerechtigkeit der Werke, von denen Johannes
spricht: Bereitet die Wege dem Herrn etc. (Io
1.23) und ebenso: Bringt würdige Früchte der
Buße hervor (Lc 3.8)! Dies muss mit Beratung ge-
tan werden, das heißt mit Hilfe des Geistes, durch
den die erste Auferstehung der Gerechten feier-
lich verkündet wird.

1 P2: qua] PI: hec - 2 P2: nuncupatur] PI: nunc occupator
a Vgl. zum Hintergrund dieses Motivs Olivar, L’image du soleil
An diese Sentenz schließt sich nun in beiden konsultierten Handschriften (PI,
P2) nahtlos und ohne visuell kenntliches Alinea-Zeichen, mit dem sonst die ein-
zelnen Texteinheiten getrennt werden, eine weitere, ursprünglich eigene Sentenz
über verschiedene Arten des Hochmutes an, die auch in einer anderen Senten-
zensammlung zu finden ist, die der Schule Anselms von Laon (f 1117) zugerech-
net wird.67
Auffällig an dieser Sentenz ist neben ihrer Länge vor allem auch jener die erste
Gewissensart exemplifizierende Satz, wonach ein Sonnenstrahl, der die Kloake
trifft, den Gestank aufsteigen lasse. Es bedarf, so lässt sich diese Passage deuten,
kaum großer Impulse, um dem Menschen zu zeigen, dass er als Gefäß der Schande
allen Grund hat, unruhig zu sein.
Eine weitere Eigenheit liegt in der Herausstellung der Beichte, die als Berei-
tung eines Weges beschrieben wird, auf dem das Heil in Gestalt von Christus
zum Menschen zu kommen vermag. Die Beichte ist auch Gegenstand innerhalb
67 PI, 39r, P2, 74r
Superbia diversis modis oppugnat. Ipsa enim multiplex est. Prima est quando aliquis insurgit in
Deum, scilicet est impenitens peccat. Agimus enim contra Deum quotiens peccamus criminaliter
et non penitemus et hec est diabolica superbia. Secunda est quando mala quedam agit homo et
non1 penitet si bene agens et iam sibi attribuit quod bene operatur non Deo. Tertia2 qua plerique
etiam boni ceciderunt.3 Sed quando4 quis bene operatur et Deo soli et nil sibi attribuit de bonis
que operatur. Sed inferiores despicere, peccatores hac cecidere ille phariseus qui ingressus in
templum est publicano dicebat: Gratias tibi ago, Domine quia non sum sicut ceteri homines et
cetera (Lc 18.11).
1 non] fehlt PI - 2 P2: Tertia] PI: Terra - 3 agens...ceciderunt] P2: agens et boni ceciderunt -
4 quando] fehlt P2.
Diese Sentenz über die superbia ist eigenständig (d. h. ohne den in PI und P2 vorangehenden
conscientia-TeA) auch in einer Sentenzensammlung aus der Schule Anselms von Laon überlie-
fert: Paris, BnF, n.a.l. 181, p. 142. Vgl. C. Giraud, Theologie et pedagogie, S. 277.
 
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