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Vorwort des Herausgebers

Schon Jahre vor dem Abschluß der Ausgrabungen in Assur hatte
Leopold Messerschmidt mit seinen Keilschrifttexten aus Assur
historischen Inhalts (KAH) 1 den ersten Teil eines Werkes weitge-
hend fertiggestellt, das bis heute wesentliche Gmndlagen unserer
Kenntnis der assyrischen Geschichte liefert. Als Messerschmidt
1911 mit nur 40 Jahren verstarb, machte Friedrich Delitzsch die
von Messerschmidt angefertigten ausgezeichneten Keilschrift-
kopien der wichtigsten in Assur entdeckten Königsinschriften,
so wie schon 1904 in Aussicht gestellt," der wissenschaftlichen
Forschung mit tunlichster Beschleunigung zugänglich.” 2 3 Nach
Messerschmidts unerwartetem Tode führte Otto Schroeder des-
sen Arbeit fort. 1922 erschien aus seiner Feder der zweite Band
der Keilschrifttexte aus Assur historischen Inhalts? Die beiden
meisterhaften Veröffentlichungen erschlossen zahlreiche assyri-
sche Herrscherinschriften aus drei Jahrtausenden, die nicht allein
erlaubten, die Entwicklung der Stadt Assur und seiner Bauten zu
rekonstruieren. Sie ließen auch die wesentlichen Gmndzüge der
Geschichte des assyrischen Reiches von seinen Anfängen bis zu
seinem Untergang im ausgehenden 7. Jh. v. Chr. erkennen und
regten zahlreiche weiterführende Studien an. Schon 1920 hatte
Otto Schroeder einen weiteren Band mit Keilschriftkopien von
in Assur gefundenen Tontafeln vorgelegt, in dem neben Brie-
fen, Urkunden und lexikalischen Texten auch Eponymen- und
Königslisten, königliche Stiftungsurkunden und Weihinschriften
sowie andere für die Rekonstmktion der assyrischen Geschich-
te bedeutsame Dokumente zugänglich gemacht wurden. 4 In den
folgenden Jahren erweiterte vor allem Ernst Weidner ganz sys-
tematisch durch zahlreiche Veröffentlichungen die Kenntnis der
in Assur gefundenen historischen Texte. 5 Die zahlreichen unver-
öffentlicht gebliebenen assyrischen Königsinschriften, die auf
Tonknäufen angebracht sind und in die Istanbuler Museen ge-
langt waren, brachten Veysel Donbaz und A. K. Grayson im Jah-
re 1984 der wissenschaftlichen Öffentlichkeit zur Kenntnis. 6 So
konnte A. K. Graysons für seine dreibändige zwischen 1987 und
1996 in Toronto erschienene Edition aller bekannten assyrischen
Königsinschriften von den Anfängen bis zum Jahre 745 v. Chr. 7

1 Leopold Messerschmidt, Keilschrifttexte aus Assur historischen Inhalts I,
WVDOG 16,Leipzig 1911.

2 Friedrich Delitzsch in seinem Vorwort zu Leopold Messerschmidt, Keilschrift-
texte aus Assur historischen Inhaltsl.

3 Otto Schroeder, Keilschrifttexte aus Assur historischen Inhalts II, WVDOG
37,Leipzig 1922.

4 Otto Schroeder, Keilschrifttexte aus Assur verschiedenen Inhalts, WVDOG
35,Leipzig 1920.

5 Vgl. die Zusammenstellung in: R. Borger, Handbuch der Keilschriftliteratur
Bandl, Berlin 1967, 609-623 und Bandll, Berlin 1975, 313-319.

6 V. Donbaz, A. K. Grayson, Royal Inscriptions on Clay Conesfrom Ashur now
in Istanbul, Toronto 1984.

7 A. K. Grayson, Assyrian Rulers ofthe Thirdand SecondMillennia BC. (to 1115

in den weitaus meisten Fällen auf gut edierte Königsinschriften
aus Assur zurückgreifen.

Als Olof Pedersen 1997 seinen Katalog der beschrifteten
Objekte aus Assur s vorlegte, stellte sich jedoch heraus, daß
im Bestand des Berliner Vorderasiatischen Museums nicht
nur manche auf Stein angebrachte Königsinschrift aus Assur
unveröffentlicht geblieben war, 9 sondern auch zahlreiche
Bruchstücke von bekannten und wohl auch unbekannten
Tonprismen mit assyrischen Herrscherinschriften. Meine
Durchsicht der Berliner Tontafelsammlung führte zu einem
ähnlichen Ergebnis. Unter den mit der Signatur VAT versehenen
„Tontafeln" fanden sich nämlich zum einen Bruchstücke von
Tonprismen, die als solche nicht erkannt worden waren. Zum
anderen aber zeigte sich, daß sich unter den Tontafeln tatsächlich
auch manche unerkannt gebliebene Königsinschrift verbarg.
Die neuen Textfunde ermöglichen nun, einen ganzen Band der
Keilschrifttexte aus Assur literarischen Inhalts mit wichtigen
historischen und historisch-literarischen Texten zu füllen. Unter
den neuen Texten sind Inschriften mittel- und neuassyrischer
Herrscher aus sieben Jahihunderten, von Tukultl-Ninurta I.
bis zum letzten assyrischen König Sin-sarm-iskun. Neben
Bruchstücken bekannter Inschriften, die wichtige Varianten
liefern oder bisher nur unzureichend bekannte Passagen ergänzen,
befinden sich darunter auch bislang gänzlich unbekannte Texte.
Von Wichtigkeit sind auch einige neue Chronikfragmente, Bruch-
stücke von Loyalitätseiden an Assurnasirpal II. (?), Sanherib und
Asarhaddon sowie eine kleine Gmppe literarischer Texte, die
auf historische Begebenheiten Bezug nehmen. Ein kleines aber
bedeutsames Corpus von historisch-epischen Texten kann aus
Raumgmnden in diesen Band nicht mehr aufgenommen werden.
Ihm wird eine eigene Publikation gewidmet sein.

Es war ein Glücksfall, Eckart Frahm für die Veröffentlichung
der neuen historischen und historisch-literarischen Texte aus
Assur gewinnen zu können. Eckart Frahm war vom 1.10.1998
bis zum 30.6.2002 in der Heidelberger Forschungsstelle tätig.

BC), Royal Inscriptions of Mesopotamia Assyrian Periods (RIMA) 1, Toronto
1987; ders., Assyrian Rulers ofthe Early First Millennium BC. I (1114-859),
RIMA 2, Toronto 1991; ders., Assyrian Rulers ofthe Early First Millennium
BC. II (858-745), RIMA 3, Toronto 1996.

8 O. Pedersen, Katalog der beschrifteten Objekte aus Assur. Die Schriftträger
mit Ausnahme der Tontafeln und ähnlicher Archivtexte, ADOG 23, Saarbrük-
ken 1997.

9 Siehe J. Orlamünde, "In Stein gehauen: Inschriften assyrischer Könige”, in:
J. Marzahn, B. Salje (Hrsg.), Wiedererstehendes Assur. 100 Jahre deutsche
Ausgrabungen in Assyrien,Mainz 2003,139-147; dies., "Die Steinorthostaten
Assumasirpals II. aus Assur. Ein Überblick über die Funde aus den Grabungen
derDeutschen Orient-Gesellschaft 1903-1914”, MDOG 136 (2004), 195-215;
dies., "Die Orthostatenplattenfragmente aus dem »Haus des Buchsbaumes«
von Tiglatpileser I. in Assur”, MDOG 139 (2007), 11-41.
 
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