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Breitenstein, Mirko
Vier Arten des Gewissens: Spuren eines Ordnungsschemas vom Mittelalter bis in die Moderne : mit Edition des Traktats De quattuor modis conscientiarum — Klöster als Innovationslabore, Band 4: Regensburg: Schnell + Steiner, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.49623#0092
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4.2 Textgestalt

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hatte erkannt, dass die am Ende des kürzeren Gewissenstraktats abgedruckten
Kapitel nicht zu diesem Text gehörten, sondern sekundär hinzugekommen wa-
ren. Zwar sind zum Text selbst keine derartigen Überlegungen vermerkt, wohl
aber finden sich entsprechende Beobachtungen le Bels zum Tractatus alter De
conscientia, jener erwähnten Kondensform des Traktats Vom inneren Haus.^
Philippes le Bel übersetzte große Teile dieses Textes nicht mit, weil er sie eben
als Auszüge aus dem „Traite tres-utile de la maison Interieure, c’est ä dire, de
l’edifice de la conscience“ identifiziert hatte.60 61 Vor dem Hintergrund der auffälli-
gen Drucktradition des Traktats Von den vier Arten der Gewissen, bei der sich
jeder Herausgeber (bis hin zu Mabillon) schlicht bei seinen Vorgängern be-
diente, wurde Le Bels Eingriff in die Textgestalt prägend. Spätestens seit diese
bereinigte Textfassung durch die Ausgabe von Horstius zum Standard gewor-
den war, finden sich die Ergänzungen nicht mehr im Text.
Dennoch erfuhren ausgerechnet diese erkennbar nachgetragenen Partien eine
durchaus dichte Rezeption als integrale Teile des Traktats - und dies bis weit über
die Mitte des 17. Jahrhunderts hinaus, als diese Kapitel bereits nicht mehr mit-
gedruckt wurden. Entsprechende Rekurse lassen sich zumindest für den unter
der Überschrift Diffinitio bone et male conscientie abgedruckten ersten jener drei
angehangenen Abschnitte recht leicht aufspüren. Als Indikator vermag dabei die
dort als Erklärung des Begriffs conscientia gegebene Etymologie dienen, derzu-
folge der Begriff conscientia von cordis scientia abgeleitet worden sei.
Zwar findet sich diese Bestimmung außerdem auch in drei weiteren Texten -
zum einen natürlich in De interiori domo (dem die Exzerpte ja entnommen sind),
zum zweiten im Gewissenstraktat des Petrus Cellensis62 und zum dritten in
jenem zweiten Liber de conscientia, der bis zur Edition von Horstius stets unter
den Werken Bernhards mit abgedruckt wurde63 - doch lassen sich konkrete
Bezüge durch gegebene Verweise auf Kapitelnummern leicht eruieren. (Alle
Bezüge ohne ausdrücklichen Verweis auf „Bernhard von Clairvaux“ oder
solche, die sich auf eine nicht den Druckausgaben des Textes entsprechende Ka-
pitelzählung beziehen, können somit ohne Probleme ausgeschlossen werden.)
Eine der wirkmächtigsten Bezugnahmen war dabei wohl jene des Franzis-
kaners Lucius Ferraris (f nach 1763), der in seiner Bibliotheca prompta auf

60 Vgl. oben S. 84, Anm. 36.
61 „I’ay l’aisse le reste, d’autant que ce seroit battre vue mesme enclume si plustost ie m’en fuße
advise ie n’euße point commence ce traicte.“ BB 918, S. 565 b. Im Folgenden begründet er dies
für die einzelnen ausgelassenen Kapitel unter explizitem Verweis auf die jeweiligen Referenzka-
pitel in De interiori domo.
62 Vgl. zu diesem oben S. 47, Anm. 120.
63 Vgl. oben S. 84, Anm. 36.
 
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