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Breitenstein, Mirko
Vier Arten des Gewissens: Spuren eines Ordnungsschemas vom Mittelalter bis in die Moderne : mit Edition des Traktats De quattuor modis conscientiarum — Klöster als Innovationslabore, Band 4: Regensburg: Schnell + Steiner, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.49623#0309
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308

6. Rezeptionen und Wirkungen

strebte, war ebenso auf dem Weg zum irdischen Frieden wie auf dem zum himm-
lischen Heil. Wer dieses Ziel nicht verfolgte, war weder Christ noch geeignet,
einer Gemeinschaft der Ruhe und des Friedens anzugehören. Sein Gewissen
schloss ihn aus.
Anthony Cade: A Sermon Necessary for these Times
Das Gewissen war ein zentrales Thema in den Schriften des Anthony Cade
(f 1641). Dieses Interesse wird besonders deutlich, wenn man es vor dem Hinter-
grund seines insgesamt schmalen CEuvres von nur vier gedruckten Texten be-
trachtet. Cade, der nach einem Studium in Cambridge in erster Linie als Seelsor-
ger und als auch überregional geschätzter Lehrer wirkte, veröffentlichte bereits
1621 eine Predigt über die Eigenschaften des Gewissens. 1636 erschien dann sein
hier im Fokus stehendes Werk zum gleichen Gegenstand.357
Mit der 1636 veröffentlichten Gewissenspredigt griff er viele Motive wieder
auf, die er bereits 1621 behandelt hatte, weitete seinen Blick jedoch erkennbar. In
einem ersten Teil handelte Cade zunächst umfangreich von der normativen
Funktion des Gewissens für den Menschen, während er im zweiten Teil die dem
Gewissen zugeschriebene Aufgabe einer umfassenden Zeugenschaft für alles
menschliche Handeln, Denken und Reden vorstellte. Zur Veranschaulichung
beider Funktionen griff er auf das Bild vom Buch des Gewissens zurück: Der
Mensch könne sowohl die Norm in sich lesen, als auch das Register seines Lebens,
das vom Gewissen geführt werde. Mit dieser gleichsam doppelten Buchmetapher
gelang es Cade - ganz den schulphilosophischen Gepflogenheiten seiner Zeit
entsprechend - den Aspekt der Synderesis als Normquelle von jenem der Con-
scientia als Indikator einer Regelbefolgungspraxis zu unterscheiden.
Im dritten Teil seiner Predigt widmet sich Cade den Herausforderungen im
Umgang mit den beiden Büchern, die vom Menschen in Form eines praktischen
Syllogismus aufeinander zu beziehen seien; ein gerade im 17. Jahrhundert weit
verbreitetes Bild.358 Doch würde das Gewissen oft schläfrig sein und es unterlas-
357 Zu Leben und Werk vgl. G. J. Cuming, The Life and Works. Zu seinem Calvinismus vgl. ebd.,
S. 39, eine Übersicht der Druckausgaben seiner Werke, ebd. S. 52f.
358 „Their discursive thoughts, by comparing these two books together (the one containing Facta,
the other Regulam factorum) the Law of God, and the Chronicle of our lives, either accuse and
condemne for their disagreement, or excuse and acquit for their agreement. The first book makes
the Proposition or Major of a Practicall Syllogisme, Thus thou must do. The second book makes
the assumption or Minor, Thus thou hast done. The Conscience, with the discoursing thoughts,
out of those Premises draws the Conclusion, Ergo thou hast done evil, or well; against the law,
or according to it [...].“ A. Cade, A Sermon Necessary for these Times, part 3, S. 45. Zum
Verständnis des Gewissens als Syllogismus v. a. im frühneuzeitlichen England vgl. C. Sullivan,
The Rhetoric of the Conscience, S. 11-38.
 
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