Metadaten

Breitenstein, Mirko
Vier Arten des Gewissens: Spuren eines Ordnungsschemas vom Mittelalter bis in die Moderne : mit Edition des Traktats De quattuor modis conscientiarum — Klöster als Innovationslabore, Band 4: Regensburg: Schnell + Steiner, 2017

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.49623#0083
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
82

4. Der Traktat De quattuor modis conscientiarum

Ausschlaggebend war für ihn hierbei neben stilistischen Erwägungen vor allem
der Umstand, dass beide Texte mit einer ausdrücklichen Identitätsverschleierung
des Autors operieren.21 Eine ähnliche Einschätzung war für den französischen
Kirchenhistoriker Remy Ceillier (f 1719) ausschlaggebend dafür, den Gewissen-
straktat in seiner Histoire generale des auteurs sacres et ecclesiastiqnes nicht Bern-
hard zuzuschreiben.22 Selbst wenn diese Beobachtung von Pez richtig sein sollte,
so bliebe der Verfasser (von vielleicht sogar zwei Schriften) dennoch unbekannt.
Der früheste bisher gefundene Hinweis auf eine Zuschreibung des Traktats an
Bernhard von Clairvaux stammt aus der Mitte des 15. Jahrhunderts, als das
Werk als beati Bernardi epistola bezeichnet wurde.23 Am 10. November des
Jahres 1441 nämlich beendete der Kopist Alexander de Aquis in Avignon seine
Arbeit an der heute in Rom aufbewahrten Handschrift (Rom).24 Unklar bleibt
dabei, welche Vorlage ihm für seine Fassung zur Verfügung stand, und ob bereits
diese den Text an Bernhard attribuierte.
Bernhardisch wurde der Traktat erst im Druck: Die nach der Etablierung des
Buchdrucks in rascher Folge erschienenen Ausgaben der Werke Bernhards von
Clairvaux präsentierten den Text seit der Mitte des 17. Jahrhunderts in der Re-
gel unter den zweifelhaften Werken.25 Die Frage, wie der Text zu seiner Zuschrei-
bung an Bernhard von Clairvaux kam, kann somit ebenfalls nur spekulativ
beantwortet werden. Möglichweise war hierfür die Predigt vom vierfachen Ge-
wissen und vor allem deren Präsenz in den Flores Bernardi ausschlaggebend. Das
dadurch bekannte Motiv der vier Gewissensarten und dessen Zuschreibung an
Bernhard wurde möglicherweise von den Flores auf den Traktat übertragen -
einfach deshalb, weil hier das aus der Anthologie bekannte Motiv ebenfalls ent-
wickelt wurde.

21 „Forte tarnen id detegi posset, si alter ejusdem [sc. dem Verfasser des Traktats De Penitentia}
libellus, quem Tristitiarum, qua: secundum Deum sunt, inscripsit, et infra cap. X. ipse laudat,
extaret: nisi et ab hoc nomen suum abesse voluerit, quod vehementer suspicor ex insigni quo-
dam opusculo de conscientia, quod hujus nostri Anonymi stylum, methodum, ingenium et aeta-
tem ex ässe refert, atque adeo vix alium quam eundem Auctorem habet.“ B. Pez, In tomum II.
Bibliothecx Ascetic<e Antiquo-Nov<e pnefatio, [S. 2]. Hierauf verweist Pez auch in der unmittel-
baren Einleitung zu De conscientia: „De Anonymi hujus, minime inficeti, Opusculo nihil aliud
nunc dicere habeo, quam quod jam in Praefatione ad Tomum II. hujus Bibliothecae num I. com-
memoravi.“ Ders., In tomum VI. Bibliothec<e Ascetic<e Antiquo-Nov<e pnefatio, [S. 5].
22 „L’auteur temoigne sur la fin, desirer que son nom demeure cache. Saint Bernard n’en usoit pas
ainsi ä l’egard des ouvrages. 11 en donnoit au contraire le catalogue ä ses amis, quand ils lui pa-
roissoient le souhaiter.“ R. Ceillier, Histoire Generale, Bd. 22, S. 455.
23 Vgl. unten S. 178, Anm. 1.
24 Rom, 188v: Alexander de Aquis me scripsit in Avinione 1441, decima novembris. Vgl. Colo-
phons de manuscrits ocddentaux des origines au XVIe siede, Bd. 1, n° 406.
25 Vgl. hierzu die Übersicht der Drucke, unten S. 156.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften