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Breitenstein, Mirko
Vier Arten des Gewissens: Spuren eines Ordnungsschemas vom Mittelalter bis in die Moderne : mit Edition des Traktats De quattuor modis conscientiarum — Klöster als Innovationslabore, Band 4: Regensburg: Schnell + Steiner, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.49623#0202
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5. Edition und Übersetzung

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Dies ist das schlechte Gewissen, das durch eine derartige Entfernung, ja viel-
mehr einen so tiefen Fall niederstürzt, zusammenbricht und unter sich begraben
wird. Auf welche Weise ist es ruhig? Wenn das Glück der Welt überschäumt;
wenn der Sünder in den Verlangen seiner Seele gepriesen und der Feind gesegnet
wird (Ps 9.24); wenn der Beifall der Sünder und die Furcht derjenigen, die nicht
sündigen wollen, ihm unwillig oder wehmütig zulächeln; wenn unter allen, die
um es herum sind (Ez 5.5), niemand ist, der es tadelt (lob 32.12), ja wenn niemand
es auch nur wagen würde, es zu tadeln, und so erfüllt wird, was geschrieben steht:
Das Glück der Törichten richtet diese zu Grunde (Prv 1.32).
Nichts reizt die Majestät jenes furchtbaren Richters so sehr wie das Sündigen,
wie das sorglose Sündigen und das Prahlen über Fehler wie auch über Tugenden.
Du sollst kein Mitleid mit all jenen haben, die Unrecht tun (Ps 58.6), sagt der
Gerechte. Dies ist das Unrecht dessen, für den Gott kein Erbarmen hat; immer
wenn der Mensch verteidigt, was Gott hasst,* und die Sünde zum Recht erklärt,
so dass er sich dem Allmächtigen widersetzt, dann [widersetzt] sich der Allmäch-
tige ihm. Dies ist jener Hochmut, von dem geschrieben steht: Gott widersteht
den Hochmütigen, aber den Demütigen schenkt er Gnade (lac 4.6). Gib Acht,
was er sagt: Er widersteht. Widerstand folgt nämlich in gleicher Weise. Jener
nimmt sich vor, Gott gleichermaßen zu widerstehen, jener, der - soweit es ihn
betrifft - das, was er selbst aufbaut, niederreißt, jener, der das Gute schlecht und
das Schlechte gut nennt, das Bittere süß und das Süße bitter, das Licht Finsternis
und die Finsternis Licht (Is 5.20). Die Straflosigkeit nährt diese Ruhe: Sie ist die
Mutter der Sorglosigkeit und Nachlässigkeit, die Stiefmutter der Tugend, das
Gift der Gottesfurcht und der an der Heiligkeit nagende Wurm.b
a Vgl. Augustinus, Enarrationes in Psalmos, In Psalmum LVIII, Sermo IA4, S. 740: „Quando
quisque defendit peccata sua, magnam iniquitatem operatur: hoc defendit quod Deus odit.“
b Das gesamte Kapitel weist zahlreiche Analogien zu Bernhard von Clairvaux, De considera-
tione ad Eugenium papam, lib. I, cap. II (2), in: Sämtliche Werke, Bd. 1, S. 630, 632, auf. Das
Motiv des an der Heiligkeit nagenden Wurms findet sich bereits in einer Predigt des Petrus
Chrysologus, Sermo VII: De Qinquagesima, S. 49 sowie - wohl von dort übernommen -
ebenfalls bei Bernhard von Clairvaux, In Psalmum, Qui habitat1 sermo VI, cap. 4, in: Sämt-
liche Werke, Bd. 7, S. 548.
328 Ille ... proponit] Ille Deo resistere proponit Bril.
329 quantum] quoniam Rom.
330 in ipso] in eo Brii.
331 di eens] fehlt in Av, Met, Soi.
332 et bonum malum] fehlt in Rom.
333 amarum dulce ... tenebras lucem] fehlt in Brü; amarum dulce et dulce amarum, lucem tenebras
ponens et econverso Soi.
334 Hane] Hane vero Ch.
335 virus] intus Mel; virus et Par, Rom.
 
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