4.3 Überlieferung
151
der Pariser Kartäuser und Cölestiner eingeflossen wären. Überdies hätte der
Kartäuser Gottfried Tilmann den Text annotiert.220 Da dieser Druck jedoch in
fast allen Einzelheiten (bis hin zum identischen Vorwort des Frangois Comes-
tor) dem des Jahres 1547 folgt, liegt es eher nahe anzunehmen, dass hier der ja
erst seit kurzem überhaupt im Druck vorliegende Text durch einen eigenen Hin-
weis herausgehoben werden sollte, um der gesamten Ausgabe mehr Gewicht zu
verleihen und dadurch größeren Absatz zu erzielen. Letzte Sicherheit ist hier
jedoch nicht zu erzielen. Selbst Ausgaben, die vergleichsweise ausführlich über
die zugrunde gelegten Handschriften informieren, wie jene des Jahres 1620 (BB
899) erlauben keine Rückschlüsse auf eine konkrete Druckvorlage oder auch nur
Bibliothek, aus der unser Traktat entnommen worden wäre.
Was beim vergleichenden Überblick der verschiedenen Druckausgaben jedoch
auffällt, ist die ausgesprochene Homogenität des wiedergegebenen Textes. Es
scheint, als sei die Variante der Ausgabe von 1547 in den folgenden Jahren einfach
kontinuierlich nachgedruckt worden, beschränken sich doch die Unterschiede
im Wesentlichen auf die Interpunktion, einige Präzisierungen oder den Wegfall
der in den Editionen bis zu der des Merlo Horstius häufig noch mitabgedruck-
ten drei letzten Kapitel (hier VI.), die ursprünglich dem Traktat De interiori domo
entnommen worden waren.221
Bei Konfrontation der verfügbaren Drucke mit dem handschriftlichen Mate-
rial fällt zudem klar ins Auge, dass die gedruckten Fassungen von De conscientia
in keiner Weise repräsentativ für die Textgestalt in den heute bekannten Manu-
skripten sind. Von einer Ausnahme abgesehen handelt es sich sämtlich um Wie-
dergaben jener einzig in der Handschrift aus Charleville-Mezieres überlieferten
Langversion (L) von De quattuor modis conscientiarum, einschließlich fast aller
hier zu findenden textlichen Eigenheiten. Der direkte Vergleich vermittelt den
Eindruck, als habe Ch selbst oder zumindest eine mit dieser sehr eng verwandte
Handschrift als Vorlage gedient. Auch später, als die letzten beiden Kapitel nicht
mehr abgedruckt wurden, blieb der Text in den Druckausgaben mit jenem der
Handschrift aus Charleville-Mezieres nahezu identisch. Gegen die Annahme,
220 „En huic quam primi dedimus, apprimimus et alteram ab exemplo uno Venete editionis superi-
ore anno emisse partim desumptam, partim corrogatani ex archivis Cartusia: ac Coelestinorum
Parisiensium, et in publicum usum expromptam. Utramque appendicem sedulo recognovit, et
pro cuiusque loci ratione, annotatiunculis ceu stellulis illustravit Godefridus Tilmannus Cartu-
sia: Parisiensis monachus. Hac vero postrema appendice continentur.“ BB 527, Indiculus ope-
rum. Bei der venezianischen Ausgabe muss es sich um BB 515 handeln. Zu Tilmann, der zahl-
reiche patristische Werke aus dem Griechischen ins Lateinische übersetzte, vgl. J. Hogg,
Carthusian Spirituahty, S. 37.
221 Vgl. hierzu oben im Kapitel 4.2. Eine Veränderung ist beispielsweise die seit BB 818 greifbare
Ersetzung des Wortes maturitas durch acceleratio im Epilog des Textes, vgl. unten S. 216,
Anm. 454. Diese Ersetzung ist nicht durch handschriftliche Befunde erklärbar.
151
der Pariser Kartäuser und Cölestiner eingeflossen wären. Überdies hätte der
Kartäuser Gottfried Tilmann den Text annotiert.220 Da dieser Druck jedoch in
fast allen Einzelheiten (bis hin zum identischen Vorwort des Frangois Comes-
tor) dem des Jahres 1547 folgt, liegt es eher nahe anzunehmen, dass hier der ja
erst seit kurzem überhaupt im Druck vorliegende Text durch einen eigenen Hin-
weis herausgehoben werden sollte, um der gesamten Ausgabe mehr Gewicht zu
verleihen und dadurch größeren Absatz zu erzielen. Letzte Sicherheit ist hier
jedoch nicht zu erzielen. Selbst Ausgaben, die vergleichsweise ausführlich über
die zugrunde gelegten Handschriften informieren, wie jene des Jahres 1620 (BB
899) erlauben keine Rückschlüsse auf eine konkrete Druckvorlage oder auch nur
Bibliothek, aus der unser Traktat entnommen worden wäre.
Was beim vergleichenden Überblick der verschiedenen Druckausgaben jedoch
auffällt, ist die ausgesprochene Homogenität des wiedergegebenen Textes. Es
scheint, als sei die Variante der Ausgabe von 1547 in den folgenden Jahren einfach
kontinuierlich nachgedruckt worden, beschränken sich doch die Unterschiede
im Wesentlichen auf die Interpunktion, einige Präzisierungen oder den Wegfall
der in den Editionen bis zu der des Merlo Horstius häufig noch mitabgedruck-
ten drei letzten Kapitel (hier VI.), die ursprünglich dem Traktat De interiori domo
entnommen worden waren.221
Bei Konfrontation der verfügbaren Drucke mit dem handschriftlichen Mate-
rial fällt zudem klar ins Auge, dass die gedruckten Fassungen von De conscientia
in keiner Weise repräsentativ für die Textgestalt in den heute bekannten Manu-
skripten sind. Von einer Ausnahme abgesehen handelt es sich sämtlich um Wie-
dergaben jener einzig in der Handschrift aus Charleville-Mezieres überlieferten
Langversion (L) von De quattuor modis conscientiarum, einschließlich fast aller
hier zu findenden textlichen Eigenheiten. Der direkte Vergleich vermittelt den
Eindruck, als habe Ch selbst oder zumindest eine mit dieser sehr eng verwandte
Handschrift als Vorlage gedient. Auch später, als die letzten beiden Kapitel nicht
mehr abgedruckt wurden, blieb der Text in den Druckausgaben mit jenem der
Handschrift aus Charleville-Mezieres nahezu identisch. Gegen die Annahme,
220 „En huic quam primi dedimus, apprimimus et alteram ab exemplo uno Venete editionis superi-
ore anno emisse partim desumptam, partim corrogatani ex archivis Cartusia: ac Coelestinorum
Parisiensium, et in publicum usum expromptam. Utramque appendicem sedulo recognovit, et
pro cuiusque loci ratione, annotatiunculis ceu stellulis illustravit Godefridus Tilmannus Cartu-
sia: Parisiensis monachus. Hac vero postrema appendice continentur.“ BB 527, Indiculus ope-
rum. Bei der venezianischen Ausgabe muss es sich um BB 515 handeln. Zu Tilmann, der zahl-
reiche patristische Werke aus dem Griechischen ins Lateinische übersetzte, vgl. J. Hogg,
Carthusian Spirituahty, S. 37.
221 Vgl. hierzu oben im Kapitel 4.2. Eine Veränderung ist beispielsweise die seit BB 818 greifbare
Ersetzung des Wortes maturitas durch acceleratio im Epilog des Textes, vgl. unten S. 216,
Anm. 454. Diese Ersetzung ist nicht durch handschriftliche Befunde erklärbar.