Metadaten

Breitenstein, Mirko
Vier Arten des Gewissens: Spuren eines Ordnungsschemas vom Mittelalter bis in die Moderne : mit Edition des Traktats De quattuor modis conscientiarum — Klöster als Innovationslabore, Band 4: Regensburg: Schnell + Steiner, 2017

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.49623#0356
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
6.2 Bearbeitungen, Zitate und Paraphrasen

355

liehen Glücks.555 Dies gelte auch dann, wenn diese Gewissensruhe nur aufgrund
eines irrigen Bewusstseins herrschen würde.556
Gerade an diesem Punkt, den Brean im Folgenden umfassend ausführt und
hervorhebt, wird die Differenz zu anderen Autoren deutlich, die - wie beispiels-
weise Francisco Palanco - sogar noch zur gleichen Generation wie Brean zähl-
ten. Der Wiener Jesuit vertritt damit in gewisser Weise genau jene Position des
Probabilismus, ja Laxismus, den die rigoristische Schule verdammte. Er verwies
jedoch zugleich auf die Überwindung einer solchen Kasuistik aus dem Geist der
Empfindung: Nur das je persönlich Bewusstsein eigener Sündhaftigkeit war
seiner Ansicht nach geeignet, einen Menschen in Unruhe zu versetzen. Hinsicht-
lich der Wichtigkeit, die er dem Glauben beimaß, stand der Jesuit damit ganz in
der Tradition Bernhards von Clairvaux,557 aber vor allem auch Luthers, für
den der Glaube die zentrale Stellung innerhalb seiner Theologie gewann.558
Palanco, um bei ihm zu bleiben, und Brean bezogen sich beide auf das
gleiche Ordnungsschema der vier Gewissensarten - ihre Folgerungen sind je-
doch in höchster Weise verschieden. Breans Aussage „Den Gerechten, welchen
sein Gewissen nicht beschuldiget/ wird nichts betrüben; was ihme auch begeg-
nen möge“559 verweist darauf, dass ihm die conscientia bona et tranquilla zum
Maßstab werden konnte, obwohl sie den subjektiven Ausdruck einer inneren
Befindlichkeit darstellte. Für Palanco hingegen waren Ruhe und Gutheit eines
Gewissen stets nur Zuschreibungen im Ergebnis einer objektiven Wertbestim-
mung; diese konnte sich ausdrücklich nicht in der Selbstwahrnehmung des Men-
schen erschöpfen.560
Für Brean war die Ruhe des Gewissens dabei jedoch kein Indikator für des-
sen Gutheit, sondern sie stellt gleichsam deren Folge dar: nur ein gutes Gewissen
konnte seiner Ansicht nach auch ruhig sein.561 Zwar gebe es durchaus auch „die
555 „[...] nichts ist so ergötzlich/ und vergnügt/ als die wahre Ruhe eines guten/ und unschuldigen;
im Gegentheil nichts so gefährlich/ und entsetzlich/ als die falsche Ruhe eines üblen/ und
schuldigen Gewissens [...].“ Ebd.
556 „Ein gutes/ unschuldiges Gewissen/ welches einer schwären Sünd ihme vor Gott nicht bewust/
mithin keine gegenwärtige Gefahr der Seelen billich zu besorgen hat; dieses ist/ was einem
Christen/ wo nicht die äusserliche des Leibs/ oder deren natürlichen Anmuthungen/ doch die
innerliche Ruhe seines Gemüts verschaffet.“ Ebd., Predigt 10.III, S. 123.
557 Vgl. hierzu v. a. seine erste Predigt zum Fest Mariä Verkündigung: Bernhard von Clairvaux,
In Annuntiatione Dominica, Sermo primus, v. a. 1-4, in: Sämtliche Werke, Bd. 8, S. 96-102.
558 Vgl. hierzu v. a. die Beiträge von Berndt Hamm in seiner Aufsatzsammlung „Der frühe Luther“.
559 Fr. X. Brean, Christliche Warheit, Bd. 2, Predigt 10.III, S. 124.
560 Vgl. oben S. 335f.
561 „Die innerliche Ruhe ist dann eine Würckung/ aber nicht alleweil ein Anzeigen/ oder Beweiß-
tum eines unschuldigen Gewissens.“ Fr. X. Brean, Christliche Warheit, Bd. 2, Predigt IOAN,
S. 125.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften