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Breitenstein, Mirko
Vier Arten des Gewissens: Spuren eines Ordnungsschemas vom Mittelalter bis in die Moderne : mit Edition des Traktats De quattuor modis conscientiarum — Klöster als Innovationslabore, Band 4: Regensburg: Schnell + Steiner, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.49623#0342
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6.2 Bearbeitungen, Zitate und Paraphrasen

341

dieses als Ausdruck einer mentalen Orientierung nicht an Gott, sondern eben an
der Welt, am Fleisch oder am Teufel zu verstehen.486 Übertragen auf die Verhält-
nisse des ausgehenden 17. Jahrhunderts weist das „falsche Gewissen“ somit nicht
zuletzt auf einen falschen Glauben, wenn nicht gar den Abfall vom Glauben hin,
worauf sich der schon vorgestellte Claude Joly explizit bezog.487
Diese Predigt erfuhr wie alle anderen Bourdaloues auch eine ausgesprochen
weite Verbreitung. Zahlreiche Übersetzungen - nicht nur ins Deutsche, sondern
auch ins Italienische und Englische488 - trugen hierzu bei. Die Übernahme in
Sammlungen wie jene vom Amberger Professor Georg Wedel besorgte, die über-
dies noch Kurzfassungen der einzelnen Predigten enthielten, verstärkte die Prä-
senz des Textes weiter.489 Im Jahr 1844 floss Bourdaloues Predigt Über das fal-
sche Gewissen dann in eine Anthologie Über die Störung der Gewissensruhe ein,
die von den Wiener Mechitaristen herausgegeben wurde.490 So kann es nicht wun-
dernehmen, wenn - wie einleitend ausgeführt - Bourdaloue im 20. und 21. Jahr-
hundert neben Bernhard von Clairvaux - auf den er sich ja bezogen hatte - als
Referenz begegnet, wenn man sich auf das Motiv der vier Gewissensarten bezog.
Leon de Saint-Laurent: Sermones de Carcere purgatorii
Zu den zentralen Predigtinhalten zählten im 17. und ebenso noch im 18. Jahr-
hundert die Hölle und das Fegefeuer mit all den Schrecken und Qualen, die den
Verdammten hier erwarteten.491 Es war gleichsam die letzte Demonstration des
486 Vgl. De quattuor modis conscientiarum, cap. IV, oben S. 212-5 sowie im Kapitel 4.5 b).
487 Vgl. oben S. 329f.
488 Prediche Recitate in due Aw ent i. dal padre Luigi Bourdaloue, tradotte dall’Originale Francese
nell’Idioma Italiano da D. Francesco Morelli, Venezia: Francesco Sorti 1729. Sermons. [For
Advent and Lent], Antwerpen 1713.
489 In Wedels Sammlung auserlesener Kanzelreden ist die hier interessierende Passage wie folgt
zusammengefasst: „Bey einem falschen Gewissen begeht man das Böse ungescheut, und ganz
ruhig, weil man weder Widerstand noch Beunruhigung von demselben spührt. Das Gewissen
stimmt mit dem Sünder übereins, und setzt ihn in einen Frieden, der bey der Sünde das größte
Uebel ist. Der heil. Bernhard setzt 4 Arten der Gewissen, zwo gute; das gute friedliche, welches
das beßte ist, das gute, welches Unruhe hat, und von dem Gott zum Nutzen der Seele bedient
wird. Und zwo böse, das unruhige böse Gewissen, das eine Hölle ist, und das friedliche Böse,
welches ärger als die Hölle ist, denn bey dem ersten ist doch die Empfindung, und der nagende
Wurm noch ein Licht, das den Menschen zu Gott zurücke führen kann; aber bey dem zweyten,
welches eben das falsche Gewissen ist, sind nichts als innerliche Finsternisse, die dem Sünder
Zufriedenheit, und Zeugniß einer nichtigen Unschuld geben, folgsam die Furcht vor Gott be-
nehmen.“ G. Wedel, Sammlung auserlesener Kanzelreden, Erster Theil, S. 340.
490 Über die Gewissensruhe, S. 24-60.
491 Vgl. G. Minois, Die Hölle, S. 285-315. Zum bereits einsetzenden ,Niedergang‘ der Hölle vgl.
D. P. Walker, The Decline of Hell.
 
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