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Breitenstein, Mirko
Vier Arten des Gewissens: Spuren eines Ordnungsschemas vom Mittelalter bis in die Moderne : mit Edition des Traktats De quattuor modis conscientiarum — Klöster als Innovationslabore, Band 4: Regensburg: Schnell + Steiner, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.49623#0276
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6.2 Bearbeitungen, Zitate und Paraphrasen

275

und schließlich ein heilbringendes Gewissen.194 Vom kühnen würde Bernhard
sagen: Ein Gewissen sei ruhig, aber nicht gut, wie bei denen, die in Vermessenheit
sündigen und sich in ihren Herzen damit rechtfertigen würden, dass Gott keine
Rechenschaft von ihnen fordere. Ein solches Gewissen müsse man fürchten, weil
es verflucht sei.195 Auch hier ist, ebenso wie beim noch folgenden Abschnitt,
wieder klar die Predigt Vom vierfachen Gewissen als Referenztext erkennbar.196
Nach jeweils mit umfangreichen Zitaten belegter Behandlung des allzu weiten
ebenso wie des allzu strengen Gewissens, kommt der Franziskaner zur vierten
Art, der „conscientia conturbata“, für dessen Beschreibung er sich wiederum
(„ubi supra“) aus dem von ihm so benannten Liber de conscientia bediente. Ein
solches Gewissen sei nämlich weder gut noch ruhig, so wie bei jenen, die ob der
Menge ihrer Sünden verzweifelten. Gleich nahtlos schließt Pelbärt als zweite
Ausdrucksform der conscientia perturbata das gute, aber unruhige Gewissen an.
Ein solches sei bei denen zu finden, die sich zwar bereits zum Herrn bekehrt
hätten, ihre Jahre jedoch in Bitterkeit überdenken würden.197
Damit hatte der Franziskaner bereits drei der vier Arten des Schemas be-
nannt und als spezifische Ausdrucksformen zweier Modi der von ihm unter-
schiedenen acht Varianten des Gewissens identifiziert. Noch keine Erwähnung
hatte einzig die conscientia bona et tranquilla gefunden. Thematisch passend
wäre von Pelbärts acht Arten hier einzig die letzte gewesen: das heilbringende
Gewissen, welches, so der Prediger, zugleich das Beste sei („Ultima conscientia
est salutifera et optima.“)- Allerdings verzichtet Pelbärt auf diesen Verweis; er
rekurriert stattdessen auf einen anderen Text, den er hier sowohl Bernhard
von Clairvaux als auch Hugo von st. Viktor zuweist, um mit ihm die Frage
zu beantworten, wie denn dieses bestmögliche Gewissen beschaffen sei. Mit
dem Versuch ihrer Beantwortung knüpft Pelbärt dabei zugleich wieder an den
Beginn seiner Predigt an, insofern er zwar nicht klärt, wie denn eine conscientia
optima nun hätte beschaffen sein sollen, wohl aber darauf hinweist, dass die
194 „Notemus secundum doctores conscientie differentiam et varietatem octuplicet. Prima dicitur
presumptuosa. Secunda larga et nimis lata. Tertia arta et nimis stricta. Quarta conturbata. Quin-
ta inquinata. Sexta timida. Septima erronea. Ultima salutifera.“ Pelbärt von Temesvär, Sermo
IV, adv. III = Sermo XV [in der Syntax folge ich hier dem Druck Hagenau 1503].
195 „Prima dicitur conscientia presumtuosa, de qua Bernardus ubi sanctus dici: Conscientia que-
dam est tranquilla sed non bona, ut eorum qui in spe venie peccant et dicunt in corde suo quia
deus non requiret. Talis conscientia timenda est, quia est maledicta.“ Ebd.
196 Vgl. oben S. 61.
197 „Quarta conscientia dicitur conturbata, de qua Bernardus ubi supra dicit: Quedam est con-
scientia nec bona nec tranquilla: ut eorum qui in multitudine peccatorum suorum desperant.
Alia est quidem bona conscientia sed non tranquilla: ut eorum qui iam conversi ad Dominum
recogitant annos suos in amaritudine anime.“ Pelbärt von Temesvär, Sermo IV, adv. III -
Sermo XV. Vgl. oben S. 61.
 
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