Nr. 61
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Auf den ersten Blick möchte man meinen, daß in VAT 10803+ von Assurnasirpal II. die Rede ist, dem assyrischen König der Jahre
883-859 v. Chr. Dies scheinen vor allem die historischen und phraseologischen Ähnlichkeiten nahezulegen, die ein Vergleich des
Abschnitts i 3’-24’ mit RIMA 2,101.1,i 99 -ii 23 (//101.17,ii 1-76) zutage fördert, Assurnasirpals II. umfangreichem Annalenbericht
über sein zweites Regiemngsjahr, in dem der König selbst das Eponymenamt innehatte. Besonders für den Anfang des fraglichen
Abschnitts unseres Textes, in dem von der Überbringung kriegswichtiger Informationen die Rede ist, findet sich in dem Bericht
Assurnasirpals II. eine auffällige Parallele. In RIMA 2,101.1, i 101-102 heißt es: ina lime annimma ina Ninua uzbaku temu utterüni
mä „Im besagten Eponymat (demjenigen Assurnasirpals II., siehe 101.1, i 99: ina lime satti sumTja-ma), als ich in Ninive residierte,
überbrachte man mir eine Botschaft, (die) folgendermaßen (lautete)" (es folgt eine wörtliche Wiedergabe der Nachricht). Hinweise auf
die Überbringung von Botschaften sind in Assurnasirpals Annalenbericht auch sonst verschiedentlich eingestreut (RIMA 2, 101.1, ii
23f.,ii 49f.,iii 26f.).
Grayson zufolge (RIMA 2, p. 170) findet sich der bislang früheste in assyrischen Königsinschriften bezeugte Beleg für diese Form
der Nachrichtenübermittlung in der großen Tontafelinschrift Tukultl-Ninurtas II., des Vaters Assurnasirpals II. (RIMA 2,100.5). Dies
scheint zunächst ein weiteres Indiz dafür zu sein, daß unser Text kaum wesentlich früher als im 9. Jahrhundert v. Chr. entstanden sein
kann und folglich Assurnasirpal II. zuzuweisen ist.
Hierfür scheint auf den ersten Blick auch der historische Kontext zu sprechen. Der Abschnitt i 3’-24’ unseres Textes schildert einen
Feldzug gegen eines der sog. Habhu-Länder, von denen es, wie von A. Fuchs, in: J. Marzahn - H. Neumann (Hrsg.), Fs. J. Oelsner,
73-94 ausgeführt, mindestens fünf verschiedene gab. Die fraglichen Länder können in mehreren zumeist unzugänglichen Regionen
im Osten, Norden und Nordwesten Assyriens lokalisiert werden und sind in assyrischen Texten seit dem 13. Jahrhundert v. Chr.,
in Königsinschriften seit Tiglatpileser I. bezeugt. Bis ins 8. Jahrhundert v. Chr. hinein waren sie außerordentlich häufig das Ziel
assyrischer Feldzüge.
Die Annalen Assurnasirpals II. berichten nun, daß auch in dem Jahr, in dem der König das Eponymenamt bekleidete, Krieg gegen ein
Habhu-Land geführt wurde. Hiervon ist allerdings erst ganz am Ende der Schilderung der in diesem Jahr unternommenen Militäraktionen
und auch nur sehr knapp die Rede: Assurnasirpal zieht vom Land Nirbu im Kasiari-Gebirge durch den Paß von Bulijani zum Ufer
des Luqia-Flusses und greift sodann „das Land Habhu" an: ina metaqtija äläni sa mät Habhi (KUR Hab-hi) sa ina nerebe aktasad
dlktasunu mdattu adttk sallassunu aslul äläni ina isäti assarap „Während meines Marsches (durch das Feindesland) eroberte ich die
im Paß befindlichen Städte des Habhu-Landes,richtete ein gewaltiges Blutbad unter ihnen an, schleppte ihre bewegliche Habe fort und
verbrannte die Städte mit Feuer" (RIMA 2,101.1, ii 20f.). Dann verläßt der König die Gegend, die Fuchs (loc. cit., 78) als „Habhu 4“
bucht, und begibt sich in die Stadt Ardub/pa.
Diese Schildemng scheint mit dem Bericht in VAT 10803+ zunächst durchaus vereinbar. In beiden Fällen wird ein Feldzug gegen
ein Habhu-Land geschildert und Rekurs auf die Formulierungen dlktasunu mdattu däku, älämsunu kasädu und sallassunu salälu
genommen. Auch wenn diese Ausdmcke über viele Jahrhunderte zum Standardrepertoire assyrischer Königsinschriften gehören und
Assurnasirpals II. Annalenbericht keine Städte des von ihm attackierten Habhu-Landes identifiert (die in VAT 10803+ genannten
Städtenamen sind m. W. alle singulär), sind die Übereinstimmungen dennoch auffällig.
Es gibt jedoch trotz dieser bemerkenswerten Parallelen gute Gründe, daran zu zweifeln, daß in dem hier vorgelegten Text tatsächlich
von Feldzügen und frommen Gaben Assurnasirpals II. die Rede ist. Zunächst ist, wie schon angedeutet, daran zu erinnern, daß der
Feldzug gegen Habhu in den Annalen Assurnasirpals II. nur ein ganz nebensächliches Ereignis des Jahres 882 v. Chr. darstellt, während
er in VAT 10803+ offenbar als eine Hauptbegebenheit des nach dem König datierten Jahres präsentiert wird. Auch ist nirgendwo im
umfangreichen Inschriftenwerk Assurnasirpals II. ein Passus zu finden, der VAT 10803+, iv 8-18 entspricht, dem Abschnitt über die
Darbringung kostbaren Geschmeides in Assur. Und schließlich wird das theophore Element in „Assur-näsir-apli" in den Inschriften
Assurnasirpals II. niemals dA-sur geschrieben. Lediglich in den Inschriften seines Sohnes Salmanassars III. ist eine entsprechende
Schreibung einmal bezeugt (siehe S. Fischer, PNA 1/1,206f.).
Das entscheidende Argument gegen eine Zuweisung des Textes an Assurnasirpal II. ist jedoch die Eponymendatierung in iv 8. Einen
Eponymen Erlb-Sin gab es unter den ohne Ausnahme bekannten Jahresbeamten der Regiemngszeit Assurnasirpals II. nicht (siehe
A. R. Millard, The Eponyms ofthe Assyrian Empire, 24-26). Damit aber kann, will man nicht einen gravierenden Fehler seitens des
Schreibers annehmen, VAT 10803+ unmöglich Ereignisse des 9. Jahrhunderts v. Chr. beschreiben.
* * *
Vor diesem Hintergrund liegt es natürlich nahe, den Text dem anderen Träger des Namens Assur-näsir-apli auf dem assyrischen
Königsthron, Assurnasirpal I. (1049-1031 v. Chr.), zuzuschreiben. Bevor diese Annahme ausführlicher diskutiert wird, soll hier jedoch
zunächst auf eine weitere Möglichkeit eingegangen werden. Sie ergibt sich aus dem Namen des in iv 8 genannten Eponymen Erlb-
Sm. Ein gleichnamiger Jahresbeamter ist in der Unterschrift von RIMA 1,79.1, einer Königsinschrift Assur-nädin-aplis, des Sohnes
Tukultl-Ninurtas I., bezeugt, der von 1206-1203 v. Chr. regierte. Unter diesem Regenten amtierte also nachweislich ein Erlb-Sm als
Eponym.
Der Name Assur-nädin-aplis stellt ein Pioblem dar. Während er in den drei bekannten Inschriften des Königs selbst idAs-sur-na-
din(Nar.: SUM)-IBILA geschrieben wird (RIMA 1,79.1-3), offerieren die drei - durchweg späteren - Textvertreter der assyrischen
Königsliste neben Schreibungen mit SUM auch solche, die stattdessen PAB (= nasäru) bieten. Und die gleichfalls späte babylonische
„Chronik P" gibt seinen Namen mit [AN.SAR-nrt-.y/r-A wieder (für Belege siehe Sh. Yamada, N.A.B.U. 1998/23).
Die abweichenden Schreibungen haben einige Forscher zu der Annahme veranlaßt, Assur-nädin-apli und Assur-nasir-apli seien zwei
verschiedene Söhne Tukultl-Ninurtas gewesen (in diesem Sinne zuletzt G. Hagens, OrNS 74 (2005), 37-40, der annimmt, Assur-näsir-
apli habe nach dem Tod Tukultl-Ninurtas in Kär-Tukultl-Ninurta und Assur-nädin-apli in Assur regiert). Demgegenüber hat Yamada
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Auf den ersten Blick möchte man meinen, daß in VAT 10803+ von Assurnasirpal II. die Rede ist, dem assyrischen König der Jahre
883-859 v. Chr. Dies scheinen vor allem die historischen und phraseologischen Ähnlichkeiten nahezulegen, die ein Vergleich des
Abschnitts i 3’-24’ mit RIMA 2,101.1,i 99 -ii 23 (//101.17,ii 1-76) zutage fördert, Assurnasirpals II. umfangreichem Annalenbericht
über sein zweites Regiemngsjahr, in dem der König selbst das Eponymenamt innehatte. Besonders für den Anfang des fraglichen
Abschnitts unseres Textes, in dem von der Überbringung kriegswichtiger Informationen die Rede ist, findet sich in dem Bericht
Assurnasirpals II. eine auffällige Parallele. In RIMA 2,101.1, i 101-102 heißt es: ina lime annimma ina Ninua uzbaku temu utterüni
mä „Im besagten Eponymat (demjenigen Assurnasirpals II., siehe 101.1, i 99: ina lime satti sumTja-ma), als ich in Ninive residierte,
überbrachte man mir eine Botschaft, (die) folgendermaßen (lautete)" (es folgt eine wörtliche Wiedergabe der Nachricht). Hinweise auf
die Überbringung von Botschaften sind in Assurnasirpals Annalenbericht auch sonst verschiedentlich eingestreut (RIMA 2, 101.1, ii
23f.,ii 49f.,iii 26f.).
Grayson zufolge (RIMA 2, p. 170) findet sich der bislang früheste in assyrischen Königsinschriften bezeugte Beleg für diese Form
der Nachrichtenübermittlung in der großen Tontafelinschrift Tukultl-Ninurtas II., des Vaters Assurnasirpals II. (RIMA 2,100.5). Dies
scheint zunächst ein weiteres Indiz dafür zu sein, daß unser Text kaum wesentlich früher als im 9. Jahrhundert v. Chr. entstanden sein
kann und folglich Assurnasirpal II. zuzuweisen ist.
Hierfür scheint auf den ersten Blick auch der historische Kontext zu sprechen. Der Abschnitt i 3’-24’ unseres Textes schildert einen
Feldzug gegen eines der sog. Habhu-Länder, von denen es, wie von A. Fuchs, in: J. Marzahn - H. Neumann (Hrsg.), Fs. J. Oelsner,
73-94 ausgeführt, mindestens fünf verschiedene gab. Die fraglichen Länder können in mehreren zumeist unzugänglichen Regionen
im Osten, Norden und Nordwesten Assyriens lokalisiert werden und sind in assyrischen Texten seit dem 13. Jahrhundert v. Chr.,
in Königsinschriften seit Tiglatpileser I. bezeugt. Bis ins 8. Jahrhundert v. Chr. hinein waren sie außerordentlich häufig das Ziel
assyrischer Feldzüge.
Die Annalen Assurnasirpals II. berichten nun, daß auch in dem Jahr, in dem der König das Eponymenamt bekleidete, Krieg gegen ein
Habhu-Land geführt wurde. Hiervon ist allerdings erst ganz am Ende der Schilderung der in diesem Jahr unternommenen Militäraktionen
und auch nur sehr knapp die Rede: Assurnasirpal zieht vom Land Nirbu im Kasiari-Gebirge durch den Paß von Bulijani zum Ufer
des Luqia-Flusses und greift sodann „das Land Habhu" an: ina metaqtija äläni sa mät Habhi (KUR Hab-hi) sa ina nerebe aktasad
dlktasunu mdattu adttk sallassunu aslul äläni ina isäti assarap „Während meines Marsches (durch das Feindesland) eroberte ich die
im Paß befindlichen Städte des Habhu-Landes,richtete ein gewaltiges Blutbad unter ihnen an, schleppte ihre bewegliche Habe fort und
verbrannte die Städte mit Feuer" (RIMA 2,101.1, ii 20f.). Dann verläßt der König die Gegend, die Fuchs (loc. cit., 78) als „Habhu 4“
bucht, und begibt sich in die Stadt Ardub/pa.
Diese Schildemng scheint mit dem Bericht in VAT 10803+ zunächst durchaus vereinbar. In beiden Fällen wird ein Feldzug gegen
ein Habhu-Land geschildert und Rekurs auf die Formulierungen dlktasunu mdattu däku, älämsunu kasädu und sallassunu salälu
genommen. Auch wenn diese Ausdmcke über viele Jahrhunderte zum Standardrepertoire assyrischer Königsinschriften gehören und
Assurnasirpals II. Annalenbericht keine Städte des von ihm attackierten Habhu-Landes identifiert (die in VAT 10803+ genannten
Städtenamen sind m. W. alle singulär), sind die Übereinstimmungen dennoch auffällig.
Es gibt jedoch trotz dieser bemerkenswerten Parallelen gute Gründe, daran zu zweifeln, daß in dem hier vorgelegten Text tatsächlich
von Feldzügen und frommen Gaben Assurnasirpals II. die Rede ist. Zunächst ist, wie schon angedeutet, daran zu erinnern, daß der
Feldzug gegen Habhu in den Annalen Assurnasirpals II. nur ein ganz nebensächliches Ereignis des Jahres 882 v. Chr. darstellt, während
er in VAT 10803+ offenbar als eine Hauptbegebenheit des nach dem König datierten Jahres präsentiert wird. Auch ist nirgendwo im
umfangreichen Inschriftenwerk Assurnasirpals II. ein Passus zu finden, der VAT 10803+, iv 8-18 entspricht, dem Abschnitt über die
Darbringung kostbaren Geschmeides in Assur. Und schließlich wird das theophore Element in „Assur-näsir-apli" in den Inschriften
Assurnasirpals II. niemals dA-sur geschrieben. Lediglich in den Inschriften seines Sohnes Salmanassars III. ist eine entsprechende
Schreibung einmal bezeugt (siehe S. Fischer, PNA 1/1,206f.).
Das entscheidende Argument gegen eine Zuweisung des Textes an Assurnasirpal II. ist jedoch die Eponymendatierung in iv 8. Einen
Eponymen Erlb-Sin gab es unter den ohne Ausnahme bekannten Jahresbeamten der Regiemngszeit Assurnasirpals II. nicht (siehe
A. R. Millard, The Eponyms ofthe Assyrian Empire, 24-26). Damit aber kann, will man nicht einen gravierenden Fehler seitens des
Schreibers annehmen, VAT 10803+ unmöglich Ereignisse des 9. Jahrhunderts v. Chr. beschreiben.
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Vor diesem Hintergrund liegt es natürlich nahe, den Text dem anderen Träger des Namens Assur-näsir-apli auf dem assyrischen
Königsthron, Assurnasirpal I. (1049-1031 v. Chr.), zuzuschreiben. Bevor diese Annahme ausführlicher diskutiert wird, soll hier jedoch
zunächst auf eine weitere Möglichkeit eingegangen werden. Sie ergibt sich aus dem Namen des in iv 8 genannten Eponymen Erlb-
Sm. Ein gleichnamiger Jahresbeamter ist in der Unterschrift von RIMA 1,79.1, einer Königsinschrift Assur-nädin-aplis, des Sohnes
Tukultl-Ninurtas I., bezeugt, der von 1206-1203 v. Chr. regierte. Unter diesem Regenten amtierte also nachweislich ein Erlb-Sm als
Eponym.
Der Name Assur-nädin-aplis stellt ein Pioblem dar. Während er in den drei bekannten Inschriften des Königs selbst idAs-sur-na-
din(Nar.: SUM)-IBILA geschrieben wird (RIMA 1,79.1-3), offerieren die drei - durchweg späteren - Textvertreter der assyrischen
Königsliste neben Schreibungen mit SUM auch solche, die stattdessen PAB (= nasäru) bieten. Und die gleichfalls späte babylonische
„Chronik P" gibt seinen Namen mit [AN.SAR-nrt-.y/r-A wieder (für Belege siehe Sh. Yamada, N.A.B.U. 1998/23).
Die abweichenden Schreibungen haben einige Forscher zu der Annahme veranlaßt, Assur-nädin-apli und Assur-nasir-apli seien zwei
verschiedene Söhne Tukultl-Ninurtas gewesen (in diesem Sinne zuletzt G. Hagens, OrNS 74 (2005), 37-40, der annimmt, Assur-näsir-
apli habe nach dem Tod Tukultl-Ninurtas in Kär-Tukultl-Ninurta und Assur-nädin-apli in Assur regiert). Demgegenüber hat Yamada