Metadaten

Breitenstein, Mirko
Vier Arten des Gewissens: Spuren eines Ordnungsschemas vom Mittelalter bis in die Moderne : mit Edition des Traktats De quattuor modis conscientiarum — Klöster als Innovationslabore, Band 4: Regensburg: Schnell + Steiner, 2017

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.49623#0382
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
6.2 Bearbeitungen, Zitate und Paraphrasen

381

Franz Ratte: Praktische Ascese
Nach Chrysostomus Wiesers Scientia Scientiarum ist mit der Praktischen Ascese
des Redemptoristen Franz Ratte (f 1893) ein weiteres Werk vorzustellen, das
ganz unmittelbar in der Sonderwelt der vita religiosa verortet ist und damit in
jenem sozialen Bereich, dem das Motiv der vier Gewissensarten ursprünglich
entstammte. Das Werk beeinhaltet in drei Abschnitten je acht Abhandlungen -
im Band „Conferenzen“ genannt - die im wesentlichen Fragen der religiösen
Praxis gewidmet sind. Ratte hatte sie, wie er im Vorwort bekennt, als Leiter des
Hauses seiner Gemeinschaft in der Stadt Luxembourg seit dem Jahr 1867 gehal-
ten. Veröffentlicht wurden sie im Jahr 1875 in Regensburg,673 was durchaus keine
Selbstverständlichkeit darstellte, war Rattes Orden doch zu dieser Zeit bereits
unter das Verdikt des Jesuitengesetzes* von 1872 gefallen, wodurch auch den
Redemptoristen als ,den Jesuiten verwandter* Orden die „Ausübung einer Or-
densthätigkeit“ innerhalb des Deutschen Reiches nicht mehr gestattet war; alle
Niederlassungen der Gemeinschaft hatten zu schließen.674
Ob Ratte mit seiner Praktische Ascese einen über den engeren Bereich seines
Ordens hinausreichenden Einfluß erlangen konnte, muß dahingestellt bleiben.
Zwar war er auch sonst ein durchaus produktiver Schreiber und hatte sich zu
verschiedenen Heiligen schriftstellerisch geäußert und auch übersetzerisch betä-
tigt, doch scheint das hier interessierende Werk kaum zur Kenntnis genommen
worden zu sein.675 Die für einen Redemptoristen äußerst ungünstige Situation
innerhalb des Deutschen Reiches wird einer breiteren Rezeption kaum förder-
lich gewesen sein, doch war das Werk als solches auch wenig geeignet, Aufmerk-
samkeit zu erregen. Zu sehr blieb es innerhalb einer Welt und Denkart verhaftet,
deren Anspruch, sich den sozialen und kulturellen Fragen und Problemen der
Zeit zu widmen, äußerst begrenzt war.
Die hier interessierende „Conferenz“ ist die erste von drei über die Bruder-
liebe. Es gebe, so führt Ratte aus, drei Einheiten: die mit Gott, die mit sich selbst
und die mit dem Vorgesetzten. Auf das Motiv der vier Gewissensarten kommt
673 Es handelt sich um die Zusammenstellung seit 1869 zunächst in Luxemburg erschienener Vor-
träge. Vgl. M. Blum / C. Hury, Bibliographie Luxembourgeoise, Bd. 2, S. 294, nos 12-14. Die
hier interessierende „Conferenz“ erschien im Band Grate fratres, S. 71-84.
674 Vgl. H. A. Winkler, Der lange Weg, S. 224; die entsprechenden Gesetze und Verordnun-
gen sind online verfügbar: Deutsches Reichsgesetzblatt, Bd. 1872, Nr. 22, Seite 253, online:
https://commons.wikimedia.org/wiki/File%3ADeutsches_Reichsgesetzblatt_1872_022_253.
jpg; Ausführungsbestimmung zum Verbot von Niederlassungen der Redemptoristen:
Deutsches Reichsgesetzblatt, Bd. 1873, Nr. 12, Seite 109, online: https://commons.wikimedia.
org/wiki/File:Deutsches_Reichsgesetzblatt_l 873_012_109.jpg.
675 Zu Franz Ratte vgl. M. de Meulemeester / E. Collet / Cl. Henze, Bibliographie Generale,
S. 340.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften