Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
120

Historische und historisch-literarische Keilschrifttexte aus Assur

(loc. cit.) postuliert, grundsätzlich wohl zurecht, daß es einen Tukultl-Ninurta-Sohn Assur-näsir-apli nie gegeben habe; der Name sei
vielmehr aus Analogiegründen, wegen der Abstammung Assurnasirpals II. von Tukultl-Ninurta II., von späteren Schreibern fälschlich
anstelle des korrekten Assur-nädin-apli verwendet worden.

0. Pedersen ist die Einsicht zu verdanken, daß die Lage möglicherweise noch komplizierter ist. Es scheint, als sei das Wort nadänu
bereits im 13. Jahrhundert v. Chr. in einigen Personennamen, besonders in „Babu-aha-iddina", bald mit SUM und bald mit PAB
wiedergegeben worden (Pedersen, ALA 1,107f.,n. 5; ders.,in: B. Böcketal. (Hrsg.),Fs.J.Renger,369-73). Dies aber würdebedeuten,
daß auch der Name König Assur-nädin-aplis schon zu dessen Lebzeiten mit PAB anstelle von SUM geschrieben worden sein könnte

- auch wenn es hierfür bislang keine Belege gibt. Entsprechend ließe sich, eingedenk dessen, daß während seiner Regierungszeit ein
Eponym Erlb-Sin bezeugt ist, in Erwägung ziehen, daß es sich bei dem Assur-PAB-apli unseres Textes um König Assur-nädin-apli
handelt. Der Schriftduktus von VAT 10803+ scheint für eine Tafel aus dessen Regierungszeit zwar zu modern zu sein, doch ist es
aufgmnd des Chronikcharakters des Textes denkbar, daß eine spätere Abschrift vorliegt.

Die Annahme, daß der Text Ereignisse einer so frühen Zeit schildert, wirft jedoch auch Schwierigkeiten auf. Über die politischen
Ereignisse der kurzen Regiemngszeit Assur-nädin-aplis wissen wir so gut wie nichts; die einzige längere Inschrift, die von ihm
überkommen ist, beschreibt keine Feldzüge, sondern eine Flußlaufändemng des Tigris sowie die Errichtung eines Gebäudes mit einer
Königsstatue am Ufer des Flusses. Wie oben ausgeführt, ist des weiteren zu berücksichtigen, daß Habhu vor Tiglatpileser I. zwar
in Wirtschaftsurkunden, nicht jedoch in Königsinschriften oder anderen historischen Texten bezeugt ist. Auch ist der vorliegende
Text in Stil und Wortwahl der erwähnten Assur-nädin-apli-Inschrift und den zahlreichen in den Jahren zuvor verfaßten Inschriften
Tukultl-Ninurtas I. eher unähnlich. Dies könnte natürlich mit seinem chronistischen Charakter zusammenhängen. Man sollte jedoch
berücksichtigen, daß von den bislang bekannten mittelassyrischen Chronikfragmenten nur die beiden späteren, von Assur-resa-issi

1. und Tiglatpileser I. handelnden Fragmente no. 3 und 4 (Grayson, ABC, 187-89; Glassner, Chronicles, 186-89) phraseologische
Ähnlichkeiten mit VAT 10803+ aufweisen. Besonders für no. 3 trifft dies zu. Hier finden sich die Ausdrücke ina sattimma siäti (iv 7),
aläk KN semü (iv 13f.) und iltesu(-ma) (iv 18), die in ähnlicher Form auch im vorliegenden Text bezeugt sind (iv 19, i 12’f., 17’).

Ein weiteres Problem stellt das in i 3’ unseres Textes erwähnte Eponymat Assur-PAB-aplis dar. Es ist bekannt, daß ein Assur-nädin-
apli, der mit dem späteren König gleichen Namens identisch sein könnte, zu einem nicht genau bestimmbaren Zeitpunkt während der
Regiemng Tukultl-Ninurtas als Eponym amtierte (siehe H. Freydank, BMCG, 42,121). Daß Assur-nädin-apli während seiner eigenen
Regentschaft Eponym war, kann vorerst jedoch nicht nachgewiesen werden. Eindeutig belegt ist für diese Zeit neben Erlb-Sm bislang
nur ein anderer Eponym, Assur-mudammeq (BMCG, 194). Natürlich sollte man nicht außer Acht lassen, daß die Könige der Zeit von
Tiglatpileser I. (1114-1076 v. Chr.) bis zu Assur-dän II. (934-912 v. Chr.) offenbar ausnahmslos in ihrem ersten Regiemngsjahr als
Eponymen fungierten (siehe Millard, Eponyms, 8-9). Freydank vermutet selbiges auch für Tukultl-Ninurta I. (BMCG, 41, 175) und
weitere mittelassyrische Könige, so daß es durchaus vorstellbar erscheint, daß auch Assur-nädin-apli in seinem ersten Jahr Eponym
war. Sicherheit hierüber besteht jedoch nicht.

Man kann also zusammenfassend festhalten, daß es denkbar, alles in allem aber doch eher unwahrscheinlich ist, daß die in VAT
10803+ geschilderten Begebenheiten in die Zeit Assur-nädin-aplis datieren.

* * *

Eine dritte Möglichkeit ist, wie schon angedeutet,unseren Text der Zeit Assurnasirpals I. zuzuweisen, der von 1049 bis 1031 v. Chr. als
König von Assyrien amtierte. In der Eponymenliste KAV 21 sind lediglich die letzten drei Eponymen seiner Regierungszeit erhalten.
Zwar findet sich unter ihnen kein Erlb-Sm, doch ist durchaus vorstellbar, daß ein solcher, wie auch der König selbst, dieser gewiß in
seinem ersten Regiemngsjahr, früher als Eponym amtiert haben könnte.

Über die militärischen Aktivitäten Assurnasirpals I. war bislang nichts Gesichertes bekannt. Die in RIMA unter seinem Namen
gebuchten Königsinschriften, eine kurze Ziegel- und eine stark beschädigte Tonknaufinschrift aus Assur (RIMA 2,92.1 und 92.1001),
letztere unsicherer Zuweisung, sind äußerst kurz und erwähnen keinerlei Feldzüge (zum sog. „Weißen Obelisken" s. u.). Eine weitere
Inschrift Assurnasirpals I. wurde laut H. Pittman, The Art Bulletin 1996,349 43 im Jahre 1989 in Ninive gefunden. Über ihren Inhalt ist
mir nichts bekannt, und ich frage mich, ob sie nicht in Wirklichkeit eher Assurnasirpal II. zuzuschreiben sein könnte.

Die bemerkenswertesten gegenwärtig bekannten Texte, in denen von Assurnasirpal I. die Rede ist, sind drei in seinem Namen
verfaßte Gebete. Eines von ihnen, 80-7-19, 152+, wurde in Assurbanipals Bibliothek in Ninive gefunden und von W. von Soden,
AfO 25 (1974-77), 37-45 ediert, die beiden anderen, KAR 107// (teilweise publiziert von E. Ebeling, MVAG 23/1 (1918), 58-62)
und KAR 334//, stammen aus Assur; eine auf neue Duplikate gestützte Neubearbeitung dieser Texte durch Wiebke Meinhold ist in
Vorbereitung. Übersetzungen von 80-7-19, 152+ und KAR 107// hat B. Foster, Before the Muses^, 327-33 vorgelegt. In dem Gebet
aus Ninive präsentiert sich Assurnasirpal I. als kranker und bedmckter Sünder, der bei Istar von Ninive um Gnade bittet, während die

- biographisch weniger ergiebigen - Gebete aus Assur an die Istar von Assur gerichtet sind.

Es ist verschiedentlich, z. B. von W. von Soden, ZA 64 (1975), 186, behauptet worden, der depressive Ton des erstgenannten Gebets
mache es unwahrscheinlich, daß der König zeit seines Lebens irgendwelche erfolgreichen kriegerischen Aktionen unternommen
habe. Eine solche Sichtweise versäumt es jedoch, den spezifischen Gattungsmerkmalen des Bußgebets, zu denen der Zwang zur
Selbsterniedrigung auf Seiten des Supplikanten gehört, Rechnung zu tragen. M. E. spricht nichts dagegen, daß Assurnasirpal I.
während seiner neunzehnjährigen Regiemng Feldzüge zumindest bescheideneren Zuschnitts, wie sie Aktionen gegen die Habhu-
Länder darstellen, unternommen haben könnte.

Ein Indiz zugunsten der Annahme, unser Text sei Assurnasirpal I. zuzuweisen, stellt der Umstand dar, daß das in seinem Namen
enthaltene theophore Element Assur in den beiden vorerwähnten Gebeten sowohl mit As-sur als auch mit AA-sur wiedergegeben wird
(siehe PNA 1/1,205) - genau den beiden Schreibvarianten, die sich auch in VAT 10803+ finden. Noch wichtiger dürfte sein, daß die
beiden Gebete von wertvollen Steinen und Gold berichten, die der König der Istar von Ninive (von Soden, AfO 25 (1974-77), 39,Z. 35-
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften