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6. Rezeptionen und Wirkungen
Der Anlass für die Abfassung des Traktats war - dies legt die Briefform nahe
- ein Interesse an seinem Gegenstand: dem menschlichen Gewissen. Ein unbe-
kannter Briefschreiber wendet sich an eine uns ebenfalls nicht bekannte Person,
weil er dieser die Kompetenz zuerkennt, die ihn interessierenden Fragen zu klä-
ren. Die im Brief - das heißt: unserem Traktat - entworfenen Antworten auf die
ganz grundsätzliche Frage nach dem Verhältnis des Menschen zu seinem Han-
deln stießen offensichtlich auf Resonanz. Gleiches gilt für die anderen Text-
zeugen des Motivs der vier Gewissensarten, wobei - wie dargestellt - letztlich
unklar bleibt, in welchem Verhältnis die verschiedenen Texte zueinander stehen.3
Es wird sich in diesem Fall zeigen, dass dem Motiv trotz einer vergleichsweise
schmalen handschriftlichen Präsenz dennoch eine beachtliche Wirkung zuteil
wurde, die sich vom 12. bis zum 21. Jahrhundert nachverfolgen lässt.
6.1 Übersetzungen
Übersetzungen der Werke Bernhards von Clairvaux sind handschriftlich in
großer Zahl bezeugt4 und erschienen auch bald im Druck; überwiegend handelt
es sich dabei um Übersetzungen einzelner Texte oder Zusammenstellungen we-
niger ausgewählter Werke.5 Anders als beispielsweise der Traktat Vom inneren
Haus6 zählte der Von den vier Arten der Gewissen aber offensichtlich nicht zu
jenen Schriften, die rasch in andere Sprachen übertragen wurden. Gleiches gilt
für die ebenfalls erst spät im Druck erschienene Predigt Bernhards über das
Gewissensmotiv aus der Sammlung De diversis.
Die erste nachweisbare Übertragung gleich beider Texte aus dem Lateinischen
datiert an den Beginn des 17. Jahrhunderts. Im Jahr 1622 erschien bei Michel Soly
(die Schreibweise zum Teil auch: Joly) in Paris eine Übersetzung nicht nur des
Traktats Von den vier Arten der Gewissen und der Predigt Vom vierfachen Gewis-
sen, sondern gleich der gesammelten Werke Bernhards von Clairvaux.7 Hin-
tergrund der Ausgabe war der Erfolg, den der Verleger offensichtlich mit einer
Übertragung von Predigten Bernhards ins Französische hatte,8 und an den er
3 Vgl. oben im Kapitel 4.1.
4 Zur deutschsprachigen Tradition vgl. W. Höver, „Bernhard von Clairvaux“, Sp. 755-9. Zu
Übersetzungen geistlicher Literatur des 12. Jhs. im späten Mittelalter G. Constable, The Popu-
larity, S. 9 für die englischsprachige Tradition vgl. D. N. Bell, English Translations.
5 Vgl. bspw. BB 365, 628.
6 Vgl. bspw. BB 548, die 1556 erschienene Übersetzung von Christoph Grienenwald.
7 BB 918. Die Ausgabe BB 866 war nicht nachweisbar. Sie wird einzig in der Histoire litteraire de
la France, Bd. 13, S. 219 genannt, doch ist dieses Repertorium nicht in jedem Fall zuverlässig,
vgl. oben S. 150, Anm. 218.
8 Bei dieser Ausgabe hat es sich wahrscheinlich um BB 905 gehandelt.
6. Rezeptionen und Wirkungen
Der Anlass für die Abfassung des Traktats war - dies legt die Briefform nahe
- ein Interesse an seinem Gegenstand: dem menschlichen Gewissen. Ein unbe-
kannter Briefschreiber wendet sich an eine uns ebenfalls nicht bekannte Person,
weil er dieser die Kompetenz zuerkennt, die ihn interessierenden Fragen zu klä-
ren. Die im Brief - das heißt: unserem Traktat - entworfenen Antworten auf die
ganz grundsätzliche Frage nach dem Verhältnis des Menschen zu seinem Han-
deln stießen offensichtlich auf Resonanz. Gleiches gilt für die anderen Text-
zeugen des Motivs der vier Gewissensarten, wobei - wie dargestellt - letztlich
unklar bleibt, in welchem Verhältnis die verschiedenen Texte zueinander stehen.3
Es wird sich in diesem Fall zeigen, dass dem Motiv trotz einer vergleichsweise
schmalen handschriftlichen Präsenz dennoch eine beachtliche Wirkung zuteil
wurde, die sich vom 12. bis zum 21. Jahrhundert nachverfolgen lässt.
6.1 Übersetzungen
Übersetzungen der Werke Bernhards von Clairvaux sind handschriftlich in
großer Zahl bezeugt4 und erschienen auch bald im Druck; überwiegend handelt
es sich dabei um Übersetzungen einzelner Texte oder Zusammenstellungen we-
niger ausgewählter Werke.5 Anders als beispielsweise der Traktat Vom inneren
Haus6 zählte der Von den vier Arten der Gewissen aber offensichtlich nicht zu
jenen Schriften, die rasch in andere Sprachen übertragen wurden. Gleiches gilt
für die ebenfalls erst spät im Druck erschienene Predigt Bernhards über das
Gewissensmotiv aus der Sammlung De diversis.
Die erste nachweisbare Übertragung gleich beider Texte aus dem Lateinischen
datiert an den Beginn des 17. Jahrhunderts. Im Jahr 1622 erschien bei Michel Soly
(die Schreibweise zum Teil auch: Joly) in Paris eine Übersetzung nicht nur des
Traktats Von den vier Arten der Gewissen und der Predigt Vom vierfachen Gewis-
sen, sondern gleich der gesammelten Werke Bernhards von Clairvaux.7 Hin-
tergrund der Ausgabe war der Erfolg, den der Verleger offensichtlich mit einer
Übertragung von Predigten Bernhards ins Französische hatte,8 und an den er
3 Vgl. oben im Kapitel 4.1.
4 Zur deutschsprachigen Tradition vgl. W. Höver, „Bernhard von Clairvaux“, Sp. 755-9. Zu
Übersetzungen geistlicher Literatur des 12. Jhs. im späten Mittelalter G. Constable, The Popu-
larity, S. 9 für die englischsprachige Tradition vgl. D. N. Bell, English Translations.
5 Vgl. bspw. BB 365, 628.
6 Vgl. bspw. BB 548, die 1556 erschienene Übersetzung von Christoph Grienenwald.
7 BB 918. Die Ausgabe BB 866 war nicht nachweisbar. Sie wird einzig in der Histoire litteraire de
la France, Bd. 13, S. 219 genannt, doch ist dieses Repertorium nicht in jedem Fall zuverlässig,
vgl. oben S. 150, Anm. 218.
8 Bei dieser Ausgabe hat es sich wahrscheinlich um BB 905 gehandelt.