6.1 Übersetzungen
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nun anzuknüpfen hoffte.9 Besorgt wurde die Übersetzung durch den Pariser
Theologen Philippes le Bel, der zugleich das Amt des Seelsorgers im nordfran-
zösischen Luzarche vertrat. Er habe, wie er in seiner Widmung an die Gräfin von
Soissons, wohl Anne de Montafie (f 1644), bekannte, in Zeiten der Anfechtung
und Schwäche in den letzten Jahren oftmals auch zu den Schriften des Heiligen
Bernhard gegriffen und dabei festgestellt, dass diese einer Übersetzung ins Fran-
zösische wert seien, um den Franzosen so dessen große Frömmigkeit nahezubrin-
gen. So könnten auch diejenigen, denen die Kenntnis des Lateinischen nicht gege-
ben sei, ihre Frömmigkeit am Vorbild des großen Heiligen orientieren.10
Le Bels Übersetzung ist - zumindest bezogen auf den Traktat Von den vier
Arten der Gewissen - bemerkenswert. Sie ist es deshalb, weil der Text mit dieser
Ausgabe eine neue Gestalt gewann, die für die folgenden Jahrhunderte maßgeb-
lich wurde: In seiner Textfassung fehlen sowohl der Prolog als auch die abschlie-
ßenden Kapitel der oben beschriebenen Langfassung des Textes. Vieles spricht
dafür, dass die Textkürzungen von Philippes le Bel selbst vorgenommen wurden.
Unklar ist, welcher lateinische Druck ihm als Übersetzungsvorlage diente; in den
Jahren zuvor waren einige erschienen, die hier in Frage kommen.11 Soweit ich dies
überblicke, weisen alle möglichen Referenzausgaben eine von Le Bels Ausgabe
abweichende Anordnung der einzelnen Texte auf.
Der Wegfall des Prologs ist hier am ehesten mit einem Bemühen um Textpuri-
fizierung zu erklären: Wegfällen sollte wohl jener Rahmen, der den vermeintlich
,eigentlichen* Traktat umgab. Die letzten Kapitel wurden hingegen ausgelassen,
weil Philippes le Bel offensichtlich erkannt hatte, dass die hier befindlichen
Kapitel nicht zum Text gehörten, sondern sekundär hinzugekommen waren.
Zwar findet sich an der betreffenden Stelle kein Hinweis auf solche Überlegun-
gen, doch ist hier die vorangehende Übersetzung des Tractatus alter De conscien-
tia aufschlussreich. An deren Ende nämlich findet sich eine Begründung, warum
9 „Amy Lecteur, cy devant on vous a faict part des Sermons du devot Pere et Religieux Abbe
Sainct Bernard, ce qui sembloit m’obliger pour le bon accueil que vous en avet faict, et le goust
que vous y avez pris en nostre langage naturel, de vous presenter le reste de ses oeuvres traduict
en nostre mesme langue [...].“ BB 918, [M. Soly,] Le libraire au lecteur.
10 ie ne fusse circonvenu de quelques mauvaises fantasies, i’ay tousiours eu singuliere recom-
mandation de tromper le temps, par la lecture de quelques bon livres. Entre lesquels estant de-
puis quelques annees eschen ä feuilleter, ceux du pieux et devot pere et Religieux S. Bernard,
premier Abbe de Clairvaux, escripts en langue latine. Les trouvans dignes d’une version fran-
goise, pour si besoing estoit les communiques ä nos Frangois, tant ä cause de la grande piete et
devotion, qui y reluit [...] I’ay creu que si i’y employois quelques heures de mon loisir, ie ne
perdrois du tont mon temps, ains que mon labeur pourroit servir, ä quelques personnes qui
n’auroyent le langage latin en main [...].“ BB 918, [Ph. le Bel,] [Epistre] a tres-illustre princesse
Madame, Madame la contesse de Soissons.
11 Zu nennen sind bspw. BB 869, BB 870, BB 898, BB 899, BB 908.
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nun anzuknüpfen hoffte.9 Besorgt wurde die Übersetzung durch den Pariser
Theologen Philippes le Bel, der zugleich das Amt des Seelsorgers im nordfran-
zösischen Luzarche vertrat. Er habe, wie er in seiner Widmung an die Gräfin von
Soissons, wohl Anne de Montafie (f 1644), bekannte, in Zeiten der Anfechtung
und Schwäche in den letzten Jahren oftmals auch zu den Schriften des Heiligen
Bernhard gegriffen und dabei festgestellt, dass diese einer Übersetzung ins Fran-
zösische wert seien, um den Franzosen so dessen große Frömmigkeit nahezubrin-
gen. So könnten auch diejenigen, denen die Kenntnis des Lateinischen nicht gege-
ben sei, ihre Frömmigkeit am Vorbild des großen Heiligen orientieren.10
Le Bels Übersetzung ist - zumindest bezogen auf den Traktat Von den vier
Arten der Gewissen - bemerkenswert. Sie ist es deshalb, weil der Text mit dieser
Ausgabe eine neue Gestalt gewann, die für die folgenden Jahrhunderte maßgeb-
lich wurde: In seiner Textfassung fehlen sowohl der Prolog als auch die abschlie-
ßenden Kapitel der oben beschriebenen Langfassung des Textes. Vieles spricht
dafür, dass die Textkürzungen von Philippes le Bel selbst vorgenommen wurden.
Unklar ist, welcher lateinische Druck ihm als Übersetzungsvorlage diente; in den
Jahren zuvor waren einige erschienen, die hier in Frage kommen.11 Soweit ich dies
überblicke, weisen alle möglichen Referenzausgaben eine von Le Bels Ausgabe
abweichende Anordnung der einzelnen Texte auf.
Der Wegfall des Prologs ist hier am ehesten mit einem Bemühen um Textpuri-
fizierung zu erklären: Wegfällen sollte wohl jener Rahmen, der den vermeintlich
,eigentlichen* Traktat umgab. Die letzten Kapitel wurden hingegen ausgelassen,
weil Philippes le Bel offensichtlich erkannt hatte, dass die hier befindlichen
Kapitel nicht zum Text gehörten, sondern sekundär hinzugekommen waren.
Zwar findet sich an der betreffenden Stelle kein Hinweis auf solche Überlegun-
gen, doch ist hier die vorangehende Übersetzung des Tractatus alter De conscien-
tia aufschlussreich. An deren Ende nämlich findet sich eine Begründung, warum
9 „Amy Lecteur, cy devant on vous a faict part des Sermons du devot Pere et Religieux Abbe
Sainct Bernard, ce qui sembloit m’obliger pour le bon accueil que vous en avet faict, et le goust
que vous y avez pris en nostre langage naturel, de vous presenter le reste de ses oeuvres traduict
en nostre mesme langue [...].“ BB 918, [M. Soly,] Le libraire au lecteur.
10 ie ne fusse circonvenu de quelques mauvaises fantasies, i’ay tousiours eu singuliere recom-
mandation de tromper le temps, par la lecture de quelques bon livres. Entre lesquels estant de-
puis quelques annees eschen ä feuilleter, ceux du pieux et devot pere et Religieux S. Bernard,
premier Abbe de Clairvaux, escripts en langue latine. Les trouvans dignes d’une version fran-
goise, pour si besoing estoit les communiques ä nos Frangois, tant ä cause de la grande piete et
devotion, qui y reluit [...] I’ay creu que si i’y employois quelques heures de mon loisir, ie ne
perdrois du tont mon temps, ains que mon labeur pourroit servir, ä quelques personnes qui
n’auroyent le langage latin en main [...].“ BB 918, [Ph. le Bel,] [Epistre] a tres-illustre princesse
Madame, Madame la contesse de Soissons.
11 Zu nennen sind bspw. BB 869, BB 870, BB 898, BB 899, BB 908.